Betreuung:Genug Platz, aber keine Plätze

Im Haus für Kinder an der Feldbergstraße fehlt es an Erziehern - und Toiletten. Deshalb können viel weniger Kinder betreut werden als vorgesehen

Von Melanie Staudinger

Die Geschichte von Anne Pächthold beginnt im vergangenen Frühjahr, als der Wechsel der großen Tochter Nele vom Kindergarten in die Schule ansteht. Kein Problem, dachte die alleinerziehende Mutter. Schließlich hatte sie das Mädchen extra in einem Haus für Kinder angemeldet, das eine durchgängige Betreuung vom Krippenalter bis zum Ende der Grundschulzeit gewährleistet. Eigentlich. Doch im Haus für Kinder an der Feldbergstraße in Trudering fehlen Erzieher, daher gibt es weniger Gruppen und damit weniger Plätze. Anne Pächthold und Nele gingen leer aus, das Mädchen musste in eine Mittagsbetreuung wechseln.

Der Ärger hörte für die Familie aber nicht auf: Wenn an diesem Mittwoch im Kita-Finder die Anmeldefrist für das neue Schuljahr abläuft, wird auch Anne Pächthold wieder mit im Verlosungstopf sein. Im September soll ihre kleine Tochter Jule von der Krippen- in die Kindergartengruppe im selben Haus für Kinder wechseln. Die Mutter weiß jetzt schon, dass es wahrscheinlich schlecht für sie aussieht. Denn wieder gibt es zu wenig Plätze. Und wieder werden die Pächtholds wohl leer ausgehen. Einen Kindergartenplatz bekommt in diesem Herbst wahrscheinlich nur, wer ein Geschwisterkind in der Einrichtung hat. Doch Nele ist ja in der Mittagsbetreuung. Pech gehabt.

Das Haus für Kinder an der Feldbergstraße ist kein Einzelfall in München, auch in anderen Stadtteilen hoffen jetzt wieder Tausende Eltern auf einen der begehrten Krippen-, Kindergärten- oder Hortplätze. An der Einrichtung in Trudering aber lässt sich die trotz aller Versuche anhaltende Betreuungsmisere in der Stadt gut erzählen. Denn eigentlich gäbe es genügend Plätze, wenn sich nur ausreichend Personal finden ließe - und wenn auch die baulichen Probleme nicht wären. 2011 wurde das 6,7 Millionen Euro teure Gebäude eröffnet. Bei einer Prüfung aber stellte die Regierung von Oberbayern fest, dass die Stadt zu wenig Toiletten für die geplante Belegung eingebaut hatte. Statt 25 Kinder pro Gruppe dürfen im Kindergarten daher nur mehr 20 aufgenommen werden. Bei drei Gruppen macht das 15 Plätze weniger. Im Hort, so hat Anne Pächthold herausgefunden, fehlen zudem drei Erzieher. Von theoretisch 100 Plätzen seien deshalb 48 unbesetzt, fast die Hälfte.

Betreuung: Anne Pächthold muss für ihre Töchter Nele und Kim neue Betreuungsplätze organisieren, weil im Haus für Kinder an der Feldbergstraße Erzieherinnen fehlen.

