Bogenhausen:Aus der Traum

Eisläufer im Prinzregentenstadion in München, 2012

Auf dünnen Kufen: Für viele Münchner ist der gemeinsame Eistanz im Winter seit Jahrzehnten eine liebgewonnene Tradition.

(Foto: Florian Peljak)

Im Prinzregentenstadion soll es nach dem Willen der Stadtwerke keine eigene Fläche für Eistänzer mehr geben. Die Verfechter des kalten Vergnügens sehen deshalb altes Münchner Kulturgut zum Sterben verurteilt

Von Renate Winkler-Schlang, Bogenhausen

Schon vor dem Krieg, als kleiner Bub, stand Alfred Mayer sehnsüchtig am Nymphenburger Kanal, schaute ehrfurchtsvoll den Eistänzern zu, die sich harmonisch miteinander im Kreise drehten. "In einer kleinen Konditorei, da saßen wir zwei", spielte das Grammophon. Auch am Kleinhesseloher See habe es solche Tanzkreise gegeben, auf manche leere Fläche wurde Wasser für eine provisorische Eistanzfläche aufgebracht. Eine alte Münchener Tradition sei der winterliche Tanz, so Mayer. Inzwischen ist der Waldtruderinger Grünen-Politiker 79 Jahre alt - und noch immer ein begeisterter Eistänzer, auch wenn man heute andere Lieder spielt. Jeden Sonntagvormittag in der kalten Jahreszeit übte er mit rund 15 bis 20 Gleichgesinnten im Prinzregentenstadion, liebevoll Prinze genannt, die Schrittfolgen im Takt der Musik. Doch Mayers große Leidenschaft ist in Gefahr: Die Stadtwerke wollen für die lockere Gruppe, die kein Verein ist, keine eigene Fläche mehr abtrennen.

Einige Argumente habe die fürs Prinze zuständige Bäderchefin Christine Kugler den Tänzern genannt, erklärt der Sprecher der Interessengemeinschaft, Rudolf Wintergerst, der ebenfalls schon seit mehr als 30 Jahren dieses Hobby pflegt. Einleuchtend seien sie für ihn nicht. Kugler habe ihm erklärt, die Absperrung sei den anderen Gästen nicht zu vermitteln gewesen. Für Schulen oder Vereine reservierte Flächen oder Zeiten würden die Stadtwerke im Belegungsplan veröffentlichen - diese Sperrung aber komme für die anderen Gäste überraschend, obendrein störe das Absperrseil: Deponiert hier jemand seine Jacke, würde das Seil durchhängen und zur Stolperfalle werden. Kinder hielten sich manchmal dran fest, doch das Seil böte keine Sicherheit. Für Kugler eine "nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle". Im Übrigen schrumpfe ja die Zahl der Eistänzer ohnehin. Es bleibe aber auch noch die Chance, die gesamte Eisfläche zu mieten - jeweils dienstags oder donnerstags zwischen 9.30 und 16 Uhr gebe es dazu die Möglichkeit.

Wintergerst sieht das anders: Er findet, die Stadtwerke sollten dankbar sein für dieses "Produkt", das völlig kostenlos aus der Bürgerschaft heraus organisiert werde und an dem ja jeder teilnehmen könne. Man müsse es einfach nur reinschreiben in den Belegungsplan. Die Eistänzergruppe habe eigene Trainer und lade alle kostenlos zum Mitmachen ein, die ernsthaft interessiert seien. Diese alten Choreografien und "Dipferl" seien schnell erlernbar.

Das Seil, so Wintergerst weiter, lasse sich durch Hütchen ersetzen - wie auf der Eisbahn West. Dort sei neuerdings die Eistanzmöglichkeit, die bisher samstags und sonntags bestanden habe, reduziert worden auf den Samstag. Für ihn ein typischer Fall von mangelnder Absprache innerhalb der Stadt, die das Stadion West betreibt, und den Stadtwerken, die fürs Prinze zuständig sind. Das ließe nun aber Eistänzer-Zulauf im Prinze am Sonntagvormittag erwarten. Dass die Gruppe im Prinze ein wenig geschrumpft sei, liege an der dortigen Akustik: Die Stadt habe die Lautsprecher zu weit oben installiert und müsse nun zum Schutz der Anlieger die Lautstärke drosseln. Da komme leider nicht mehr viel an von der schönen Musik auf dem Eis. 2003, bei der Eröffnung des renovierten Stadions, da habe der ehemalige Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) noch versprochen: "Das Prinze bleibt, wie es war." Und nun das: "Es stirbt ein Kulturgut", warnt Wintergerst.

Man habe versucht, sich wie bisher am Sonntagvormittag ohne die Absperrung zu formieren. Geradezu lebensgefährlich sei das gewesen, für beide Seiten. Schließlich bewege man sich beim Tanz die Hälfte der Zeit rückwärts. Auch eine Art lebende Sperre aus Gruppenmitgliedern habe gerade bei Kindern nicht funktioniert.

Alfred Mayer zieht eine Parallele zu den Bädern: Da würden doch auch immer zwei Bahnen für die schnellen Schwimmer abgetrennt - und jeder sei zufrieden. Er hat der Bäderchefin angeboten, den sicherlich wenigen Eisläufern, die sich tatsächlich beschweren, wenn sich auf einem reservierten Viertel des Eises die Paare drehen, den Eintritt selbst zurückzugeben: "Da richte ich gern einen Fonds ein."

Die Tänzer setzen nun ihre Hoffnung auf Sport-Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD). Sie hat die Angelegenheit an das Referat für Arbeit und Wirtschaft weitergegeben, das innerhalb der Stadtverwaltung für die Stadtwerke zuständig ist. Eine Antwort steht noch aus. Stadtwerke-Sprecherin Bettina Hess erklärt, ersten Beobachtungen zufolge hielten die Stadtwerke den Tanz ohne Absperrung für möglich, man wolle zu Jahresbeginn eine "für alle sachgerechte Lösung" finden.

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