Bogenhausen:Patienten-Videos statt Horrorbilder

Bogenhausen: Abhängigkeit als Unterrichtsstoff: Ein Krankenhaus-Arzt klärt Schüler über die Wirkungen des Zigaretten-Konsums auf.

Abhängigkeit als Unterrichtsstoff: Ein Krankenhaus-Arzt klärt Schüler über die Wirkungen des Zigaretten-Konsums auf.

(Foto: oh)

Die etwas andere Aufklärung: Mediziner des Klinikums Bogenhausen sensibilisiert Jugendliche des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums für die Gefahren des Rauchens

Von Jorid Engler, Bogenhausen

Horrorbilder auf den Zigarettenpackungen sollen Menschen vom Rauchen abbringen - Jonas Hartung vom Klinikum Bogenhausen wählt einen gänzlich anderen Ansatz, um die Schüler der neunten Klasse des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums für die Gefahren des Rauchens zu sensibilisieren. Statt krasser Bilder zeigt er ernüchternde Zahlen und erklärt an anatomischen Zeichnungen, wie das Qualmen Blutgefäßen zusetzt und Lungen von Krebs befallen werden.

Im Februar dieses Jahres hatten Schüler aller Jahrgangsstufen des Gymnasiums ihre Bilder aus dem Kunstunterricht gespendet, um die kargen Flure der Lungenkrebsklinik am Klinikum Bogenhausen zu verschönern. Palliativmediziner Hartung revanchiert sich für die Gabe mit einem Besuch im Biologieunterricht von Lehrerin Manuela Baldassare, um Präventionsarbeit zu leisten. Die Kooperation soll auch in Zukunft fortgeführt werden. Ärzte des Klinikums besuchen vor allem die neunten Klassen der Schule, die gegenüber des Krankenhauses auf der anderen Straßenseite steht. In dieser Klassenstufe steht das Thema "Sucht und Gesundheit" im Lehrplan, aus gutem Grund. 80 Prozent der Raucher haben vor dem 18. Geburtstag begonnen, sagt Hartung. Baldassare pflichtet ihm bei: "In der neunten Klasse sind die Schüler in einer sensiblen Phase. Ein breites Präventionsangebot ist wichtig."

Zu der Präventionsarbeit gehören auch die acht Unterrichtsstunden, in denen Baldassare mit ihrer Klasse das Thema Rauchen behandelt hat. Die Jugendlichen zeigen durch ihre Fragen, dass sie schon Experten auf diesem Gebiet sind. Dem Vortrag von Hartung, der sie nicht mit medizinischen Ausdrücken schont, können die Schüler gut folgen. Als Hartung die Abbildung kleiner Stents zeigt - Röhren-Implantate, die nach einem Herzinfarkt eingesetzt werden, um die verengten Gefäße zu erweitern - nickt ein Junge in der letzten Reihe seiner Bio-Lehrerin verschwörerisch zu. Baldassare lächelt. Stents kennen ihre Schüler schon aus der Vorbereitung auf den Termin mit dem Mediziner. Baldassare unterstreicht, wie wichtig es ist, dass der Palliativarzt Hartung von seinen Erfahrungen mit den Patienten spricht.

Die Schulstunde mit dem Mediziner ist kein leichter Stoff, aber die Lehrerin findet: "Die Schüler in dem Alter kann man nicht mehr mit einfachen Antworten abspeisen. Die wollen verstehen, warum Rauchen gefährlich ist." Selbst der Experte Hartung kennt nicht auf alle Fragen seiner jungen Zuhörer Antworten. Wie alt wurde Helmut Schmidt, wollen sie wissen, und warum konnte der Altkanzler so lange rauchen? Ein Schüler fragt, ob Rauchen in der Wohnung nicht neuerdings verboten sei, wenn doch überall Feuermelder installiert werden müssten.

Die Zahl der Raucher in Deutschland sinkt seit Jahren. "Das geht zurück und das ist auch gut so. Trotzdem haben noch viel zu viele Probleme", meint Hartung. "Ich hoffe, dass ich zumindest einige der Schüler erreiche", sagt der Internist, der sich bald zum Pneumologen weiterbilden will. Statt der Bilder auf Zigarettenschachteln zeigt Hartung den Schülern gerne ein Video von einer Patientin mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung; typische Symptome sind Husten, Bronchitis, Atembeschwerden - und 80 bis 90 Prozent der Patienten sind aktive oder ehemalige Raucher. In dem Filmausschnitt sieht man eine Frau keine Luft mehr bekommt. Hartung glaubt: "Das schreckt mehr ab als die Horrorbilder". Noch anschaulicher wird es wohl bei seinem nächsten Besuch. Dann möchte er einen Patienten mitbringen.

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