Bier-Export:Der Berliner Sommer schmeckt nach München

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Augustiner hat sich in der Hauptstadt zum Kultgetränk entwickelt, obwohl kaum für das Bier geworben wird.

Julia Kimmerle

Im Bezirk Prenzlauer Berg sitzen junge Menschen mit asymmetrischen Haarschnitten im Park. Im Gesicht riesige Sonnenbrillen, in der Hand große Bierflaschen.

Die Maß schmeckt am besten im Biergarten, ob in Berlin oder München. (Foto: Foto: ddp)

Nicht irgendein Bier, darauf achtet man genau. Keines also, das jeder kennt und trinkt - Becks, Krombacher, Berliner Kindl.

Sondern: Augustiner Helles. Der Berliner Sommer schmeckt in diesem Jahr nach München.

Seit einem halben Jahr gibt es Augustiner dort in Clubs und an kleinen Kiosken, in Szenebars und Restaurants. Der Berliner Getränkegroßmarkt Lehmann hat es vergangenes Jahr ins Sortiment aufgenommen, "auf spezielle Anfragen der Kunden", heißt es dort.

In den vergangenen sechs Monaten hat sich der Absatz verachtfacht. Nur die Berliner Bierkutscher fluchen über Augustiner - wegen der besonderen Kastengröße muss man sie im Laster immer extra stapeln.

Bevor Augustiner überall in Berlin erhältlich war, fristete es in der Hauptstadt jahrelang ein Nischendasein und wurde nur von ganz wenigen Händlern verkauft.

Der erste, der Augustiner nach Berlin brachte, war der Exil-Münchner Martin Baalke - mit Unterstützung des TSV 1860. "Ich hatte mit einem Spezl um zwei Kisten Augustiner gewettet, dass die Sechziger nicht absteigen", erzählt Baalke. Das war vor acht Jahren.

Der Verein schaffte damals den Klassenerhalt und Baalke hatte ein Problem: "Nirgendwo in Berlin gab es Augustiner."

Ein einziger Kiosk verkaufte das Bier für 42 Mark pro Kasten. Michael Baalke war erst entsetzt über den Preis. "Dann habe ich mir gedacht, dass das auch günstiger geht."

Kurzerhand eröffnete er im Prenzlauer Berg den Getränkemarkt "Braukunst". Der Star in seinem Sortiment bayerischer Biere: Augustiner. Weil die Augustiner Brauerei aber nicht nach Berlin lieferte, importierte Martin Baalke das Bier mit seinem Transporter selbst. Bis zu fünf Mal pro Woche fuhr er die Strecke Berlin-München, um den steigenden Bedarf zu decken.

Er baute den Augustiner-Vertrieb in Berlin aus, warb für sein Lieblingsbier. "Für mich ist Augustiner das beste Bier der Welt. Und warum sollen die Berliner kein gescheites Bier trinken?"

Wenige Werbemittel

Die Mundpropaganda von Baalke und seinen Stammkunden zeigte Erfolg. Jetzt haben auch türkische Kioske in Friedrichshain und Kreuzberg das Bier im Sortiment.

Und eine Legende ist entstanden: Mittlerweile behaupten mehrere, die Ersten gewesen zu sein, die das Münchner Bier mit einem Fiat Panda oder einem Mercedes Sprinter nach Berlin gekarrt haben.

Auch wenn die Berliner Getränkehändler und Wirte sich über die Beliebtheit von Augustiner freuen, verstehen viele nicht, dass die Münchner Brauerei sie beim Vertrieb kaum unterstützt. "Das geht sogar soweit, dass manche Kiosk-Betreiber den Wirtschaften die Augustiner-Kreidetafeln vor der Tür klauen", erzählt Martin Baalke, "weil Augustiner leider kaum Werbemittel zur Verfügung stellt."

Aber nicht nur bei den Werbemitteln wird gespart.

Weder im Fernsehen noch in Druckerzeugnissen wird das Münchner Bier überregional beworben. Ein Phänomen, findet Andreas Gut von der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing. Er betreute im Frühjahr eine empirische Untersuchung der Marke Augustiner in München.

Das Ergebnis: Gar keine Werbung zu machen war für Augustiner bisher die beste Werbung. "Der Konsument erkennt die Unternehmensphilosophie eines Produktes. Bier ist Heimat und Augustiner ist München", erklärt Andreas Gut den Erfolg.

Die Stellung als letzte konzernunabhängige Münchner Privatbrauerei tue ein übriges, um Augustiner zur beliebtesten Biermarke zu machen, zumindest in der Region.

Altmodisch, bodenständig, schick

Auch in Berlin erkennt der Konsument die Unternehmensphilosophie. Er drückt sie nur anders aus. Das Ding sei so altmodisch und bodenständig, dass es schon wieder schick sei, heißt es dort in den Bars.

Alte Schule sei die Augustiner-Flasche, traditionell und authentisch also. Vor allem die Größe ist ungewöhnlich: Halb-Liter Flaschen sind in Berlin selten, fast alle Brauereien haben 0,33-Liter-Gebinde.

Die Größe, sagen die Augustiner-Fans, gebe dem Bier etwas Sympathisches: Augustiner sei eben "kein Mädchenbier wie Becks Gold", mit dem eleganten "Longneck"-Flaschenhals und dem modernen Etikett auf der Weißglas-Flasche.

Trotzdem finden auch Frauen Gefallen am Augustiner: Sie bestellen einfach eine Flasche zu zweit: Geteilte Halbe, doppelte Freude am Bier mit dem heimatverbundenen Charme.

Matthias Lung, Direktor der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing, glaubt, dass gerade dieser bodenständige Auftritt zum Markenverständnis der Berliner beiträgt: "Das Gefühl von Heimat und beständigen Werten wird immer wichtiger. Augustiner hat eine Tradition, das versteht man auch außerhalb von Bayern."

Für den Berliner Münchner Martin Baalke hingegen gibt es einen viel simpleren Grund: "Es schmeckt einfach gut."

© SZ vom 20.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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