Bildergalerie:Der Tod steht hier gut

Friedhöfe - Orte der Stille, des Trauerns, des Erinnerns. Unsere Fotografin Gabi Klein hat sich kurz vor Allerheiligen umgesehen: dem Nord-, Ost-, Süd- und Waldfriedhof, wo noch viele alte Engelsfiguren auf den Gräbern stehen.

39 Bilder

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Quelle: SZ

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Requiem auf den Tod eines Knaben (Rainer Maria Rilke)

Was hab ich mir für Namen eingeprägt und Hund und Kuh und Elephant nun schon so lang und ganz von weit erkannt, und dann das Zebra -, ach, wozu?

(Nordfriedhof)

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Der mich jetzt trägt, steigt wie ein Wasserstand über das Alles. Ist das Ruh, zu wissen, daß man war, wenn man sich nicht durch zärtliche und harte Gegenstände durchdrängte ins begreifende Gesicht?

(Nordfriedhof)

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Und diese angefangnen Hände -

Ihr sagtet manchmal: er verspricht... Ja, ich versprach, doch was ich Euch versprach, das macht mir jetzt nicht bange. Zuweilen, dicht am Hause, saß ich lange und schaute einem Vogel nach.

(Nordfriedhof)

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Hätt ich das werden dürfen, dieses Schaun! Das trug, das hob mich, meine Augenbraun waren ganz oben. Keinen hatt ich lieb. Liebhaben war doch Angst -, begreifst du, dann war ich nicht wir und war viel größer als ein Mann und war als wär ich selber die Gefahr, und drin in ihr war ich der Kern.

(Nordfriedhof)

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Ein kleiner Kern; ich gönne ihn den Straßen, ich gönne ihn dem Wind. Ich geb ihn fort. Denn daß wir alle so beisammen saßen, das hab ich nie geglaubt. Mein Ehrenwort.

(Nordfriedhof)

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Ihr spracht, ihr lachtet, dennoch war ein jeder im Sprechen nicht und nicht im Lachen. Nein. So wie ihr alle schwanktet, schwankte weder die Zuckerdose, noch das Glas voll Wein. Der Apfel lag. Wie gut das manchmal war, den festen vollen Apfel anzufassen, den starken Tisch, die stillen Frühstückstassen, die guten, wie beruhigten sie das Jahr.

(Nordfriedhof)

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Und auch mein Spielzeug war mir manchmal gut. Es konnte beinah wie die andern Sachen verläßlich sein; nur nicht so ausgeruht. So stand es in beständigem Erwachen wie mitten zwischen mir und meinem Hut. Da war ein Pferd aus Holz, da war ein Hahn, da war die Puppe mit nur einem Bein; ich habe viel für sie getan.

(Nordfriedhof)

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Den Himmel klein gemacht, wenn sie ihn sahn, - denn das begriff ich frühe: wie allein ein Holzpferd ist. Daß man das machen kann: ein Pferd aus Holz in irgend einer Größe. Es wird bemalt, und später zieht man dran, und es bekommt vom echten Weg die Stöße.

(Nordfriedhof)

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Warum war das nicht Lüge, wenn man dies "Pferd" nannte? Weil man selbst ein wenig als Pferd sich fühlte, mähnig, sehnig, vierbeinig wurde - (um einmal ein Mann zu werden?) Aber war man nicht ein wenig Holz zugleich um seinetwillen und wurde hart im Stillen und machte ein vermindertes Gesicht?

(Nordfriedhof)

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Jetzt mein ich fast, wir haben stets getauscht. Sah ich den Bach, wie hab ich da gerauscht, rauschte der Bach, so bin ich hingesprungen. Wo ich ein Klingen sah, hab ich geklungen, und wo es klang, war ich davon der Grund.

(Ostfriedhof)

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So hab ich mich dem Allen aufgedrängt. Und war doch Alles ohne mich zufrieden und wurde trauriger, mit mir behängt.

Nun bin ich plötzlich abgeschieden.

