Betrugs-Masche:Falsche Chefs und Schadprogramme

Betrugs-Masche: Auf den Boten, der das Geld für den in der Klemme sitzenden Enkel holen soll, fallen immer wieder ältere Menschen herein.

Auf den Boten, der das Geld für den in der Klemme sitzenden Enkel holen soll, fallen immer wieder ältere Menschen herein.

(Foto: Imago)

Viele Tricks sind neu, manche sind bewährt: Einmal soll die Wasserleitung überprüft, ein anderes Mal Geld gewechselt oder sogar ein geheimes Projekt finanziert werden

Von Martin Bernstein

Manche Maschen der Betrüger sind zeitlos, andere haben jahreszeitlich Konjunktur. Und wieder andere brechen in regelrechten Wellen über die Opfer und die Ermittler im Polizeipräsidium München herein. Besonders hohe Schadensummen entstehen beim Enkeltrickbetrug. Alte Menschen werden von angeblichen Verwandten am Telefon um fünfstellige Summen gebeten, die sie einem Boten übergeben sollen. Manchmal schaltet sich sogar ein falscher Polizist ein, der so tut, als würde er helfen. Den meisten dieser Maschen ist gemeinsam, dass sie eine Drucksituation ausnutzen - oder aufbauen. Ein Überblick über die aktuellen Tricks.

Der falsche Wasserwerker

Es ist die Masche, die Erstem Kriminalhauptkommissar Konrad Raab, dem Leiter des Kommissariats 65 im Münchner Polizeipräsidium , derzeit am häufigsten unterkommt. Ein vermeintlicher Handwerker klingelt an der Tür seiner älteren, zuvor ausgespähten und genau ausgesuchten Opfer und behauptet, für die Stadtwerke (oder einen Telefon- oder Energieanbieter) unterwegs zu sein. Er müsse, sagt der Mann dann, wegen eines Störfalls die Leitungen in der Wohnung überprüfen. Der Mann kommt in die Wohnung, lässt hinter sich die Tür offen und fordert das Opfer auf, beispielsweise die Duschbrause aufzudrehen und während der angeblichen Leitungsprüfung in der Hand zu halten. Das lenkt ab und macht Lärm, so dass ein Komplize heimlich eindringen und die Wohnung nach Schmuck und Barem durchsuchen kann. Besonders dreist war ein Trickdieb in Gräfelfing: Er schickte sein 92-jähriges Opfer in den Keller und ließ die Rentnerin dort mehrere hundert Male mit dem Hammer gegen eine Wasserleitung klopfen, so lange, bis die alte Frau völlig erschöpft war. Die Täter hatten währenddessen 20 Minuten lang Zeit, die Wohnung zu durchwühlen. Als der angebliche Handwerker weg war, fehlten der Frau Geld und Schmuck im Wert von mehreren tausend Euro. Die Täterbanden, sagt Raab, seien "extrem organisiert". Sein dringender Rat: Niemanden in die Wohnung lassen, den man nicht kennt, sich nicht einschüchtern lassen und um eine Telefonnummer bitten, bei der man anrufen kann. Spätestens dann verschwinde der Trickdieb: "Das sind scheue Rehe."

Wechseln, wechseln, wechseln

Der Wechseltrick findet meist in Ladengeschäften statt. Der Täter möchte viele kleine Scheine in wenige große gewechselt haben. Die Kassenkraft freut sich - Kleingeld kann man immer brauchen. Dann zählt der Betrüger die Scheine in die Hand, stellt Zwischenfragen, kauft vielleicht noch schnell eine Kleinigkeit. Am Ende hat die Verkäuferin an der Kasse den Überblick verloren und merkt erst am Abend beim Kassensturz, dass aus den ursprünglich 50 Zehnern auf diesem Weg 20 geworden sind. Konrad Raab und seine Mitarbeiter kennen auch eine Variante: Für einen kleinen Einkauf wird ein 50-Euro-Schein auf den Tresen gelegt. Dann wird der Verkäufer schnell noch einmal weggeschickt. Derweil steckt der Täter seinen Schein wieder ein. Dann sagt er, er habe es sich anders überlegt - und fordert seinen Schein zurück. Geld, das nie in der Kasse gelandet ist. "Und das funktioniert", sagt Raab.

