Bewussterer Konsum:App für den späten Appetit

Inside A Planeta Sushi Restaurant As Sushi Proves Too Expensive As Ruble Falls

Schaut gut aus? Gibt's zur richtigen Zeit auch günstiger.

(Foto: Bloomberg)

Zum halben Preis in Imbissen und Restaurants bestellen? Das geht mit immer mehr Apps. Und gleichzeitig rettet man übriges Essen vor dem Müll.

Von Franziska Schwarz

Das Sushi ist dazu verdammt, an einem Tag auf eine Gelegenheit zu warten. Kommt diese Gelegenheit nicht, landet es in der Tonne. Für die Köche ist es zu heikel, den Reis mit rohem Fisch noch am nächsten Tag anzubieten, falls sich kein Abnehmer gefunden hat. Deshalb gibt es die Sushi-Gerichte im "Asahi 2 Take" gegenüber dem Uni-Hauptgebäude am Abend zum halben Preis, jedenfalls dann, wenn viel übrig ist. Dann kann man die Gerichte mit dem Smartphone zum Mitnehmen vorbestellen, und eineinhalb Stunden, bevor das Lokal schließt, abholen.

"Asahi 2 Take" nutzt die "Mealsaver"-App aus Berlin, die es seit etwa zwei Monaten auch für München gibt. Es ist eine von mehreren Apps, die sich in dem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung verschrieben haben. Die finnische "Resq-Club"-App ist seit Ende März in der Stadt aktiv. Und als Vorreiter des Konzepts gilt "Too Good To Go", eine App aus Dänemark, die schon seit Dezember 2015 zum Download bereit steht und kürzlich in München startete. Betreiber eines Lokals bieten mit Hilfe dieser Apps Essen billiger an, das vom frischen Angebot eines Tages übrig bleibt.

Davon profitieren gleich drei Parteien: die Käufer, weil sie günstiger wegkommen. Die Lokale, die ihren Ausschuss doch noch gegen Geld loswerden. Und Umwelt oder Wirtschaft - je nachdem, wie man das Leben betrachtet. Lebensmittel erst zuzubereiten und dann wegzuschmeißen, hinterlässt jedenfalls immer ein schlechtes Gefühl.

Ignaz Schmid war in München einer der Ersten, die bei "Too Good To Go" mitmachten. Die Betreiber kamen damals auf ihn zu, sagt der Inhaber des "Café Ignaz". Am Ende eines Arbeitstags hat er fast immer noch Gebäck da, das wird am Abend günstiger abgegeben. So ein Tortenstück hat dann vielleicht eine Delle abbekommen, als es in der Theke hin- und hergeschoben wurde. Geschmacklich aber bleibt es nicht hinter den Kuchen zurück, die zur Primetime verkauft wurden. So wie das Sushi von Asahi, das auch abends noch gut schmeckt.

20 Millionen Tonnen Müll pro Jahr

Als Nutzer erlaubt man den Apps per GPS Zugriff auf den eigenen Standort, dann werden die teilnehmenden Geschäfte in der Nähe angezeigt. Man zahlt vorab online und lässt sich eine Portion reservieren. In München ist die Auswahl an tatsächlich angebotenen Mahlzeiten überschaubar, dabei kooperieren jeweils mindestens 50 Lokale mit den Apps. Nach einer Woche des Herumtestens meint man aber, immer die gleichen Namen auf den digitalen Stadtplänen zu lesen, gut zwanzig sind es. In einer Stadt wie München hätte man fast mehr solcher Angebote erwartet.

Auch, weil die Mengen an noch genießbaren Lebensmitteln, die weggeworfen werden, groß sind: bis zu 20 Millionen Tonnen jährlich, warnen die gemeinnützigen Tafeln. Das liegt nicht nur an der Gastronomie, sondern zum großen Teil daran, dass Privatleute ihre Einkäufe schlecht planen. Ein Anlass, mal den Inhalt des eigenen Kühlschranks zu überprüfen. Tatsächlich: Die Eier müssten, wenn man nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum geht, bald weg. Dieses Problem geht die deutsch-österreichische Plattform Foodsharing.de an. Auf der Webseite können Menschen bereits seit 2012 Lebensmittel, die sie selbst gerade nicht benötigen, gratis anbieten und abgeben. Auf Facebook hat die Gruppe "Foodsharing München" aktuell fast 6000 Mitglieder.

In der Landsberger Straße 428 zum Beispiel verschenkt eine Bäckerei regelmäßig Brot vom Vortag, aber auch Privatleute können ihre Lebensmittel dort vorbeibringen. "Fair-Teiler" nennen sich diese Orte. Bundesweit hat die ehrenamtliche Foodsharing-Bewegung öffentliche Kühlschränke aufgestellt, in denen sie übriggebliebenes Essen anbietet, neben Brot auch Gemüse oder Joghurt.

Anders als die Foodsharing-Aktivisten mit ihren Fair-Teilern machen App-Anbieter wie Mealsaver aber Umsatz mit ihrer Ware. Sie erhalten einen Anteil des Verkaufspreises, den das Sushi oder die Sandwiches kurz vor Feierabend noch erzielen. Bei Resq-Clubs sind das jeweils 25 Prozent, bei Mealsaver und Too Good To Go pauschal ein Euro. In Hygienefragen sind die App-Betreiber nicht in der Pflicht, die Verantwortung haben im Zweifelsfall die Lokale.

Timo Beck, der Deutschland-Beauftragte von Resq-Club, ist zufrieden mit dem Start in München. Etwa 30 Mitarbeiter hat das Unternehmen in seiner Zentrale in Helsinki, in den deutschen Städten gibt es jeweils einen Ansprechpartner vor Ort. Mehr als 100 000 Menschen nutzen die App in Deutschland, Schweden, Finnland, Estland und den Niederlanden, etwa 500 Lokale nehmen insgesamt teil. Die Akquise von teilnehmenden Restaurants laufe gut: "Noch nie hat jemand Nein zu dieser Idee gesagt". Die anderen Anbieter Too Good To Go oder Mealsaver sehe man nicht als Konkurrenz, "letztendlich kennt man sich auch untereinander", sagt Beck.

Der Münchner Tafel, die stadtweit gratis Lebensmittel an Bedürftige verteilt, nehmen die Apps übrigens nichts weg. Die Organisation funktioniert anders: Dort besorgen sich die Helfer unverkaufte Ware wegen der Hygienevorschriften ohnehin nur in Supermärkten, nicht in Restaurants, so ein Pressesprecher.

Zu Ignaz Schmid vom "Café Ignaz" kommen abends keine Bedürftigen, sondern hauptsächlich ein paar Studenten, "fast immer dieselben", sagt er. Wer die Apps nutzt, sollte schnell sein: Pro Lokal bleiben normalerweise wenige Portionen übrig. Denn eigentlich sollte übriggebliebenes Essen ja auch die Ausnahme bleiben.

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