Fängt ein neues Lernen an, ein neues Fragen? Oder soll ich jetzt sagen, wie alles bei euch ist? - Da ängst ich mich. Das Haus? Ich hab es nie so recht verstanden. Die Stuben? Ach da war so viel vorhanden.

(Ostfriedhof)

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.....Du Mutter, wer war eigentlich der Hund? Und selbst, daß wir im Walde Beeren fanden, erscheint mir jetzt ein wunderlicher Fund

(Ostfriedhof)

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Da müssen ja doch tote Kinder sein, die mit mir spielen kommen. Sind doch immer welche gestorben. Lagen erst im Zimmer, so wie ich lag, und wurden nicht gesund.

(Ostfriedhof)

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Gesund... Wie das hier klingt. Hat das noch Sinn? Dort, wo ich bin, ist, glaub ich, niemand krank. Seit meinem Halsweh, das ist schon so lang -

(Ostfriedhof)

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Hier ist ein jeder wie ein frischer Trank.

Noch hab ich, die uns trinken, nicht gesehen

(Ostfriedhof)

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Für eine Freundin (Paula Modersohn Becker) von Rainer Maria Rilke

Ich habe Tote, und ich ließ sie hin und war erstaunt, sie so getrost zu sehn, so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht, so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst zurück; du streifst mich, du gehst um, du willst an etwas stoßen, daß es klingt von dir und dich verrät.

O nimm mir nicht, was ich langsam erlern. Ich habe recht; du irrst wenn du gerührt zu irgend einem Ding ein Heimweh hast. Wir wandeln dieses um; es ist nicht hier, wir spiegeln es herein aus unserm Sein, sobald wir es erkennen.

(Ostfriedhof)

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Ich glaubte dich viel weiter. Mich verwirrts, daß du gerade irrst und kommst, die mehr verwandelt hat als irgend eine Frau. Daß wir erschraken, da du starbst, nein, daß dein starker Tod uns dunkel unterbrach, das Bisdahin abreißend vom Seither: das geht uns an; das einzuordnen wird die Arbeit sein, die wir mit allem tun.

(Ostfriedhof)

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wo alles noch nicht ist; daß du zerstreut, zum ersten Mal im All zerstreut und halb, den Aufgang der unendlichen Naturen nicht so ergriffst wie hier ein jedes Ding; daß aus dem Kreislauf, der dich schon empfing, die stumme Schwerkraft irgend einer Unruh dich niederzieht zur abgezählten Zeit -: dies weckt mich nachts oft wie ein Dieb, der einbricht.

Doch daß du selbst erschrakst und auch noch jetzt den Schrecken hast, wo Schrecken nicht mehr gilt; daß du von deiner Ewigkeit ein Stück verlierst und hier hereintrittst, Freundin, hier, Und dürft ich sagen, daß du nur geruhst, daß du aus Großmut kommst, aus Überfülle, weil du so sicher bist, so in dir selbst, daß du herumgehst wie ein Kind, nicht bange vor Örtern, wo man einem etwas tut -: doch nein: du bittest. Dieses geht mir so bis ins Gebein und querrt wie eine Säge.

(Ostfriedhof)

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Ein Vorwurf, den du trügest als Gespenst, nachtrügest mir, wenn ich mich nachts zurückzieh in meine Lunge, in die Eingeweide, in meines Herzens letzte ärmste Kammer, - ein solcher Vorwurf wäre nicht so grausam, wie dieses Bitten ist.

Was bittest du? Sag, soll ich reisen? Hast du irgendwo ein Ding zurückgelassen, das sich quält und das dir nachwill? Soll ich in ein Land, das du nicht sahst, obwohl es dir verwandt war wie die andre Hälfte deiner Sinne?

(Ostfriedhof)

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Ich will auf seinen Flüssen fahren, will an Land gehn und nach alten Sitten fragen, will mit den Frauen in den Türen sprechen und zusehn, wenn sie ihre Kinder rufen.