Anne Pächthold muss für ihre Töchter Nele und Kim neue Betreuungsplätze organisieren, weil im Haus für Kinder an der Feldbergstraße Erzieherinnen fehlen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Auch Stadtteilpolitiker sind auf den Missstand im Münchner Osten aufmerksam geworden. Sie beschwerten sich im Mai vergangenen Jahres im Bildungsreferat. Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) reagierte. Im Januar dieses Jahres. Eine Verbesserung der Situation soll sich ihren Ausführungen zufolge aber erst bis zum Jahr 2025/26 ergeben - nicht weil es dann mehr Plätze geben wird, sondern weil Prognosen zufolge dann mit weniger Grundschülern zu rechnen ist. Dabei ist es gar nicht so, dass die Stadt untätig geblieben wäre. Auf fast acht Seiten schildert die Stadtschulrätin die städtischen Bemühungen zur Personalgewinnung: Das Bildungsreferat versuche Fachkräfte aus dem Ausland zu locken, es werbe gezielt bei Messen, es veranstalte Schnuppertage, es habe die Ausbildungskapazitäten erhöht, es stelle Bewegungs- oder Musikpädagogen zur Unterstützung ein. "Der Landeshauptstadt München ist die Abfederung des Personalmangels ein großes Anliegen", schreibt Zurek. Und doch reichen die Anstrengungen nicht aus. Anfang dieses Jahres waren nach Angaben des Bildungsreferats in Krippen, Kindergärten, Horten und Häusern für Kinder 169 Stellen für Erzieherinnen und Einrichtungsleitungen sowie 36 Stellen für Kinderpfleger unbesetzt. Bei den Tagesheimen fehlen demnach 32 Erzieher und 19 Ergänzungskräfte. Dazu kommen noch die offenen Positionen bei allen anderen Trägern von Kinderbetreuungseinrichtungen, denn die Stadt betreibt nur gut ein Drittel aller Kitas selbst. Diese unbesetzten Stellen jedoch sind nicht zentral erfasst.

Wer seine Ausbildung in diesem Bereich absolviert hat, kann sich seinen Job momentan frei aussuchen. Dementsprechend viel Bewegung gibt es. Auch an die Feldbergstraße wechselte immer mal wieder neues Personal. "Aber das führt zu keiner Verbesserung, da Schwangerschaften, Renten und Umzüge wieder große Lücken reißen", sagt Pächthold. Zudem gingen in den kommenden fünf Jahren sechs Erzieher in Rente, rechnet die Mutter vor. Wie sich die Situation da entspannen solle?

Eltern und Stadtteilpolitiker in Trudering haben vorgeschlagen, doch Ganztagsklassen an der Feldbergschule zu etablieren. Das würde zumindest ein wenig Druck herausnehmen. Doch dies liege im Verantwortungsbereich der Schulleitung, schreibt Zurek. Und die wiederum ist keine städtische Mitarbeiterin, sondern Beamtin des Freistaats. Man unterstütze zwar jeden Versuch, Ganztagsklassen anzubieten: "Das Referat für Bildung und Sport steht in Kontakt mit den Grundschulen. Die Mitarbeiter wirken positiv auf die Schulen ein, ermuntern beständig zur Antragsstellung und stehen den Schulleitungen beratend zur Seite." Jedoch müsse die Initiative von der Schule ausgehen.

Betreuung: Im Haus für Kinder an der Feldbergstraße in Trudering gibt es weniger Gruppen und damit weniger Plätze.

Im Haus für Kinder an der Feldbergstraße in Trudering gibt es weniger Gruppen und damit weniger Plätze.

(Foto: Stephan Rumpf)

In Trudering, so erklärt Zurek, hätten nur 23 Prozent der Familien den sogenannten gebundenen Ganztag favorisiert. Zu wenig für eine Ganztagsklasse. Anne Pächthold und ihren Mitstreitern bleibt derzeit nur der neidische Blick nach Perlach an den Pfanzeltplatz. Dort erproben Stadt und Freistaat gerade gemeinsam in einem Versuch die kooperative Ganztagsschule und geben eine Betreuungsplatzgarantie für alle angehenden Erstklässler. In den kommenden Jahren soll das Modell auf andere Standorte ausgeweitet werden. Gleichzeitig bereitet die große Koalition auf Bundesebene den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz im Grundschulalter vor.

Im kommenden Kita- und Schuljahr wird das den suchenden Eltern aber nicht helfen. Sie werden wieder warten müssen. Dranbleiben lohnt sich, wie der Fall vom Miriam Klossowski aus Laim zeigt. Die Mutter kämpfte im vergangenen Jahr lange um einen Hortplatz für ihren Sohn Julian. Sie ging zur Elternberatung, schrieb an den Oberbürgermeister, beschwerte sich im Bezirksausschuss. Und tatsächlich, plötzlich rückte Julian doch noch nach. "Wir sind sehr froh", sagt Miriam Klossowski heute. Ihr Sohn fühle sich im Hort wohl und gehe gerne hin. Denn allem Warten und Personalmangel zum Trotz: Die Familien, die einen Platz bekommen haben, schätzen die gute Arbeit der Kitas.

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