Böhringer-Prozess:Schlampiger Umgang mit Beweismitteln

Eine Verbindung zwischen den Mordfällen Charlotte Böhringer und Ursula Herrmann ist bislang weder nachzuweisen noch sicher auszuschließen. Am vierten Prozesstag wurde klar: Vielleicht liegt es auch daran, dass schlampig mit Beweismitteln umgegangen wurde.

Birgit Lutz-Temsch

Am vierten Prozesstag in der Sache Böhringer wurde zumindest eines deutlich: Mit den Beweismitteln des Falls Ursula Herrmann hätte pfleglicher umgegangen werden können - und nachvollziehbarer. Als Zeugen geladen waren zwei Kriminalbeamte und eine Beamtin, die mit den Asservaten zu tun hatten.

Böhringer
(Foto: Foto: Haas)

Geklärt werden sollten die Fragen, welches Schicksal die Schraube genommen hatte, die von der Kiste stammt, in der 1982 die entführte zehnjährige Ursula Herrmann erstickt ist. An dieser Schraube wurde die gleiche DNS-Spur wie am Tatort des Böhringer-Mords gefunden.

Klar wurde nach der langwierigen Vernehmung der drei Beamten: Es gab bis 2005 keine Liste, in der alle Beweismittel im Fall Herrmann aufgeführt waren. Es ist nie dokumentiert worden, wenn einer der Gegenstände aus der Kammer geholt und zum Beispiel in der Serie "Aktenzeichen XY" gezeigt wurde, geschweige denn, von welchem Beamten.

Lückenhafte Dokumentation

Rekonstruieren lässt sich nur: Einige der Beweismittel wurden in insgesamt vier Fernsehsendungen gezeigt, einem Möbelgeschäft vorgelegt, um herauszufinden, ob es sich um industriell gefertigte Schrauben handelt, und ins Bundeskriminalamt zu weiteren Ermittlungen geschickt. Welche Teile genau, ist nicht verzeichnet. Wer die Schraube in der Hand hatte, lässt sich nicht sagen. Dass es viele Hände sind, ist sicher.

250 Menschen umfasst die Liste derer, die die Kriminalbeamten momentan als gesichert annehmen. Sie setzt sich zusammen aus den damaligen Beamten, den Kräften der Feuerwehr, die die Kiste damals vom Tatort zur Polizei brachten, den Kriminalbeamten, die die Kiste am 6. Oktober 1981 auseinanderbauten, der Staatsanwaltschaft, Helfern bei einer Ausstellung am Ammersee, bei der aus Ermittlungsgründen Tatmittel gezeigt wurden, und vielen mehr.

Diese "Berechtigten", wie sie von den Beamten genannt werden, sind zum Teil bereits verstorben. Die Liste wird dennoch nicht kürzer, sondern eher noch länger, so einer der Beamten, weil ständig neue Personen bekannt würden, die ebenfalls irgendwann einmal mit der Schraube - oder einem anderen der Beweismittel, denn Genaues wisse man ja nicht - in Berührung gekommen sind.

In Tütchen verpackt wurden die Beweismittel ebenfalls erst nach Jahren, denn Anfang der Achtziger "wusste noch niemand, was DNS ist", so einer der Beamten. Gesucht worden sei damals nach Fingerabdrücken, und das mit den damals üblichen Methoden, einem Pulver und dem Zweikomponentenprodukt Mikrosil. Dass die Schraube diesen Prozeduren wirklich unterzogen wurde, ist aber ebenfalls nicht gesichert.

Einzig sicher ist, dass die Schraube im Februar 2007 auf DNS-Spuren untersucht wurde, so wie nach und nach alle in den Asservatenkammern lagernden Beweisstücke ungeklärter Fälle mit dieser noch relativ jungen Ermittlungsmethode untersucht werden. Und dass der Computer eine Übereinstimmung mit einer Spur meldete, die an einem Glas in der Spülmaschine Charlotte Böhringers und an einem Griff des Wohnzimmerschranks gefunden wurde.

Feuchtigkeit der Feind der DNS

Laut der Sachverständigen des Rechtsmedizinischen Instituts, Katja Anslinger, ist nicht ausgeschlossen, dass die an der Schraube gefundene Spur tatsächlich 26 Jahre alt sein könnte. "Gefährlich für DNS-Spuren ist Feuchtigkeit", so Anslinger. Wenn die Schraube trocken gelagert wurde und auch damals, als die Kiste in der Erde vergraben war, nicht nass geworden war, sei es theoretisch vorstellbar, dass die Spur aus der damaligen Zeit stamme. Sie gab jedoch zu bedenken, dass in der Kiste insgesamt sehr wenig DNS-Spuren von Ursula Hermann gefunden worden waren - wohl weil die Kleidungsstücke und Holzbretter eher ungünstigen Bedingungen unterworfen waren.

Ein Abgleich der mehr als 33.000 Personen, die im Fall Hermann befragt wurden, mit den 157 Personen aus dem Fall Böhringer habe keine Übereinstimmung ergeben. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand gibt es also keine sichtbare Verbindung zwischen den beiden Fällen.

Nach der mehr als zwei Stunden dauernden Vernehmung der Kriminalbeamten trat schließlich eine weitere Zeugin vor das Gericht, die nicht für mehr Klarheit sorgte: Geladen war die Gesellschaftskolumnistin der Abendzeitung, die vor einiger Zeit von einem großen Unbekannten geschrieben hatte, von dem ihr Informantinnen aus dem Umfeld Böhringers berichtet hatten.

Die Namen der insgesamt sieben Informanten wollte die 26-Jährige nicht preisgeben. Sie sagte lediglich, dass fünf von ihnen unter den geladenen Zeugen seien, die noch gehört werden. Der Angeklagte Benedikt T. machte sich eifrig Notizen.

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