Schulen in München:Stadt kritisiert Seehofers Ganztagsplan

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  • Der von der Staatsregierung beschlossene Ausbau der offenen Ganztagsbetreuung an Grund- und Förderschulen stößt in München auf Kritik.
  • Die Stadt will gebundene Ganztagsklassen, in denen sich Lern- und Erholungsphasen am Vormittag und am Nachmittag abwechseln.
  • In München fehlen die Betreuungsplätze und das Personal, das sich um die Kinder kümmern soll.

Von Melanie Staudinger, München

Höhere Kosten, zu wenige Fachkräfte und ein fehlendes pädagogisches Konzept: Der von der Staatsregierung beschlossene Ausbau der offenen Ganztagsbetreuung an Grund- und Förderschulen stößt in München auf Kritik. Der offene Ganztag berge die Gefahr, dass "vormittags im Unterricht die Wissensvermittlung in komprimierter Form erfolgt und davon pädagogisch sowie inhaltlich getrennt nachmittags Betreuung stattfindet", sagt Schulbürgermeisterin Christine Strobl (SPD). Sie und die Stadt setzen lieber auf gebundene Ganztagsklassen, in dem sich Lern- und Erholungsphasen am Vormittag und am Nachmittag abwechseln.

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Es fehlt an Betreuungsplätzen

Auch in München fehlt es noch an Betreuungsplätzen, vor allem an solchen, die nicht um spätestens 16 Uhr enden. Neben Tagesheimen, Horten und zumeist von Eltern organisierten Mittagsbetreuungen gibt es in diesem Schuljahr 162 gebundene Ganztagsklassen an 51 der 132 Grundschulen. Ihre Zahl hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen - auch weil der Stadtrat Zuschüsse bewilligt hat. Insgesamt 5,5 Millionen Euro verteilt das Bildungsreferat dafür im Jahr an Grund-, Mittel- und Förderschulen.

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Strobl sagte, sie finde es gut, dass die Problematik der Randzeiten, Schulferien und Freitage ernst genommen werde. Das Bildungsreferat arbeite schon seit längerem an diesem Thema und habe dazu schon Gespräche mit Grundschulen, Tagesheimen, Wohlfahrtsverbänden und Trägern der offenen Kinder- und Jugendhilfe geführt - um Formen der Kooperation zu finden. Im neuen Konzept der Staatsregierung müssten die Kommunen aber einen beträchtlichen Anteil der Finanzierung übernehmen, sogar noch viel mehr, als das bisher der Fall gewesen sei. Über die Kosten, die dadurch auf München zukommen, konnte Strobl noch nichts sagen. Dafür sei es zu früh, detaillierte Berechnungen seien noch nicht vorhanden.

Fachpersonal für die Betreuung gesucht

Als weiteres Problem sieht die Stadt, dass Erzieher in den verlängerten Betreuungszeiten eingesetzt werden sollen. Doch schon jetzt fehlen Fachkräfte, die Lage werde sich auf absehbare Zeit nicht entspannen. "Vor diesem Hintergrund wird es nicht einfach sein, Fachpersonal zu finden", sagt Strobl. Vor allem nicht, wenn es sich bei der Arbeitszeit nur um die Randzeiten von 16 bis 18 Uhr handle. "Auch in dieser Beziehung ist der gebundene Ganztag das sinnvollere Angebot", sagt Strobl. Hier arbeiten hauptsächlich Lehrer, die der Staat bezahlt.

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Die Stadt will der Bürgermeisterin zufolge am gebundenen Ganztag festhalten. "Rhythmisierter Unterricht, erweiterte Lernzeiten und die mit dem Ganztag automatisch verbundenen Veränderungen von Unterrichtsmodellen geben den Kindern optimale Voraussetzungen, gut und erfolgreich zu lernen", sagt sie. In den städtischen Schulen wird die Stadt die Ganztagsklassen ausbauen. Was an den staatlichen Grund- und Förderschulen geschieht, liegt allerdings nicht in der Hand des Bildungsreferats. Für diese Schulen ist der Freistaat Bayern zuständig.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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