Betreuungseinrichtungen:Alles andere als ein Kinderspiel

Kindertagesstätte in NRW

Für den Bau von Kindertagesstätten, Schulen und Sporthallen stehen Milliarden bereit. Probleme bereitet die Standortsuche.

(Foto: dpa)

Die Stadt ist bereit, viele Millionen für den Bau neuer Betreuungseinrichtungen auszugeben, doch bei der Suche nach geeigneten Standorten gibt es viele Hindernisse.

Von Melanie Staudinger

Mit dem Job von Hans-Jürgen Stein ist es eine zweischneidige Sache. Zum einen darf der Leiter des zentralen Immobilienmanagements im städtischen Bildungsreferat die größte kommunale Schulbauoffensive in Deutschland umsetzen. Mehrere Milliarden Euro stehen zur Verfügung für Kindertagesstätten, Schulen und Sporthallen - darauf können andere Städte nur neidisch schauen. Auf der anderen Seite aber muss das Bauprogramm in einer Stadt verwirklicht werden, in der es ohnehin schon ziemlich eng ist und deren Bewohner bekanntlich nicht zu den anspruchslosesten zählen. Denn so wichtig Betreuungseinrichtungen und Schulen auch sind: Vor der eigenen Tür oder gar im eigenen Haus will sie kaum jemand haben.

In der abgelaufenen Woche hat Steins Abteilung dem Bildungsausschuss des Stadtrats wieder mal ein neues Paket vorgelegt: Fünf neue Kitas sollen entstehen, das bedeutet 544 Plätze mehr. Leicht war die Suche nach geeigneten Standorten nicht, wie Stein berichtet. Längst hat die Stadtverwaltung alle städtischen Grundstücke auf ihre Tauglichkeit hin untersucht, die optimalen unter ihnen sind längst bebaut oder zumindest verplant. Seit 2011 hat der Stadtrat gute 281 Millionen Euro für 5600 neue Kita-Plätze freigegeben. Dazu kommen noch knapp 2000 Plätze, die ihm Rahmen der Schulbauoffensive gebaut werden. Die Premium-Grundstücke für Kitas gehen daher langsam aus. "Früher hätten wir die Standorte vielleicht nicht genommen", sagt Stein. Heute aber müsse man viel mehr Kompromisse eingehen, um den vergleichsweise hohen Bedarf an Betreuungsplätzen in München zu decken.

Vor ein paar Jahren noch hätte die Stadt an einer verkehrsreichen Straße, an einer Straßenbahntrasse oder neben lärmenden Gewerbebetrieben keine Tagesstätte gebaut. Heute tut sie das sehr wohl - und rüstet nach. Vor jeder Maßnahme lässt das Bildungsreferat den Lärm messen, sowohl den, der von der Umgebung auf die Kita einwirkt, wie auch den, den die Einrichtung selbst produziert. Der Schallpegel draußen darf 55 Dezibel tagsüber nicht überschreiten. Das ist in etwa so laut wie ein Fernseher oder ein Radio. Gibt es mehr Lärm, braucht es Schutzmaßnahmen. Drei, vier oder gar fünf Meter hohe Lärmschutzwände, die gerade Anwohner in Reihenhaussiedlungen nicht so gerne sehen.

Gesetzlich gesehen haben Nachbarn zwar kaum Chancen, gegen Kinderlärm an sich vorzugehen. Gegen den Krach aber, den die Eltern mit ihren Autos beim Bringen und Holen verursachen, aber sehr wohl. Immer wieder verzögern sich Baugenehmigungen, weil Anwohner sich beschweren. Am Roggensteiner Weg in der Nähe des Autobahnkreuzes München-West etwa musste das Bildungsreferat erst ein Verkehrskonzept vorlegen, bevor es bauen durfte. Das kostet Zeit, Zeit, die manche Familien nicht haben, weil beide Elternteile wieder arbeiten gehen wollen und auf den Platz angewiesen wären.

Baurecht, Planungsrecht, Abstandsflächen, Lärm, Verkehr, Mobilfunkmasten oder Stromleitungen - all das gilt es beim Kita-Bau zu berücksichtigen. Und manchmal hat die Stadt es nicht in der Hand: Wenn Investoren größere neue Quartiere entwickeln, müssen sie auch Tagesstätten bauen. Ihnen wird aber, so berichtet Stein, nicht vorgeschrieben, in welcher Reihenfolge sie bauen. "Es ist schon vorgekommen, dass wir fertige Wohnungen hatten, aber das Gebäude mit der Kita noch nicht stand", sagt Stein.

Oder der Bauträger hat die Wohnungszuschnitte kurzfristig noch geändert. Wenn es statt Zwei-Zimmer- plötzlich Vier-Raum-Einheiten gibt, ziehen statt Singles und Paaren oft Familien mit Kindern ein. Kleine Änderungen im Wohnungszuschnitt können schnell zu einem ganz anderen Bedarf führen. Ein paar Kleinkinder mehr, und schon ist eine neue Krippengruppe nötig, weil nur zwölf Mädchen und Jungen in einer Gruppe betreut werden. Ähnliches kann auch in bestehenden Siedlungen passieren, in denen nachverdichtet wird. "Da hecheln wir einfach hinterher", sagt Stein. Denn so schnell wie die privaten Bauherren kann die Stadt in diesen Fällen nicht sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: