Bogenhausen:Petition gegen ein Provisorium

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Drei Villen, eine Klinik: An die Rückseite des Gebäudes mit der Hausnummer 29 (links) wurde ein Anbau mit Platz für 16 Betten gesetzt. (Foto: Florian Peljak)

Bogenhauser Lokalpolitiker wollen die Genehmigung für einen Siebzigerjahre-Anbau an eine Villa verhindern

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

"Eilt - bitte sofort vorlegen - es droht Vollzug" steht auf dem Deckblatt des Schreibens, das ein Bote Mitte Dezember dem Petitionsausschuss im bayerischen Landtag überbrachte. Formuliert haben es die Rechtsanwälte von vier CSU-Vertretern im Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen, die den Denkmalschutz für ein Haus an der Possartstraße in Altbogenhausen in akuter Gefahr sehen. Von "Verschandelung" hatte einer von ihnen, Xaver Finkenzeller, schon in der September-Sitzung des BA gesprochen und seinen Kollegen im Stadtteil-Gremium versichert: "Wir werden viel dafür machen, dass das so nicht betrieben wird." Die Petition zeigt, dass dies keine leere Drohung war.

Die "Verschandelung", die Finkenzeller anprangert, existiert allerdings schon. Sie steht seit 40 Jahren im Garten der 1912 gebauten neoklassizistischen Villa an der Possartstraße 29. Damals erweiterte die Klinik Dr. Gaertner, eine Fachklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenleiden (HNO), ihre Räume in dem denkmalgeschützten Haus: Im Anbau an der Westseite entstand Platz für 16 Betten. Von Anfang an war aber klar, dass dieser Trakt nur ein Provisorium sein würde, denn die Genehmigung wurde auf die Dauer des Mietvertrags begrenzt: 15 Jahre. Grund dafür war, dass Denkmalschutz und Heimatpfleger ihre Bedenken nicht abgelegt, "sondern ... lediglich zurückgestellt" hätten, wie es im Bescheid der Lokalbaukommission (LBK) hieß.

Doch nach Ablauf der 15 Jahre geschah erst einmal gar nichts, und 1997 beantragte die HNO-Klinik dann die unbefristete Genehmigung des Anbaus, wie die Petition schildert. Dies lehnte die LBK ab: Der Anbau füge sich nicht in die Umgebung ein, halte die notwendigen Abstandsflächen nicht ein, sei "nicht genehmigungsfähig". Bereits 1988 hatte das Denkmalamt seine "schweren Bedenken" von 1977 wiederholt: Der Anbau sei "für die historische Wirkung des Villengebäudes außerordentlich nachteilig".

Trotz ihrer eigenen Einschätzung und der Haltung des Denkmalamtes sprach die LBK 1997 aber eine Duldung aus - der Anbau hatte eine Gnadenfrist von 20 Jahren. Folgerichtig brachte der Klinik-Betreiber das Thema 2017 wieder auf die Tagesordnung und beantragte die Sanierung des Anbaus plus dessen endgültiger Genehmigung. Für den Bogenhauser Bezirksausschuss war dies ein Unding, er sprach sich im September einstimmig dagegen aus.

In ihrer Petition verweisen die CSU-Vertreter auch darauf, dass die Klinik in den vergangenen Jahren zweimal erweitert wurde, um die beiden ebenfalls denkmalgeschützten Villen nördlich und südlich des Stammhauses. Einerseits habe die Klinik also ihre Fläche verdreifacht, andererseits argumentiere der Betreiber, ohne den Anbau müsse er den Betrieb einstellen. Dies sei nicht nachvollziehbar, zumal gerade die Räume der Schreiber-Klinik weiter nördlich an der Scheinerstraße frei geworden seien. "Der Betreiber hatte über 40 Jahre Zeit, einen neuen Standort zu finden", so die Petition. Stattdessen aber solle der Denkmalschutz "für die wirtschaftlichen Interessen des Eigentümers und des Klinikbetreibers geopfert werden."

Die CSU-Vertreter beklagen außerdem einen "nicht nachvollziehbaren" Sinneswandel im Denkmalamt, dessen Vertreter laut einem Protokoll der Heimat- und Denkmalpflegersitzung vom Mai 2017 einer unbefristeten Duldung des Anbaus jetzt zustimmen würden, solange die Villa als Klinik genutzt werde. Dies konterkariere den Verfassungsauftrag zum Denkmalschutz, bedrohe Altbogenhausens Villen-Ensemble und mache das Handeln der Verwaltung unglaubwürdig.

Außerdem verweisen Xaver Finkenzeller und seine Mitstreiter Kilian Mentner, Peter Reinhardt und Tassilo Strobl auf den drohenden Präzedenzfall: Dann "kann jeder Eigentümer im Quartier die Erweiterung seines Gebäudes um wenigstens zehn Meter in den rückwärtigen Gartenbereich beantragen". Konkret fordert die Petition, dass die Staatsregierung Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) dazu verpflichtet, den "verunstaltenden und rechtswidrigen" Anbau abreißen zu lassen und auf eine "willkürliche Sonderbehandlung" von Hauseigentümer und Klinikbetreiber zu verzichten.

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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