Bogenhausen:Der Verkehr ist das größte Problem

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Noch völlig unberührt: grünes Land nahe Johanneskirchen. (Foto: Florian Peljak)

Der Münchner Osten und das Umland wollen beim Entwurf des neuen Wohngebietes entlang der S-8-Trasse mitentscheiden

Rund 30 000 Menschen sollen laut Stadtbaurätin Elisabeth Merk im neuen Wohngebiet östlich der S-Bahn- und Güterzug-Trasse zwischen Daglfing und Johanneskirchen eine Bleibe finden. Diese Zahl hatte Merk vergangene Woche erstmals genannt, bis dahin war nur von 10 000 Menschen die Rede gewesen. Merk stellte drei Varianten für die Gestaltung des Gebiets vor, die das Planungsreferat entwickelt hat. Sie alle sehen viele Grünzüge, zugleich aber eine dichte Bebauung vor. Am Mittwochabend hatten Merk, ihr Team und Landschaftsarchitektin Andrea Gebhard den Bezirksausschüssen Bogenhausen, Trudering-Riem sowie den betroffenen Umlandgemeinden die Varianten vorgestellt, die nun in einem langem Prozess zu einem einzigen Strukturplan verschmelzen sollen. Ergebnis des Abends: Zumindest die Stadtteilpolitiker äußern derzeit inhaltliche Kritik noch eher verhalten.

Dabei hatte Merk mit ihren Erläuterungen durchaus Reizpunkte gesetzt. "Reihenhäuser wird es nicht geben können", sagte sie etwa. So stapelt Plan eins ihrer drei Varianten die Wohnblocks wie an einer Perlenschnur entlang der S 8 von Süd nach Nord und erweitert so die alten Dorfkerne von Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen. Die U 4, die jetzt am Arabellapark endet, würde über den S-Bahnhof Englschalking hinaus zu einer neuen Endhaltestelle ins Zentrum dieser Wohngebiete weitergeführt. Bei den beiden anderen Entwürfen würde die U 4 sogar bis zur Messestadt West verlängert und bekäme so Anschluss an die U 2.

In Variante zwei ist das neue Wohngebiet in Ost-West-Richtung angelegt und würde die Baulücke zwischen Englschalking und Riem schließen. Variante drei arbeitet mit Landschaftszungen, welche die etwas weiter nach Norden ausgerichteten Wohnareale auflockern. Im Osten würde die Lücke zum Aschheimer Ortsteil Dornach geschlossen, der von der U-Bahn profitieren könnte. Alle Entwürfe sehen eine Straße im Osten vor, die das Quartier in Nord-Süd-Richtung erschließt und im Norden bei Unterföhring an die Kreisstraße M 3 und im Süden an den Schatzbogen angebunden wird.

Die Mitglieder des Bezirksausschusses Bogenhausen hatten diese Woche auf Merks Vorstoß sehr verärgert reagiert. Sie habe Planungen veröffentlicht, über die zuerst die kommunalen Gremien und die Eigentümer hätten informiert werden müssen, kritisierten die Stadtteilvertreter in einem einstimmig verabschiedeten, von der CSU formulierten Antrag. "Inakzeptabel" sei außerdem, dass Merk eine Reihenhaus-Bebauung bereits ausgeschlossen habe. Das verstoße gegen das Abwägungsgebot. Xaver Finkenzeller (CSU) sprach von "Anmaßung" und "Unverschämtheit".

Die Bezirksausschüsse haben noch Zeit zur Diskussion, ihr Votum wird nicht vor Oktober erwartet. Im Frühjahr sollen dann die Bürger informiert werden. Angelika Pilz-Strasser (Grüne), Vorsitzende des Bogenhauser Bezirksausschusses, sagte dazu am Donnerstag, man habe bei dem Treffen deutlich gemacht, wie wesentlich die verkehrliche und die soziale Infrastruktur seien. Der Flächennutzungsplan, in dem bisher 10 000 Einwohner vorgesehen sind, sei uralt - dass es mehr würden, sei absehbar gewesen. Sie wolle nun aber nicht sofort Kritik an bloßen Zahlen üben, sondern die Konzepte prüfen: "Lieber ein gutes mit 30 000 als ein schlechtes mit der Hälfte." Die Zahl von zusätzlich 12 000 Arbeitsplätzen erscheine ihr auf jeden Fall illusorisch.

Für die Bezirksausschüsse sei nun wichtig, genaue Daten zu bekommen, vor allem zum Verkehr. Überfällig sei es auch, dass die Stadt die Eigentümer nach deren Vorstellungen frage. Die Stadt brauche Wohnungen, das müsse man ernst nehmen - die Stadt solle aber auch die Wünsche der Bürger ernst nehmen, sonst sei alle Beteiligung nichts wert. Diese müsse nun intensiv weitergeführt werden - wie, darüber wolle der Bezirksausschuss mitreden.

Otto Steinberger (CSU), Bezirksausschuss-Vorsitzender von Trudering-Riem, will sich vor allem mit den verkehrlichen Auswirkungen befassen. Da spricht er dem Unterföhringer Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU) aus der Seele. Dieser ist naturgemäß "nicht erfreut", dass eine Anbindung in den drei Varianten über die M 3 erfolgen soll. "Wir lassen uns alle Unterlagen zuschicken und werden uns die Planungen dann intensiv zu Gemüte führen", sagte Kemmelmeyer am Donnerstag und kündigte eine dezidierte Stellungnahme der Kommune an. Für ihn ist es "zwingend erforderlich", dass vor der Realisierung des neuen Stadtviertels der vierspurige Ausbau des Föhringer Rings kommt. Dieser "Flaschenhals", wo sich zu Stoßzeiten lange Staus bis nach Unterföhring und München hinein bilden, müsse endlich der Vergangenheit angehören, wie er verlangt.

Im September steht laut Kemmelmeyer ein Gespräch zwischen Freistaat, Stadt München und der Gemeinde zu diesem Thema an. Feldkirchens Bürgermeister Werner van der Weck (SPD) hält eine Stärkung des Nahverkehrs für geboten: Dass die U 4 bis über Englschalking und Dornach bis zur Messestadt verlängert werden könnte, berge große Chancen - als Verbindung zwischen Flughafen und Messe. "Das würde die Straßen im Osten entlasten", so van der Weck.

© SZ vom 05.08.2016 / re, sab, ust - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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