Medizintouristen in München:Stadt findet Handhabe gegen Kurzzeitvermieter

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  • In München herrscht Wohnungsmangel, Medizintouristen entziehen dem angespannten Markt zusätzlich Wohnraum.
  • Im Arabellapark schwelt seit Langem ein Streit über kurzfristig vermietete Wohnungen.
  • Nun sieht es so aus, als hätte die Stadt einen Fall von Zweckentfremdung abgeschlossen, der sich als Präzedenzfall eignet.

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Wohnst du noch oder übernachtest du nur? So könnte man in Abwandlung des Werbeslogans eines Möbelhauses die Grundfrage eines Konflikts formulieren, der in den vergangenen Jahren an verschiedenen Stellen in der Stadt aufgebrochen ist. Ausgelöst wird er durch sogenannte Medizintouristen aus arabischen Ländern, meist aus den Golfstaaten, die mit der ganzen Familie anreisen, um sich in München ärztlich behandeln lassen.

Manche übernachten in Hotels oder Boardinghäusern, manche mieten für zwei, drei Monate eine Wohnung. Für diese Kurzzeit-Vermietung zahlen sie weniger als im Hotel, aber mehr, als ein regulärer Mieter zahlen würde. Das macht das Modell für Vermieter interessant.

Probleme haben zunächst einmal die Nachbarn, die mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis zurechtkommen müssen. Aus der Landwehr-, der Paul-Heyse-, der Elektrastraße kommen Klagen über herumliegenden Müll und ständig offenstehende Türen, über wildfremde Leute, die im Haus ein- und ausgehen, über nächtlichen Dauerlärm und rücksichtslose arabische Mitbewohner, die Beschwerden schlicht ignorieren. "Da geht's halt nachts erst los", sagt ein Polizeisprecher, der von Anzeigen wegen Ruhestörung berichtet, die die Polizei seit mehreren Jahren aus dem Bogenhauser Arabellapark erreichen.

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Ärgernis auf dem angespannten Mietmarkt

Zum Ärger für den Einzelnen kommt ein Problem für die Allgemeinheit: In München herrscht Wohnungsmangel, die Medizintouristen entziehen dem angespannten Markt zusätzlich Wohnraum. Inzwischen wehren sich genervte Nachbarn: Zehn Bewohner des Arabellaparks forderten bei der Bogenhauser Bürgerversammlung im Oktober, die Zweckentfremdung von Wohnraum schneller zu verbieten und schärfer zu bestrafen als bisher. Die Versammlung stellte sich nahezu geschlossen hinter die Anträge. "Wir haben genügend Hotels, und diese Gäste sind zahlungsfähig", sagte eine Betroffene. Die CSU formulierte im November einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag, den der Bezirksausschuss Bogenhausen einstimmig annahm.

Nur - das ist nicht so einfach: Der Nachweis ist schwer zu führen, die Ermittlungen dauern monatelang, die rechtlichen Anforderungen sind streng. Nun sieht es aber so aus, als hätte die Stadt einen Fall von Zweckentfremdung für Medizintouristen juristisch wasserdicht abgeschlossen. Zumindest bekam sie in erster Instanz Recht: Im Sommer sprach das Wohnungsamt eine Nutzungsuntersagung für eine Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung an der Elektrastraße im Arabellapark aus. Der Vermieter klagte dagegen, doch das Verwaltungsgericht wies die Klage ab.

Der Fall lässt sich als Präzedenzfall sehen, denn der Kläger vermietet noch weitere Wohnungen im Arabellapark an Medizintouristen. Belastungszeugen in dem Verfahren fühlten sich bedroht, wie nachträglich bekannt wurde. Die Polizei bestätigt, dass das Auto eines Zeugen beschädigt wurde, ein anderer fand in seinem Briefkasten das Foto eines IS-Kämpfers, der einen abgeschnittenem Kopf in der Hand hält.

Rechtsgültig ist das Urteil noch nicht, der Kläger hat Berufung beantragt. Wann der Bayerische Verwaltungsgerichtshof darüber entscheidet, ist nach Angaben eines Sprechers nicht absehbar. In erster Instanz aber hat sich die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts eindeutig positioniert und die Sicht des Münchner Wohnungsamtes bestätigt. Demnach wohnen Medizintouristen nicht in einem Apartment, sondern übernachten dort. In Juristensprache ausgedrückt: "Die wiederholte und regelmäßig kurzzeitige Vermietung der Wohnung an Personen, die sich vorübergehend zur medizinischen Behandlung in München aufhalten," . . . ist eine "Nutzung für Zwecke der Fremdenbeherbergung".

Der feine Unterschied zwischen Wohnen und Übernachten

Der Vermieter wolle seinen Untermietern "eine flexible und vorübergehende Unterkunft " bieten, aber keine "auf Dauer angelegte Häuslichkeit", heißt es in der Urteilsbegründung weiter. Charakteristikum eines solchen Nutzungskonzeptes sei, dass "ähnlich wie bei einem Ferienaufenthalt" der Lebensmittelpunkt nicht nach München verlagert werde, sondern die Medizintouristen anderswo eine Wohnung hätten "und nur einen vorübergehenden Aufenthalt am Behandlungsort bezwecken".

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Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts hat der Vermieter außerdem seine juristische Sicht der Dinge nicht "substanziiert" dargelegt, also seine Mitwirkungspflicht nicht erfüllt. Konkret steht dazu in der Urteilsbegründung: Der Mann erklärte in der mündlichen Verhandlung, "er wisse die Zahl der Mieter in den letzten zweieinhalb Jahren nicht und hat keine Angaben über den Preis der Weitervermietung gemacht". Er selbst zahlt nach eigener Auskunft 2000 Euro Miete, seinen Gewinn aus der Weitervermietung schätzte das Gericht auf mindestens 1000 Euro im Monat.

Und schließlich verneinte die 9. Kammer kategorisch, dass der Vermieter die Genehmigung für Kurzzeit-Vermietungen bekommen soll: Es bestehe angesichts des knappen Angebotes erhebliches öffentliches Interesse, Wohnraum für echte Wohnzwecke zu erhalten. Und es heißt: "Rein wirtschaftliche Interessen an einer möglichst günstigen Verwertung - insbesondere eine Möglichkeit, jede sich bietende Chance zu einer günstigen Verwertung sofort und maximal auszunutzen - sind keine schutzwürdigen privaten Interessen."

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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