Betrugsmasche:Falsche Polizisten haben 2017 enormen Schaden angerichtet

Plakat der Polizei warnt vor Betrug am Telefon

Bis zu hundert Anzeigen wegen solcher Betrugsversuche gingen im Sommer bei der Münchner Polizei ein - pro Tag.

(Foto: dpa)

Im vergangenen Jahr schwatzten Kriminelle ihren Opfern mit dieser Betrugsmasche insgesamt mehr als vier Millionen Euro ab - gesteuert fast immer aus der Türkei.

Von Thomas Schmidt

Es war die Betrugsmasche im Jahr 2017, und derzeit deutet nichts darauf hin, dass sich das im kommenden Jahr ändert: Die Masche mit den falschen Polizeibeamten. Betrüger geben sich als Beschützer aus und manipulieren ihre betagten Opfer derart geschickt, dass die am Ende freiwillig ihr Erspartes abliefern.

Bis zu hundert Anzeigen wegen solcher Betrugsversuche gingen im Sommer bei der Münchner Polizei ein - pro Tag. Das Dunkelfeld dürfte weit größere Dimensionen erreichen. Im gesamten Jahr 2017 schwatzten falsche Polizisten ihren Opfern in 39 Fällen insgesamt mehr als vier Millionen Euro ab. Längst hat die echte Münchner Polizei eine spezialisierte Ermittlungsgruppe mit mehr als 20 Beamten gebildet, doch an die Hintermänner der international vernetzten Verbrecherbanden heranzukommen, ist kaum möglich.

So verunsicherten die Betrüger eine 82-jährige Rentnerin

So wie bei der 82-jährigen Hannelore Maurer (Name geändert), bei der es gerade noch mal gut gegangen ist. Am 29. August riefen die Betrüger bei ihr an, berichtet Uwe Dörnhöfer, der Leiter der Ermittlungsgruppe. Am Telefon geben sie sich als Polizisten aus, flößen der Rentnerin Angst ein, erfinden eine Lügengeschichte über ein Gewinnspiel in der Türkei und eine angebliche Strafe, die sie nun nach Istanbul überweisen müsse. Verunsichert ruft Maurer ein Taxi, lässt sich nach Solln fahren, um dort in einem "MoneyGram"-Geldtransferladen 1600 Euro an die Betrüger zu schicken. Doch ihr Taxifahrer Slobodan S. wird skeptisch, stellt der Rentnerin Fragen und rät ihr schließlich: "Machen Sie das nicht!" Dann bringt er sie zur Polizei.

Betrugsmasche: Taxifahrer Slobodan S. hat im August eine 82 Jahre alte Rentnerin davon abgehalten, 1600 Euro an die Betrüger zu überweisen. Die Kriminellen suchen sich oft Opfer mit hohem Alter, die teils sogar bettlägerig oder dement sind - und so auch nicht bei der Strafverfolgung helfen können.

Taxifahrer Slobodan S. hat im August eine 82 Jahre alte Rentnerin davon abgehalten, 1600 Euro an die Betrüger zu überweisen. Die Kriminellen suchen sich oft Opfer mit hohem Alter, die teils sogar bettlägerig oder dement sind - und so auch nicht bei der Strafverfolgung helfen können.

(Foto: Stephan Rumpf)

Hannelore Maurers echter Name steht nun in einer von mehr als 3000 Anzeigen gegen falsche Polizisten, die das Münchner Präsidium 2017 aufgenommen hat. Im selben Zeitraum nahmen die Ermittler 26 Täter fest. Bei den meisten handelt es sich um sogenannte Abholer. In den hierarchisch organisierten Banden bilden sie die unterste Ebene. Sie nehmen die Beute entgegen, leiten sie weiter und sind am leichtesten zu ersetzen. Auch ein paar "Logistiker" sitzen derzeit in Untersuchungshaft, sozusagen das mittlere Management. Die "Keiler" aber, die psychologisch gewieften Anrufer, befinden sich meist in Sicherheit vor den deutschen Behörden.

Die Türkei ignoriert entsprechende Gesuche einfach

Die einträgliche Betrugsmasche wird "fast ausschließlich von der Türkei aus gesteuert", erklärt Oberstaatsanwältin Anne Leiding. Bei internationaler Kriminalität sind die deutschen Strafverfolger auf die Rechtshilfe anderer Staaten angewiesen. Doch die Türkei ignoriere entsprechende Gesuche einfach. "Zum Teil stellen wir sie schon gar nicht mehr, weil wir genau wissen, dass es nichts nützt", sagt Leiding. Ohne die Unterstützung der türkischen Kollegen können die Münchner Polizisten dort nicht ermitteln. Einmal nahmen sie einen Täter noch am Flughafen fest, kurz bevor er sich in die Türkei absetzen konnte - die Kriminellen wissen natürlich, dass sie dort einigermaßen sicher sind vor den Deutschen.

Ein anderer falscher Polizist, Murat S., wurde vor Kurzem in München zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er soll mehr als 20 000 Euro erbeutet haben. Doch solche Erfolge sind bislang die Ausnahme.

Ein zusätzliches Problem bei der Beweisführung, erklärt Leiding, sei das meist sehr hohe Alter der Geschädigten. Manche sind dement, ein Opfer von Murat S. war sogar bettlägerig. Einige Betroffene sind gesundheitlich schlicht nicht in der Lage, vor Gericht als Zeuge auszusagen, oder sie erkennen die Verbrecher Monate nach der Tat nicht wieder. Viele schämten sich zutiefst, sagt die Oberstaatsanwältin, dass sie auf die geschulten Kriminellen hereingefallen sind, und melden sich deswegen nicht bei der Polizei.

Opfer lassen Beamte aus Angst nicht mehr in ihr Haus

Wenn die internationale Zusammenarbeit unter den Behörden funktioniert, haben die Fahnder auch eine realistische Chance. Das zeigt die Erfahrung: Dank der Arbeit von Münchner Ermittlern wurden in diesem Sommer im "Cucina"-Fall Hintermänner einer internationalen Einbrecherbande in der Nähe von Zagreb dingfest gemacht. Ebenfalls dank länderübergreifender Kooperation wurde der sogenannte Enkeltrickbetrug in München beinahe ausgerottet, die Fallzahlen sanken von 2015 bis Anfang 2017 um 90 Prozent.

Die Zahl der Anzeigen wegen falscher Polizisten hingegen stieg im Vergleich zum Vorjahr um das Achtfache. Die Betrüger gehen derart massiv vor, dass viele Opfer das Vertrauen in die echte Polizei verlieren, berichtet Polizeivizepräsident Werner Feiler. Opfer ließen Beamte aus Angst nicht mehr in ihr Haus. Verbrecher geben sich inzwischen auch als Staatsanwälte, Richter oder sogar als Präsident des Bundeskriminalamts aus. Sobald ein Polizist am Telefon Geld fordert, rät Feiler, "legen Sie am Besten sofort auf".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: