Böhringer-Prozess:Empörung im Gerichtssaal

Fast wäre es zum Tumult gekommen, nachdem der Richter zwei Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt hatte. Die kündigte den sechsten Befangenheitsantrag an.

Stephan Handel

"Skandal!", ruft ein Zuhörer von hinten, der Angeklagte springt auf und schleudert dem Gericht entgegen: "Ich gehe jetzt! Das höre ich mir nicht länger an!" Fast zu einem Tumult kam es am 72. Verhandlungstag des Böhringer-Mordprozesses, nachdem Manfred Götzl, Vorsitzender Richter der 1. Strafkammer, zwei Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt hatte. Die kündigte daraufhin einen weiteren, den mittlerweile sechsten Befangenheitsantrag an.

Böhringer-Prozess: Das Grab von Charlotte Böhringer auf dem Ostfriedhof. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass ihr Neffe Benedikt T. Schuld an ihrem Tod ist.

Das Grab von Charlotte Böhringer auf dem Ostfriedhof. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass ihr Neffe Benedikt T. Schuld an ihrem Tod ist.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Die Verteidigung hatte beantragt, weitere DNS-Spuren zu sichern beziehungsweise auszuwerten - unter anderem um festzustellen, wie es sein kann, dass eine Spur an einem Glas in der Spülmaschine des Mordopfers Charlotte Böhringer identisch ist mit einer Spur an einer Schraube, die in dem weiterhin ungeklärten Mordfall Ursula Herrmann aus dem Jahr 1981 eine Rolle spielt.

Zwar räumt Götzl ein, dass die Spur an dem Glas am Tattag, dem 15. Mai 2006, verursacht worden sein muss, dass also jemand in der Wohnung war, dessen Identität nicht bekannt ist. Dennoch hält er die Spur für irrelevant, ebenso die Überprüfung von einigen Dutzend Männern, die im Fall Herrmann verdächtig waren.

"Es ist unglaublich, was hier passiert"

Nach dem Aufruhr mit Zuhörern und dem Angeklagten Benedikt T. - er soll laut Anklage der Mörder seiner Tante sein - setzt Verteidiger Peter Witting zu einer Erklärung an: "Es ist unglaublich, was hier passiert. Sie haben Ihr Aufklärungsbemühen beendet", sagt er zur Kammer. Sein Co-Verteidiger Stefan Mittelbach schlägt in dieselbe Kerbe: "Es hat keinen Sinn, es prallt alles an Ihnen ab. Ich möchte die Kammer nicht hören, wenn in der Spülmaschine eine Spur unseres Mandanten gefunden worden wäre. Das wäre dann sicher ein zentrales Indiz."

Noch im Gerichtssaal kündigt Peter Witting an, die gesamte Kammer - drei Berufsrichter und zwei Schöffen - erneut wegen Befangenheit abzulehnen. Dazu hat er Zeit bis zum 28. Mai, wenn der Prozess fortgesetzt wird. Nach Verhandlungsende sagt er: "Es ist eindeutig, dass das Urteil längst feststeht. Dabei geht es hier um lebenslang, um die Existenz eines Menschen."

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