Biotech in München:Eingeholt von der Konkurrenz

Biotechnik-Firmen auf Gewinnkurs

Der Biotech-Brance in München geht es nicht mehr so gut wie einst. (Symbolbild)

(Foto: dpa)

Einst war der Biotech-Cluster im Raum München ein Prestige-Projekt der Landesregierung. Doch eine Studie belegt nun, dass die Biotechnologie- und Pharmabranche in der Landeshauptstadt Umsätze in Milliardenhöhe verliert.

Von Andreas Glas

Als Edmund Stoiber noch Ministerpräsident war, gehörte "Clusterbildung" zu seinen Lieblingswörtern. Auf Deutsch heißt das so viel wie "Bündelung". Und die hielt Stoiber für das Erfolgsgeheimnis der Biotechnologie in München. Da die Tatsache, dass eine bestimmte Firma hier sitzt, weitere Firmen der gleichen Branche lockt. Deshalb steckte die Regierung Stoiber Hunderte Millionen Euro in den Aufbau der Biotech-Industrie. Der Cluster-Effekt hat dazu geführt, dass sich vier von fünf bayerischen Biotech-Unternehmen im Großraum München angesiedelt haben - und noch vor wenigen Jahren 275 Millionen Euro Wagniskapital dorthin flossen. Inzwischen sind die Zeiten vorbei, in denen sich Investoren um die Münchner Biotech-Firmen und ihre Ideen reißen, das Wagniskapital ist fast um das Zehnfache gesunken: auf 30 Millionen Euro.

"Was gestern noch hervorragend war, ist heute im internationalen Vergleich vielleicht nur noch adäquat oder schlicht selbstverständlich", sagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern. Mit anderen Worten: Die Biotech- und Pharmabranche in der Metropolregion München wächst nicht mehr, teilweise schrumpft sie sogar. Laut einer IHK-Studie, die Driessen am Donnerstag gemeinsam mit Bürgermeister Josef Schmid (CSU) vorstellte, erwirtschafteten die 377 Unternehmen aus der Biotechnologie- und Pharmaindustrie im vergangenen Jahr einen Umsatz von 8,5 Milliarden Euro - das sind zwei Milliarden weniger als im Vergleichsjahr 2008, als die Studie zuletzt durchgeführt wurde.

Kaum mehr jemand steckt Geld in die Branche

"Das größte Problem der Branche", sagt Driessen , sei, "dass die Finanzierungsquellen der Unternehmen für den langwierigen Prozess der Produktentwicklung nahezu ausgetrocknet sind." Dass kaum mehr jemand Geld in die Biotech-Branche steckt, hat auch damit zu tun, dass die Investoren seit dem Ende der New Economy und der jüngsten Finanzkrise risikoscheu geworden sind. Und gerade die Entwicklung von Medikamenten ist nun mal eine riskante Sache. Die Ausfallquote ist hoch. Schafft es eine Arznei nicht zur Marktreife, droht der Totalverlust. Außerdem brauchen Investoren viel Geduld, die Medikamentenentwicklung dauert oft bis zu 15 Jahre. Herrschte in den Neunzigerjahren noch Goldgräberstimmung, scheinen die Investoren inzwischen ihren Mut verloren zu haben. Hinzu kommt, dass die Zulassungsverfahren für Medikamente in den USA und Asien kürzer sind, was Geldgebern früher Gewinne bringt und eine Investition für sie attraktiver macht.

Die Folge all dessen könnte laut IHK-Chef Driessen sein, dass der Biotech-Standort München "immer mehr zu einer bloßen Ansammlung von Dienstleistern, Auftragslaboren und Vertriebsgesellschaften" werde, die ihr Knowhow an die finanzstarken Konzerne im Ausland verkaufen, um auf Dauer überleben zu können. Es scheint, als habe ein Ausverkauf bereits begonnen: Seit 2008 haben internationale Konzerne allein sieben Unternehmen aus der Region München aufgekauft. Um dies in Zukunft zu verhindern, fordert Driessen auch hierzulande kürzere Zulassungsverfahren und eine bessere steuerliche Förderung von Investitionen in biotechnologische Forschung und Entwicklung.

Trotz aller Probleme bleibt die Metropolregion München - zu der neben der Landeshauptstadt und Oberbayern auch Teile Schwabens und Niederbayerns gehören - im nationalen Vergleich ganz vorne dabei. So haben 15 Prozent der deutschen Biotechnologie-Unternehmen ihren Hauptsitz im Großraum München, fast ein Drittel der bundesweiten Wirkstoffentwicklung findet hier statt. Doch wie lange diese Unternehmen in der Region München bleiben, ist ungewiss. Zwar versichern laut IHK-Studie 82 Prozent aller Firmen, dass sie derzeit keine Verlagerung ihrer Werke oder Teilbereiche ins Ausland planen, doch - auch das offenbart die Studie - halten nur noch sieben Prozent der Münchner Biotech-Unternehmen die Landeshauptstadt für einen attraktiven Standort.

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