Bierbeben in der Registratur:Aufruf zur Anarchie

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Rotzige Punk-Attitüde gemischt mit kantigen Beats: Die Electro-Punk-Band "Das Bierbeben" hält, was ihr Name verspricht.

Michael Moorstedt

Das Bierbeben - allein der Name des Projekts provoziert zahlreiche Assoziationen - polternde Bässe, schummriges Licht, stickige Luft und einen schweren Kopf. Und die Musik? Ein guter Schuss rotzige Punk-Attitüde gemischt mit kantigen Elektro-Beats ergeben einen anarchischen Anspruch, der schon mal zu rebellischen Ausrufen führt.

Bierbeben - der Name provoziert zahlreiche Assoziationen. (Foto: Foto: oh)

"Mach deinen Fernseher kaputt" oder "Wenn Deutschlands Mauern fallen, wenn die Macht zerschlagen wird, möchte ich dabei sein", skandierte man auf dem Debüt von 2004 in bester Rio-Reiser-Manier. Bei der Band, deren Besetzung ebenso unbeständig ist wie ihr musikalischer Ausstoß, herrscht der Wille zur politischen Parole.

Das All-Star-Projekt aus Hamburg sorgt für einen Linksruck auf der sonst so egalitären, einer Weltanschauung unbewussten Tanzfläche. Und auch Jan Müller, sonst Bassist der doch eher sensiblen Tocotronic, erinnert sich an seine Punk-Sozialisation und nimmt mit dem Bierbeben eine Auszeit vom politisch korrekten Über-Ich.

Auch 2009 heißen die Stücke "Wehr dich doch" oder "Nihilit". Doch der Blick auf die Trackliste täuscht. Im Vergleich zur Frühgeschichte der Band tauscht das aktuelle Album ein Stück jugendlicher Verve zugunsten ruhigerer Töne. Das Lied "Frei wie ein Vogel" ist, ausgekleidet mit Synthesizer und Wummer-Bass, zwar immer noch für eine Galerie-Vernissage wie für volle Tanzflächen geeignet; schafft man es aber, trotz der unverschämten Eingängigkeit auf den Text zu hören, erinnert der eher an zahmen Protest-Folk aus den frühen Siebzigern als an wilde Punk-Grölereien oder dadaistische Dancefloor-Refrains.

Hier offenbart sich die wahre Natur des Bierbebens. Man möchte mehr sein als nur eine weitere Electro-Punk-Band. Vielmehr versteht man sich als Versuchslabor, als Brutstätte für den ultimativen Protestsong. Dass dafür auch technoide Stilmittel verwendet werden, ist nur konsequent. Denn schließlich hatte auch der Techno mal einen ideologischen Überbau, der aus mehr als nur Hippie-Happy-End bestand.

Die Gründerväter verstanden ihre Bewegung, bevor sie dem Kommerz zum Opfer fiel, als Rebellion gegen überkommene Systemstrukturen. Dabei reicht das pophistorische Gedächtnis des Bierbebens durchaus weiter zurück als nur zu Ton Steine Scherben. In letzter Konsequenz huldigt man gar dem Liedermacher Franz Josef Degenhardt, dem "singenden Anwalt" der APO und Verfasser von "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern", mit einem Cover.

Unterstützt werden die Hamburger Dancefloor-Ideologen dabei von Marco Haas alias T.Raumschmiere. Seines Zeichens Elder Statesman des Electro-Punk und Chef des Labels Shitkatapult, auf dem auch das Bierbeben veröffentlicht.

Das Bierbeben, Shitkatapult Labelnight, Registratur, 15. Mai, 23 Uhr, Blumenstraße 28.

© SZ vom 14.05.2009/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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