Ich will mir merken, wie sie dort die Landschaft umnehmen draußen bei der alten Arbeit der Wiesen und der Felder; will begehren, vor ihren König hingeführt zu sein, und will die Priester durch Bestechung reizen, daß sie mich legen vor das stärkste Standbild und fortgehn und die Tempeltore schließen.

(Südfriedhof)

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Dann aber will ich, wenn ich vieles weiß, einfach die Tiere anschaun, daß ein Etwas von ihrer Wendung mir in die Gelenke herübergleitet; will ein kurzes Dasein in ihren Augen haben, die mich halten und langsam lassen, ruhig, ohne Urteil.

Ich will mir von den Gärtnern viele Blumen hersagen lassen, daß ich in den Scherben der schönen Eigennamen einen Rest herüberbringe von den hundert Düften. Und Früchte will ich kaufen, Früchte, drin das Land noch einmal ist, bis an den Himmel.

(Südfriedhof)

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22 / 39

Denn Das verstandest du: die vollen Früchte. Die legtest du auf Schalen vor dich hin und wogst mit Farben ihre Schwere auf. Und so wie Früchte sahst du auch die Fraun und sahst die Kinder so, von innen her getrieben in die Formen ihres Daseins.

(Südfriedhof)

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23 / 39

Und sahst dich selbst zuletzt wie eine Frucht, nahmst dich heraus aus deinen Kleidern, trugst dich vor den Spiegel, ließest dich hinein bis auf dein Schauen; das blieb groß davor und sagte nicht: das bin ich; nein: dies ist.

(Südfriedhof)

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24 / 39

So ohne Neugier war zuletzt dein Schaun und so besitzlos, von so wahrer Armut, daß es dich selbst nicht mehr begehrte: heilig. So will ich dich behalten, wie du dich hinstelltest in den Spiegel, tief hinein und fort von allem. Warum kommst du anders?

(Südfriedhof)

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Quelle: SZ

25 / 39

Was widerrufst du dich? Was willst du mir einreden, daß in jenen Bernsteinkugeln um deinen Hals noch etwas Schwere war von jener Schwere, wie sie nie im Jenseits beruhigter Bilder ist;

(Südfriedhof)

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26 / 39

was zeigst du mir in deiner Haltung eine böse Ahnung; was heißt dich die Konturen deines Leibes auslegen wie die Linien einer Hand, daß ich sie nicht mehr sehn kann ohne Schicksal?

(Südfriedhof)

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27 / 39

Komm her ins Kerzenlicht. Ich bin nicht bang, die Toten anzuschauen. Wenn sie kommen, so haben sie ein Recht, in unserm Blick sich aufzuhalten, wie die andern Dinge.

Komm her; wir wollen eine Weile still sein. Sieh diese Rose an auf meinem Schreibtisch; ist nicht das Licht um sie genau so zaghaft wie über dir: sie dürfte auch nicht hier sein. Im Garten draußen, unvermischt mit mir, hatte sie bleiben müssen oder hingehn, - nun währt sie so: was ist ihr mein Bewußtsein?

(Südfriedhof)

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Erschrick nicht, wenn ich jetzt begreife, ach, da steigt es in mir auf: ich kann nicht anders, ich muß begreifen, und wenn ich dran stürbe. Begreifen, daß du hier bist. Ich begreife. Ganz wie ein Blinder rings ein Ding begreift, fühl ich dein Los und weiß ihm keinen Namen.

Laß uns zusammen klagen, daß dich einer aus deinem Spiegel nahm. Kannst du noch weinen? Du kannst nicht. Deiner Tränen Kraft und Andrang hast du verwandelt in dein reifes Anschaun und warst dabei, jeglichen Saft in dir so umzusetzen in ein starkes Dasein, das steigt und kreist, im Gleichgewicht und blindlings.

(Südfriedhof)

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Da riß ein Zufall dich, dein letzter Zufall riß dich zurück aus deinem fernsten Fortschritt in eine Welt zurück, wo Säfte wollen. Riß dich nicht ganz; riß nur ein Stück zuerst, doch als um dieses Stück von Tag zu Tag die Wirklichkeit so zunahm, daß es schwer ward, da brauchtest du dich ganz: da gingst du hin und brachst in Brocken dich aus dem Gesetz mühsam heraus, weil du dich brauchtest.

Da trugst du dich ab und grubst aus deines Herzens nachtwarmem Erdreich die noch grünen Samen, daraus dein Tod aufkeimen sollte: deiner, dein eigner Tod zu deinem eignen Leben. Und aßest sie, die Körner deines Todes, wie alle andern, aßest seine Körner, und hattest Nachgeschmack in dir von Süße, die du nicht meintest, hattest süße Lippen, du: die schon innen in den Sinnen süß war.

(Waldfriedhof)

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Quelle: SZ

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O laß uns klagen. Weißt du, wie dein Blut aus einem Kreisen ohnegleichen zögernd und ungern wiederkam, da du es abriefst? Wie es verwirrt des Leibes kleinen Kreislauf noch einmal aufnahm; wie es voller Mißtraun und Staunen eintrat in den Mutterkuchen und von dem weiten Rückweg plötzlich müd war.

(Waldfriedhof)

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Du triebst es an, du stießest es nach vorn, du zerrtest es zur Feuerstelle, wie man eine Herde Tiere zerrt zum Opfer; und wolltest noch, es sollte dabei froh sein. Und du erzwangst es schließlich: es war froh und lief herbei und gab sich hin. Dir schien, weil du gewohnt warst an die andern Maße, es wäre nur für eine Weile; aber nun warst du in der Zeit, und Zeit ist lang.

(Waldfriedhof)

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Quelle: SZ

32 / 39

Und Zeit geht hin, und Zeit nimmt zu, und Zeit ist wie ein Rückfall einer langen Krankheit.

Wie war dein Leben kurz, wenn du's vergleichst mit jenen Stunden, da du saßest und die vielen Kräfte deiner vielen Zukunft schweigend herabbogst zu dem neuen Kindkeim, der wieder Schicksal war. O wehe Arbeit.

(Waldfriedhof)

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33 / 39

O Arbeit über alle Kraft. Du tatest sie Tag für Tag, du schlepptest dich zu ihr und zogst den schönen Einschlag aus dem Webstuhl und brauchtest alle deine Fäden anders. Und endlich hattest du noch Mut zum Fest.

Denn da's getan war, wolltest du belohnt sein, wie Kinder, wenn sie bittersüßen Tee getrunken haben, der vielleicht gesund macht.

(Waldfriedhof)

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Quelle: SZ

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So lohntest du dich: denn von jedem andern warst du zu weit, auch jetzt noch; keiner hätte ausdenken können, welcher Lohn dir wohltut. Du wußtest es. Du saßest auf im Kindbett, und vor dir stand ein Spiegel, der dir alles ganz wiedergab. Nun war das alles Du und ganz davor, und drinnen war nur Täuschung, die schöne Täuschung jeder Frau, die gern Schmuck umnimmt und das Haar kämmt und verändert.

(Waldfriedhof)

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Quelle: SZ

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So starbst du, wie die Frauen früher starben, altmodisch starbst du in dem warmen Hause den Tod der Wöchnerinnen, welche wieder sich schließen wollen und es nicht mehr können, weil jenes Dunkel, das sie mitgebaren, noch einmal wiederkommt und drängt und eintritt.

Ob man nicht dennoch hätte Klagefrauen auftreiben müssen? Weiber, welche weinen für Geld, und die man so bezahlen kann, daß sie die Nacht durch heulen, wenn es still wird.

