Bogenhausen:Ein Mix aus allem

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Tram, Lastenräder, Quartierszentrale: Im Prinz-Eugen-Park soll der Verkehr so koordiniert werden, dass das Auto aus dem Straßenbild verschwindet

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Vor ein paar Jahren klang es noch nach Zukunftsroman: Tiefgaragen, die sich mit einer Handy-App öffnen lassen, damit man sich den Parkplatz eines wildfremden Menschen für ein paar Stunden ausborgen kann, Displays am Hauseingang, die zeigen, welches Verkehrsmittel einen am schnellsten ans Ziel bringt, elektrische Leihautos, deren Strom von der Fotovoltaikanlage auf dem Dach kommt, dreistöckige Fahrrad-Tiefgaragen. Im Wohngebiet Domagkpark in Freimann gibt es das großteils heute schon. Nach dem Beispiel dieses Pilotprojekts soll auch im Neubaugebiet Prinz-Eugen-Park in Oberföhring ein Mobilitätskonzept verwirklicht werden. Ziel ist, dass die Bewohner - 4000 bis 5000 werden es einmal sein - auf das eigene Auto so weit wie möglich verzichten, und zwar freiwillig, weil die Alternativen so gut sind. Wie das funktioniert, erklärten am Mittwoch Vertreter des Konsortiums, in dem sich alle 21 Bauherrn - von der städtischen Wohnungsgesellschaft Gewofag über Genossenschaften und Baugemeinschaften bis zu Privatinvestoren zusammengeschlossen haben.

Auf 42 Prozent haben die Verkehrsforscher von Transver in einer Studie 2012 den Anteil von Autos und Mopeds am gesamten Verkehrsaufkommen im Prinz-Eugen-Park geschätzt. Sie prognostizierten 9000 Fahrten pro Tag aus dem und in das Wohngebiet. Doch Christian Stupka von Stattbau München ist heute überzeugt: "Das wird nicht passieren". Das Mobilitätskonzept, das er und sein Team koordinieren, soll nicht nur Fahrten überflüssig machen, sondern möglichst auch Autos.

"Rückgrat" des Konzepts ist die Straßenbahn, die direkt am Prinz-Eugen-Park hält. Weil die Linien 16 und 18 zwischen St. Emmeram und der Innenstadt schon jetzt überfüllt sind, wird das Tramnetz gerade neu verknüpft, sodass von Dezember an längere Züge die Strecke bedienen. Vormittags und nachmittags sollen sie zudem im Fünf-Minuten-Takt fahren, auch in den Schulferien. Damit erhöht sich die Kapazität zu Spitzenzeiten um 40 Prozent.

Kurze Wege im Wohngebiet selbst, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte vor der Haustür, Vorfahrt fürs Fahrrad, auch das Lastenrad, und eine "richtig fette Quartierzentrale" (O-Ton Stupka) mit 400 Quadratmetern am Hauptplatz sind weitere Bausteine des Konzepts. In dieser Zentrale sollen die Bewohner einen persönlichen Ansprechpartner vorfinden, der auch noch Pakete annimmt, sodass die Lieferdienste mit ihren Transportern nicht mehr in die Wohnstraßen fahren. Ein solcher Concierge wird jetzt gesucht. "So was funktioniert, wenn Menschen das mit Herzblut machen", sagt Stupka.

Die Autos wiederum sollen aus dem Straßenbild möglichst verschwinden, das fordert auch eine Arbeitsgemeinschaft künftiger Bewohner. Um sicherzustellen, dass die Leute aus dem Prinz-Eugen-Park wirklich in den Tiefgaragen parken, beantragt das Konsortium beim Bezirksausschuss Bogenhausen, alle Erschließungsstraßen als Kurzparkzonen auszuweisen. Damit ließe sich auch verhindern, dass Dauerparker ihre Autos abstellen und Wohnmobile den Straßenrand verschandeln.

Bleibt noch das Stichwort "flexible Parkraum-Nutzung": Zum Beispiel kann jeder Autobesitzer seinen Stellplatz bei Apps wie ParkU stundenweise vermieten, wenn er ihn nicht selber braucht. Und ein Teil der Tiefgaragenplätze ist natürlich fürs Carsharing reserviert, auch für Elektroautos.

Im Herbst will das Konsortium gemeinsam mit der TU die künftigen Bewohner nach ihren Wünschen und Bedürfnissen befragen. Aus Sicht der Bauherrn selbst steht fest, dass sich das vielfältige Angebot an Fortbewegungsmitteln und deren Vernetzung für die Mieter und Käufer ihrer Wohnungen auszahlen wird, obwohl deren Prioritäten sehr unterschiedlich sind. Christoph Miller vom Vorstand der Genossenschaft Wagnis sieht für seine Klientel "eine komplette Verschiebung" zum Rad, Stefan Feller, Projektmanager der Gewofag Projekt GmbH, setzt darauf, dass die eher kostenbewussten Mieter städtischer Wohnungen die Vorteile der Angebote erkennen werden, und Erwin Schimmer von der Grund-Idee Wohn- und Gewerbebau GmbH, die 50 Eigentumswohnungen errichtet, sagt schlicht: "Dieser Mix des Ganzen, das wird die Zukunft werden."

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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