Bogenhausen:Erst gefremdelt, jetzt gefeiert

Lesezeit: 2 min

Vor 50 Jahren stieß die Immanuelkirche in Bogenhausen auf Skepsis, heute ist sie geliebte Heimat zweier Gemeinden

Von Johannes Hirschlach, Bogenhausen

Ein Turm, den nur die Architekten haben wollten. Eine Kirche, die vielen anfangs zu steril, zu grau, zu modern war. Ein Altar, der eigentlich aus Holz hätte sein sollen, aus Geldmangel jedoch aus Beton gegossen wurde. Die Immanuelkirche im Stadtteil Bogenhausen ist eine ungewöhnliche Kirche. Ungewöhnlich, weil deren Erbauer kreative Lösungen fanden, um Hürden zu meistern. Ungewöhnlich, weil die Geschichte der Kirche zeigt, wie sich aus früher Skepsis innige Liebe entwickeln kann. Am Sonntag, 11. Dezember, wird das Gotteshaus 50 Jahre alt - ursprünglich für die Immanuel-Gemeinde errichtet, ist die Kirche seit der Fusion 2012 Immanuels mit der benachbarten Nazareth-Gemeinde auch Anlaufpunkt für deren Mitglieder.

Als die Architekten Ludwig Bauer und Franz Lichtblau in den Sechzigerjahren inmitten einer Einfamilienhaussiedlung an der Allensteiner Straße eine Kirche planen sollten, waren die Bedingungen kompliziert. Das Geld war knapp, durch die vielen Heimatvertriebenen aus den einstigen deutschen Ostgebieten schnellten gleichzeitig die Mitgliederzahlen in die Höhe. Der bis dato für den Gottesdienst genutzte Betsaal aus den Dreißigerjahren platzte aus allen Nähten, ein Kirchenneubau musste her. "Aber der Betsaal sollte bleiben", erinnert sich Lichtblau an die Forderung der Gemeinde.

Längst gerne gesehen: die Immanuel-Kirche in Bogenhausen. (Foto: Hess)

Doch der Platz für den Neubau war begrenzt, die Architekten in ihrer Entwurfsplanung herausgefordert. "Es gab große Bedenken, ob man dort überhaupt eine Kirche mit dem nötigen Volumen hinstellen konnte", erinnert sich Architekt Franz Lichtblau. In ihrer Not entwarfen Bauer und er einen sechseckigen Grundriss, der zwar die Abstandsflächen zu den Nachbargebäuden einhielt, aber auf kleinstem Raum größtmögliche Fläche versprach. Ähnlich beengt verhielt es sich beim Kirchturm. Die Entwurfsplaner konzipierten einen schmalen Turm auf nur sechs Quadratmetern Grundfläche, weniger als eine Autogarage. "Der Dekan wollte aber lieber einen dicken Turm", sagt Lichtblau - drei Mal lehnte er die Entwürfe ab, bis ihn die Architekten schließlich vom Konzept überzeugen konnten. Der 35 Meter hohe Glockenturm gehört heute wie selbstverständlich zum Ensemble und sticht aus den Häuserreihen hervor. Für Lichtblau, der im Laufe seiner Karriere 44 Kirchen entworfen hat, zählt die Immanuelkirche noch heute zu seinen Lieblingsarbeiten.

Mit der gewagten Architektur haben sich alle längst angefreundet. Pfarrerin Christine Untch, seit 2004 in der Gemeinde, berichtet, dass sie sich schon beim ersten Betreten des Kirchensaals heimisch fühlte. Und Maria von Egidy, seinerzeit Mitglied des Kirchenvorstandes, kennt das Gotteshaus seit der Einweihung 1966: "Am Anfang war es für mich eine kühle Kirche mit viel Beton". Begeisterung vermochte bei ihr zunächst nicht aufkommen, doch über die Zeit habe sich das Gebäude immer wieder bewährt. Der Altar aus Beton, einst Sinnbild ihrer Vorbehalte gegen das Bauwerk, fügt sich in ihren Augen doch eigentlich sehr harmonisch in die gesamte Architektur ein; und die bunten Fenster seien wunderschön, besonders wenn Sonnenlicht die Farben zum Leuchten bringt. "Es passt einfach alles", schwärmt die 73-Jährige, die die Festwoche organisiert hat.

"Immanuel leuchtet von innen und außen" lautet eines der metaphorischen Leitbilder der Gemeinde. Und das trifft für Maria von Egidy auch wörtlich auf die Kirche zu.

© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: