Bio-Supermärkte:Harter Kampf ums gute Gewissen

Bioladen "VollCorner" in München, 2013

13 Bioläden der Marke Vollcorner gab es bisher in München, nun kommen drei neue Filialen hinzu.

(Foto: Stephan Rumpf)

Verdrängungswettbewerb unter Bio-Märkten: Bundesweit agierende Ketten wie Denn's, Alnatura und Basic bauen ihre Präsenz aus. Der Standort München ist besonders begehrt. Dort aber hält der regionale Anbieter Vollcorner dagegen - selbst wenn die Distanz nur 200 Meter beträgt.

Von Sebastian Krass

Übernahme - das ist ein Wort, mit dem Willi Pfaff sich schwer tut. Es klingt nach "Groß schluckt Klein", nach unbarmherziger Marktwirtschaft. Und das passt nicht so recht zu dem, wofür die Firma, die Pfaff mit seiner Frau Birgit Neumann führt, stehen soll. Unter dem Namen "Vollcorner" betreiben sie in München eine Kette von Bio-Supermärkten. "Frisch - freundlich - regional", so soll das Image sein, mit größtmöglicher Distanz zu jeder Form von Haifischkapitalismus.

Aber es ist nun einmal so: Bisher gab es in München 13 Vollcorner-Märkte und vier Bio-Läden mit dem Namen "Grüner Markt". Drei von ihnen werden bald als Vollcorner neu eröffnen, der erste am 20. November in der Weißenburger Straße in Haidhausen. Den Grünen Markt wird es dann nur noch einmal geben, in Perlach.

Was also hat Vollcorner gemacht? Den Konkurrenten zum großen Teil aufgekauft? Letztlich ja. Aber Willi Pfaff findet ein anderes Wort passender: Übergabe. Der Betreiber des Grünen Markts habe drei Geschäfte, die er nicht mehr halten konnte, seinem langjährigen Weggefährten Pfaff quasi anvertraut.

Wie man es auch sehen will, ein bemerkenswerter Vorgang ist es in jedem Fall. Denn der Markt für Bio-Lebensmittel in Deutschland steckt mitten in einem Strukturwandel. Große überregionale Ketten expandieren deutschlandweit. Und das wohlhabende München ist einer der interessantesten Standorte.

Alnatura zum Beispiel, nach Zahl der Filialen deutschlandweit die Nummer zwei, hat 2008 die ersten zwei Geschäfte in München aufgemacht, inzwischen sind es zehn, von Dezember an elf - in der Firmenchronik werden für das Jahr 2014 vier Neueröffnungen allein in München verzeichnet. Auch Basic und Branchenführer Denn's wachsen eifrig. Letzterer vor allem im Münchner Umland.

Vollcorner ist die Nummer sieben in Deutschland

Für rein regionale Anbieter ist es schwer dagegenzuhalten. Manche kommen in der Nische über die Runden, in die sich auch der Grüne Markt nun zurückzieht. Der ebenfalls nur im Raum München vertretene Vollcorner aber setzt auf Expansion. Das Unternehmen hatte schon die meisten Filialen in München und baut diesen Vorsprung nun aus. Deutschlandweit ist es die Nummer sieben.

Die Weißenburger Straße ist ein Schauplatz, wo der Wandel sich wie unter dem Brennglas beobachten lässt. In den vielen prächtigen Altbauten Haidhausens wohnen Menschen, die sich nicht nur die Wohnungen leisten können, sondern auch Geld für gutes Essen und ein gutes Gewissen beim Einkauf übrig haben. 1997 eröffnete Konrad Holzner in der Weißenburger Straße einen Grünen Markt, der lange sehr gut lief.

Setzt Alnatura auf räumliche Nähe zur Konkurrenz?

Ende 2010 kam ein Alnatura hinzu, in 200 Meter Entfernung. In der Branche kursiert der Vorwurf, Alnatura gehe besonders gern dahin, wo vorher ein kleinerer Bio-Anbieter bewiesen habe, dass das Geschäft funktioniert - und grabe diesem dann mit einem größeren und schickeren Laden das Wasser ab. Dem widerspricht das Unternehmen: "Für uns", sagt ein Sprecher, "gibt es zwei Kriterien: Wo sind wir von den Kunden gewünscht? Und wo finden wir einen passenden Standort? Andere Märkte spielen für uns keine Rolle."

