Bezahlbarer Wohnraum:Da geht noch mehr

Neubau eines Wohnhauses in München, 2015

Wer da wohl eines Tages wohnen wird?

(Foto: Lukas Barth)

Lange haben die Kommunen den Bau geförderter Wohnungen vernachlässigt. Inzwischen wird wieder investiert - doch die Nachfrage ist viel größer

Von Günther Knoll

Knapp 300 000 Menschen, so viele leben derzeit in der Stadt Augsburg. Und so viele werden in den nächsten 20 Jahren in die Region München ziehen, um hier zu arbeiten, wenn man den Prognosen glaubt. Dabei handelt es sich nur um die Zahl der Beschäftigten, insgesamt wird sogar ein Zuwachs von 400 000 Einwohnern erwartet, davon 200 000 allein für die Landeshauptstadt. Eine boomende Wirtschaft, entsprechend viele und attraktive Arbeitsplätze, dazu der hohe Freizeitwert - der Großraum München ist gefragt. Doch für die Neubürger auch genügend bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, das bringt die Verantwortlichen ins Schwitzen. Die Stadt München allein kann das nicht schaffen. "Alle müssen mithelfen", lautet das Credo von Christian Breu, dem Geschäftsführer des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum München (PV). Er greift damit eine Forderung von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter auf, der die Umlandkommunen zur Zusammenarbeit in Sachen Wohnungsbau aufgerufen hat.

Wohnraum in München und im Umland ist knapp - und er ist teuer. So teuer, dass selbst Beschäftigte mit mittlerem Einkommen Schwierigkeiten haben, bezahlbare Mietwohnungen zu finden. Im vergangenen Jahrzehnt waren Projekte zum Bau geförderter Wohnungen in der Region die Ausnahme. Im Landkreis München wurden von 2006 bis 2015 ganze 4600 Quadratmeter erstellt, das sind bei einer Wohnungsgröße von 70 Quadratmetern nicht einmal 70 Wohnungen. Im Landkreis Fürstenfeldbruck waren es nur 2700 Quadratmeter. Wenn gebaut wurde, dann privat und für die zahlungskräftige Klientel.

Die Kommunen in der Region tun sich inzwischen schwer, Personal zu finden, der Lohn einer Erzieherin reicht für eine Mietwohnung auf dem freien Markt nicht aus, sobald diese irgendwo in S-Bahn-Nähe steht. Dazu kommt die zunehmende Zahl anerkannter Flüchtlinge, die ebenfalls ein Dach über dem Kopf brauchen. Die Gemeinden müssen also etwas tun. "Schon jetzt sehen wir, dass der Wohnungsbau wieder anzieht", konstatierte Breu in der jüngsten Sitzung der Veranstaltungsreihe "Bezahlbaren Wohnraum schaffen!" Doch er ließ gleich das Aber folgen: Man liege noch deutlich "drunter" - unter der nötigen Zahl an Wohnungen.

Bauland ist knapp und kostet dementsprechend, private Bauträger möchten, dass sich solche Investitionen auszahlen und bieten entsprechend hochwertige Wohnungen an. Bei den gegenwärtigen Zinsen auf dem Finanzmarkt könnte sie allerdings eine Rendite von vier Prozent im geförderten Wohnungsbau zum Undenken bewegen, sagt Roman Dienersberger, der zuständige Sachbearbeiter bei der Regierung von Oberbayern. Er sieht den Grund für den deutlich gestiegenen Wohnflächenbedarf pro Kopf nicht nur im starken Zuzug, sondern auch in einer veränderten Haushaltsstruktur mit vielen Singles. Dienersberger wirbt vor allem für das kommunale Wohnraumförderprogramm des Staats, das den Gemeinden als Bauträgern "sehr attraktive Finanzierungsmöglichkeiten" biete. Dazu gelte es, Bauflächen zu mobilisieren, kostengünstige Grundstücke und zusätzliche Projektträger zu finden, aber auch die Standards zu hinterfragen. Das beginne "im Detail", die geforderte Balkonabsenkung zum Beispiel koste Geld, sei aber im Grunde unnötig.

Michael Hardi von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag in München riet in diesem Punkt zur Vorsicht. Sparen an der falschen Stelle bringe gar nichts, weil dann nur um so schneller saniert werden müsse, und man schließlich auch die Mieter zufrieden stellen wolle. Hardis Gesellschaft hat einen Bestand von 35 000 Wohnungen zu erhalten und baut im Auftrag der Stadt pro Jahr 400 bis 800 neue dazu. Die Durchschnittsmiete bei der Gewofag beträgt 6,94 Euro pro Quadratmeter. Dort denkt man laut Hardi auch über Nachverdichtung nach, Aufstockungen etwa, aber auch über Modulbauweise, die sehr schnelle Bauzeiten ermögliche. Bei den technischen Standards sollte man Hardi zufolge auch hinterfragen, ob alles zentral sein müsse - Zähler, Warmwasser, und ob Barrierefreiheit überall vorgeschrieben sein müsse, denn "da wird das Bad zum größten Zimmer". Mit "abgespeckten Lösungen" lasse sich leichter günstiger Wohnraum schaffen. Immer aber müsse gelten, was für alle Gewofag-Projekte gelte: "ein hohes Maß an Qualität".

Im Wettlauf mit Investoren haben die Kommunen selbst Möglichkeiten, günstiges Bauland zu aktivieren: über städtebauliche Verträge, über die sozialgerechte Bodennutzung, über kommunales Vorkaufsrecht. Sie müssen nicht selbst bauen, sie können Wohnungsunternehmen gründen, private Bauträger beauftragen oder die Grundstücke an Genossenschaften vergeben mit der Maßgabe, dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden muss.

Viele Ansatzpunkte, bisher aber reicht das alles nicht, um dem "Wachstumsdruck" zu begegnen, wie Unterföhrings Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer feststellt. Er fordert, wohl im Sinn der meisten Kommunalpolitiker in der Region, "einfachere Baugesetze, damit schneller und billiger gebaut werden kann".

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