(Waldfriedhof)

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Gebräuche her! wir haben nicht genug Gebräuche. Alles geht und wird verredet. So mußt du kommen, tot, und hier mit mir Klagen nachholen. Hörst du, daß ich klage? Ich möchte meine Stimme wie ein Tuch hinwerfen über deines Todes Scherben und zerrn an ihr, bis sie in Fetzen geht, und alles, was ich sage, müßte so zerlumpt in dieser Stimme gehn und frieren; blieb es beim Klagen. Doch jetzt klag ich an: den Einen nicht, der dich aus dir zurückzog, (ich find ihn nicht heraus, er ist wie alle) doch alle klag ich in ihm an: den Mann.

(Waldfriedhof)

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Wenn irgendwo ein Kindgewesensein tief in mir aufsteigt, das ich noch nicht kenne, vielleicht das reinste Kindsein meiner Kindheit: ich wills nicht wissen. Einen Engel will ich daraus bilden ohne hinzusehn und will ihn werfen in die erste Reihe schreiender Engel, welche Gott erinnern.

Denn dieses Leiden dauert schon zu lang, und keiner kanns; es ist zu schwer für uns, das wirre Leiden von der falschen Liebe, die, bauend auf Verjährung wie Gewohnheit, ein Recht sich nennt und wuchert aus dem Unrecht. Wo ist ein Mann, der Recht hat auf Besitz? Wer kann besitzen, was sich selbst nicht hält, was sich von Zeit zu Zeit nur selig auffängt und wieder hinwirft wie ein Kind den Ball. Sowenig wie der Feldherr eine Nike festhalten kann am Vorderbug des Schiffes, wenn das geheime Leichtsein ihrer Gottheit sie plötzlich weghebt in den hellen Meerwind: so wenig kann einer von uns die Frau anrufen, die uns nicht mehr sieht und die auf einem schmalen Streifen ihres Daseins wie durch ein Wunder fortgeht, ohne Unfall: er hätte denn Beruf und Lust zur Schuld.

(Waldfriedhof)

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Denn das ist Schuld, wenn irgendeines Schuld ist: die Freiheit eines Lieben nicht vermehren um alle Freiheit, die man in sich aufbringt. Wir haben, wo wir lieben, ja nur dies: einander lassen; denn daß wir uns halten, das fallt uns leicht und ist nicht erst zu lernen.

Bist du noch da? In welcher Ecke bist du? - Du hast so viel gewußt von alledem und hast so viel gekonnt, da du so hingingst für alles offen, wie ein Tag, der anbricht. Die Frauen leiden: lieben heißt allein sein, und Künstler ahnen manchmal in der Arbeit, daß sie verwandeln müssen, wo sie lieben. Beides begannst du; beides ist in Dem, was jetzt ein Ruhm entstellt, der es dir fortnimmt. Ach du warst weit von jedem Ruhm. Du warst unscheinbar; hattest leise deine Schönheit hineingenommen, wie man eine Fahne einzieht am grauen Morgen eines Werktags, und wolltest nichts, als eine lange Arbeit, - die nicht getan ist: dennoch nicht getan.

(Waldfriedhof)

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Quelle: SZ

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Wenn du noch da bist, wenn in diesem Dunkel noch eine Stelle ist, an der dein Geist empfindlich mitschwingt auf den flachen Schallwelln, die eine Stimme, einsam in der Nacht, aufregt in eines hohen Zimmers Strömung: So hör mich: Hilf mir. Sieh, wir gleiten so, nicht wissend wann, zurück aus unserm Fortschritt in irgendwas, was wir nicht meinen; drin wir uns verfangen wie in einem Traum und drin wir sterben, ohne zu erwachen. Keiner ist weiter. Jedem, der sein Blut hinaufhob in ein Werk, das lange wird, kann es geschehen, daß ers nicht mehr hochhält und daß es geht nach seiner Schwere, wertlos. Denn irgendwo ist eine alte Feindschaft zwischen dem Leben und der großen Arbeit. Daß ich sie einseh und sie sage: hilf mir.

Komm nicht zurück. Wenn du's erträgst, so sei tot bei den Toten. Tote sind beschäftigt. Doch hilf mir so, daß es dich nicht zerstreut, wie mir das Fernste manchmal hilft: in mir.

(Waldfriedhof)

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