Konrad Holzner sagt: "Wir haben viel Umsatz an Alnatura verloren." Trotzdem sei das Geschäft in der Weißenburger Straße bis zuletzt gut gelaufen. Aber nach mehr als 15 Jahren wäre eine Renovierung dringend nötig gewesen. Das kostet mindestens 300 000 Euro. Geld, das der Grüne Markt nach einem Debakel in Schwabing nicht mehr hatte. 2011 investierte Holzner viel Geld in eine neue Filiale in der Herzogstraße und musste sie nach einem halben Jahr zusperren, weil das Ladenlokal ungeeignet war, "es wurde im Sommer 40 Grad heiß". Dadurch kam der Grüne Markt in eine zuletzt bedrohliche Schieflage.

Kampfansage an Alnatura

Willi Pfaff und Birgit Neumann im Bioladen "VollCorner" in München

Der gelernte Kaufmann Willi Pfaff, 53, ist Mitbegründer und inzwischen mit seiner Frau Birgit Neumann Inhaber und Gesellschafter von Vollcorner.

(Foto: Stephan Rumpf)

Willi Pfaff vom Vollcorner hat davon gehört. Er und Holzner haben zeitgleich, im Jahr 1988, angefangen, in München Bio-Lebensmittel zu verkaufen. Sie kennen und schätzen sich. Pfaff, der bisher vor allem im Westen Münchens aktiv war, sah die Chance, sich in Haidhausen und Sendling zu etablieren - und er hatte die Mittel dafür. Er übernahm die drei Filialen und bot den Mitarbeitern des Grünen Markts an, sie zu alten Konditionen zu übernehmen. "Fast alle, insgesamt 46, haben das angenommen", erzählt Pfaff. Sein Unternehmen wächst auf einen Schlag von 250 auf 300 Mitarbeiter. Nach Jahren des Wachstums ist dies "der bisher größte Berg, den wir besteigen", sagt Pfaff.

Und es ist eine Kampfansage an Alnatura: "Wir provozieren in Haidhausen den Wettbewerb." Aber wie will Pfaff im Wettbewerb bestehen? "Indem wir der Discount-Entwicklung im Bio-Markt entgegenwirken." Markige Worte sind das. Schließlich nimmt Alnatura für sich in Anspruch, alles andere als ein Discounter zu sein, sondern auf höchste Standards und so viele regionale Produkte wie möglich zu setzen.

25 Prozent Umsatz mit Obst und Gemüse

Aber natürlich kauft ein Unternehmen wie Alnatura größere Mengen ein und kann damit im Laden teils niedrigere Preise anbieten. Und es gibt keine Theken mit frischer Wurst und Schinken, in der Weißenburger Straße gibt es selbst Käse nur abgepackt. Vollcorner hingegen schneidet all diese Waren frisch auf - was einen größeren Personalaufwand und mehr wirtschaftliches Risiko bedeutet. "Außerdem", betont Willi Pfaff, "legen wir großen Wert auf ein breites Angebot bei Obst und Gemüse, das macht 25 Prozent unseres Umsatzes aus." Wie groß der Anteil bei Alnatura ist, legt das Unternehmen nicht offen.

In diesem Bereich macht aber auch der Vollcorner Kompromisse. "Vor zehn Jahren haben wir mal versucht, im Mai und Juni keine Importäpfel aus Argentinien zu verkaufen. In der Jahreszeit gibt es so viele Beeren von hier und anderes Obst aus Italien", erzählt Willi Pfaff. "Aber plötzlich standen die Leute bei uns im Laden und sagten: ,Meine Kinder brauchen Äpfel' oder ,Ich geh zu Basic'." Seitdem gibt es wieder das ganze Jahr über Äpfel. "So nah wie möglich, so fern wie nötig" ist nun das Motto von Vollcorner. Solche Botschaften bringen andere Bio-Ketten ganz ähnlich formuliert unter die Leute.

Pfaff spekuliert auf Tengelmann-Filialen

Wie geht es weiter mit dem Biomarkt in München? Alnatura will im Jahr 2015 "mindestens eine weitere Filiale" eröffnen, sagt der Sprecher. Aber von einem Verdrängungswettbewerb will er nicht reden. "Wir gehen nach wie vor von einer steigenden Nachfrage aus."

Willi Pfaff hingegen glaubt sehr wohl, dass es "an die Verdrängung gehen wird. In den nächsten zwei, drei Jahren sind die Plätze in München vergeben". Wird Vollcorner weiter wachsen? "Wir haben eine Größe, die funktioniert", sagt Pfaff. "Mit den 16 Filialen können wir auch in fünf Jahren noch bestehen." Aber er hat auch etwas im Hinterkopf: Wenn der Verkauf von Tengelmann an Edeka beim Kartellamt durchgehen sollte, dann, so glaubt Pfaff, wird die eine oder andere Tengelmann-Filiale zumachen. "Da könnten sich für uns interessante Standort ergeben, dann wären wir nicht abgeneigt."

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