Der CEO-Betrug

Der Name deutet es schon an: Man nehme einen internationalen Konzern mit für Außenstehende leicht durchschaubaren IT-Standards, einen anonymen Chef, hierarchische Strukturen - und fertig ist der Betrug, bei dem eine Firma schon mal um einen Millionenbetrag geprellt werden kann. Eine geheimnisvolle, brisante E-Mail von eben diesem Chef kommt. Sie besagt, dass für ein streng geheimes Projekt ganz schnell ganz viel Geld vom Firmenkonto überwiesen werden muss. Absolute Verschwiegenheit wird gefordert. Und was tut der so unter Druck gesetzte Untergebene? Er überweist das Firmengeld. Und erst später fliegt auf: Mail falsch, Chef falsch, Geld unwiederbringlich verloren. Kriminalhauptkommissar Christoph Büchele vom Kommissariat 121 im Polizeipräsidium München rechnet mit einer hohen Dunkelziffer. Das Erfolgsgeheimnis der Täter: Hierarchiedenken und Intransparenz.

Gefährliche Bewerbungen

Auch das ein Fall, mit dem Büchele und die Cyber-Crime-Experten häufig zu tun haben. Ende Oktober häuften sich Fälle von Bewerbungs-Betrug, bis zu drei Fälle pro Woche registrierten die Münchner Kriminalpolizisten. Eine angebliche Bewerbung kommt per Mail. Doch Lebenslauf und andere Unterlagen fehlen. Sie seien so umfangreich, dass er sie in einer Dropbox-Datei abgelegt habe, behauptet der "Bewerber". Klickt der Firmenchef - Opfer sind meist mittelständische Unternehmen - auf diese Datei, wird eine Schadsoftware heruntergeladen, welche die Festplatten der Firma verschlüsselt. So, dass sie nicht mehr benutzbar sind. Der Angreifer nimmt die sensiblen Geschäftsdaten also quasi in Geiselhaft. Damit er auf seine Festplatten wieder zugreifen kann, muss der Unternehmer sich mit virtueller Währung ("Bitcoins") freikaufen. Büchele rät: Nie anklicken, was man nicht kennt, Sicherungskopien von Daten anlegen und versuchen, den Bewerber telefonisch zu erreichen.

Die Firma, die es nicht gibt

Gerade nach Weihnachten dürfte diese Masche wieder Konjunktur haben: Man hat Geld geschenkt bekommen und will jetzt online einkaufen. Das Angebot sieht verlockend aus - verlockend günstig vor allem. Doch der Trick ist einfach: Der Kunde zahlt und bekommt nichts. Und selbst ein Sicherheitslogo oder Siegel bietet nur scheinbaren Schutz vor solchen Fake-Shops: "Das kann jeder daheim am Rechner kopieren", sagt Büchele. Man muss schon auf der Seite der Siegel-Vergabestelle nachrecherchieren, ob diese den fraglichen Anbieter tatsächlich für unbedenklich erklärt hat. Auch ein Blick darauf, wie lange es die Internet-Adresse des Anbieters schon gibt, empfiehlt sich. Am besten, sagt Christoph Büchele, wäre eine Bezahlung per Rechnung. Doch die wollen wiederum viele Firmen nicht - aus Angst vor Einkaufsbetrügern . . .

Der Fahrkarten-Trick

Betrug kann auch die Ärmsten der Armen treffen. Flüchtlinge zum Beispiel. Als im Spätsommer besonders viele Flüchtlinge am Hauptbahnhof ankamen, berichtete die zuständige Bundespolizei von Fällen, in denen Familien angebliche Fahrkarten für die Weiterfahrt angedreht wurden. Doch die vermeintlichen Tickets waren in Wirklichkeit wertlose Fahrplanausdrucke. Und die Täter häufig Landsleute der Opfer, die scheinbar ihre Hilfe anboten und sich den Umstand zunutze machten, dass die Opfer kein Deutsch konnten. Mit Aufklebern auf Arabisch an den Fahrkartenautomaten versuchte die Bahn, solchen Betrügern ihr Handwerk zu erschweren. Inzwischen hat sich diese Masche nach Auskunft von Bundespolizei-Sprecher Wolfgang Hauner an die Grenzbahnhöfe verlagert.

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