Bogenhausen:Es hängt noch eine Menge in der Luft

Bogenhausen: Quelle: SZ-Grafik

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Bürger können wieder mitreden beim Sommer-Workshop zur geplanten Großsiedlung im Nordosten

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Johanneskirchen ist alt, viel älter als München. Gerade wird die erste urkundliche Erwähnung im Jahr 816 mit einem Veranstaltungsreigen gefeiert. Aber der Ortsteil ganz im Nordosten ist zugleich Schauplatz für das nächste Kapitel der Stadtentwicklung: Auf einer knapp 600 Hektar großen Fläche zwischen Johanneskirchen und Riem soll in den nächsten zehn Jahren ein neues Wohnviertel samt Gewerbeflächen entstehen. Wo genau es liegen wird, wie es aussehen soll, wie viele Menschen dort leben und arbeiten werden - das alles ist offen. Kommunalpolitiker und Stadtverwaltung versuchen, die Bürger, die schon heute in dieser Ecke zu Hause sind, im Planungsprozess anzuhören. Vergangenen Sommer gab es ein Wochenende lang Workshops, Podiumsdiskussionen, eine Erkundungstour per Bus. Der diesjährige Sommer-Workshop des Planungsreferats für das Wohngebiet am 18. Juli gehört zum Programm der 1200- Jahr-Feier für Johanneskirchen. Zu Wort kommen werden nicht nur die Bürger mit ihren Ideen. Die Fachleute werden außerdem erläutern, welche Schlüsse sie aus den Wortmeldungen des vergangenen Jahres gezogen haben, und vorstellen, was sie bisher an Gutachten erarbeitet haben.

Ganz schön viel Aufwand für so ein bisschen Neubaugebiet? Mitnichten. "Das ist vielleicht die größte Maßnahme, die ich bewegen kann", sagte Stadtbaurätin Elisabeth Merk jüngst beim Regionalen Planungsverband (RPV) über die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme im Münchner Nordosten (SEM), wie der sperrige offizielle Titel lautet. Nach dem Arnulfpark am Haupt-Bahnstrang durchs Stadtgebiet, nach den Kasernenflächen in Freimann und Oberföhring und dem neuen Wohnviertel Freiham ist der Nordosten um Johanneskirchen der letzte Bereich, in dem die Stadt große zusammenhängende Grundstücke besitzt und ein Quartier nach ihren Vorstellungen entwerfen kann.

Einfach wird das allerdings nicht. Problem Nummer eins ist das Gebiet selbst: 600 Hektar, viermal so groß wie die Altstadt, wenig erschlossen; begrenzt im Westen von der Bahntrasse, im Osten von der Gemeindegrenze zu Aschheim, im Süden von der Riemer Straße nebst Trab- und Galopprennbahn und im Norden vom Lebermoosweg am alten Bahndamm bis zur Unterföhringer Gemeindegrenze. Nur: Die Stadt ist hier nicht die einzige Eigentümerin. Es gebe mehr als 500 Einzeleigentümer, sagte Michael Hardi beim RPV. Hardi ist im Planungsreferat für die SEM zuständig. Im Norden und Osten des Areals habe die Stadt überwiegend mit Privatpersonen zu tun, im Süden rund um die Rennbahnen vor allem mit Vereinen. Auch Eigentümergemeinschaften seien dabei, "mit denen es bestimmt eine besondere Freude wird, zu verhandeln".

Problem Nummer zwei ist die Bahnstrecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen, die das Gebiet bisher regelrecht von der Stadt abschneidet. Freistaat und Bahn wollen die Trasse seit langem viergleisig ausbauen und so die Fahrwege von Güterzügen und Flughafen-S-Bahn entflechten. Die Stadt will diesen Ausbau nutzen, um die gesamte Bahnstrecke in einen Tunnel zu verfrachten, sodass die oberirdische Schneise durch den Stadtbezirk Bogenhausen verschwindet und das Gebiet im Osten besser angebunden werden kann. Der Tunnel, dessen Kosten von 500 Millionen Euro die Stadt alleine trägt, sei "die Grundvoraussetzung, dass wir überhaupt planen können", hob Merk hervor. Allerdings, das ist der Haken, gibt's den Tunnel nur, wenn der viergleisige Ausbau kommt. Und über den haben Freistaat, Bahn und Stadt bisher noch immer keine konkreten Gespräche geführt. "Problematisch" sei das, "auch wegen der Akteure", sagte die Stadtbaurätin diplomatisch.

Es hängt also noch eine Menge in der Luft. Dennoch haben die Vorarbeiten längst begonnen. 1,1 Millionen Euro stellt der Stadtrat für Gutachten zu Verkehr, Siedlungsentwicklung, Landschaftsplanung und Immissionen zur Verfügung. Ende des Jahres sollen Planungsvarianten vorliegen und zunächst direkt mit Nachbarn und Kommunalpolitikern diskutiert werden. 2016 soll die öffentliche Diskussion folgen, Ende des Jahres auf der Basis von Gutachten und Diskussion ein Strukturkonzept erstellt sein. 2017 könnte der Stadtrat eine Planung beschließen.

Erste Resultate der Gutachten werden am 18. Juli präsentiert. Hardi gab einen Vorgeschmack: Unter anderem sei ein eigener Steckbrief für jede Siedlung erarbeitet worden, die heute schon in dem Gebiet liegt - sei es die Gartenstadt Johanneskirchen oder das vom Pferdesport geprägte Daglfing. Die soziodemografische Analyse habe überdies ergeben, dass der Nordosten sich vom Rest der Stadt unterscheidet, womöglich wegen seiner isolierten Lage, sagte Hardi. Dort lebten sehr viel mehr ältere Menschen als im Münchner Schnitt. Die Zahl der Autos sei deutlich höher - vermutlich wegen der schlechten Infrastruktur.

Aber mit dem Bau des neuen Stadtviertels wird sich die Anbindung an die Stadt verbessern, so viel ist jetzt schon klar. Ob eine Straßenbahn oder eine U-Bahn in den Nordosten fahren wird, ist noch offen. Abhängen wird es davon, wie viele Menschen letztlich in dem Quartier leben und arbeiten werden. Bleibt es bei 10000 Bewohnern und 2000 Arbeitsplätzen, wie jetzt im Flächennutzungsplan festgelegt, wird die Stadt kaum in eine U-Bahn investieren. Dafür sei "eine gewisse bauliche Dichte" erforderlich, so Hardi. Wie viele Menschen das Gebiet am Stadtrand verträgt, das sollen die Gutachten ebenfalls klären.

Sommer-Workshop des Planungsreferats zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme im Nordosten am Samstag, 18. Juli, 10 bis 16 Uhr in der Aula der Anni-Braun-Schule, Musenbergstraße 32 in Johanneskirchen; anschließend Exkursionen von 16.30 bis 19 Uhr. Anmeldung ist bis Freitag, 10. Juli, erforderlich: info@studio-stadt-region.de.

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