Best.Doks:Eine Hauptrolle für das Leid der Welt

Es geht um Verbote und den Klimawandel. Die Filme reichen von Afghanistan bis Iran, beschäftigen sich Michail Chodorkowski oder Mohammed Nasheed: Die Reihe "Best.Doks" zeigt Filme über die Brennpunkte unserer Zeit.

Evelyn Vogel

Dass Dokumentarfilmer immer nah an dem sein wollen, was die Welt bewegt, steht außer Frage. Doch manchmal können Zwischenfälle im Weltgeschehen zu Glücksfällen für Dokumentarfilmer werden, weil sie ihre Filme stärker in den Fokus des Interesses der Öffentlichkeit rücken, als diese sich das zuvor erhoffen konnten. Ein solcher Zwischenfall beschert dem Filmemacher Jon Shank und seinem Film "The Island President" derzeit vermehrt Aufmerksamkeit - und damit auch einen Platz in der Best.Doks-Reihe "Unrecht braucht Zeugen" im Arri-Kino, die den Film in zwei Wochen, am 26. Februar, zeigt und die an diesem Sonntag mit einem Film über ein ungewöhnliches Kinder- und Jugendprojekt in Afghanistan startet.

Best.Doks: In "Skateistan" erleben Jungen und Mädchen in Afghanistan gemeinsam ein neues, friedliches Miteinander - auch, wenn ein alter Panzer als Rampe für die Skater dient.

In "Skateistan" erleben Jungen und Mädchen in Afghanistan gemeinsam ein neues, friedliches Miteinander - auch, wenn ein alter Panzer als Rampe für die Skater dient.

(Foto: Best.Doks)

Vor knapp zwei Wochen trat auf den Malediven Mohammed Nasheed, der erste demokratisch gewählte Präsident des Inselstaats, nach Protesten der Bevölkerung und der Polizei zurück. Nasheed war 2008 an die Macht gekommen und hatte die 30 Jahre dauernde Militärdiktatur, die auch Nasheed als politischen Gefangenen für zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt hatte, beendet. Vor seinem Rücktritt hatte der Präsident einen ranghohen Richter verhaften lassen und angeordnet, dass alle Wellness-Einrichtungen auf der vom Tourismus abhängigen islamisch geprägten Inselgruppe geschlossen werden müssten. All das hatte für Irritationen in der westlichen Welt gesorgt. Nasheed war bis dahin als eher liberaler, anti-korrupter, dem Westen gegenüber aufgeschlossener Politiker bekannt gewesen und als einer, der sich im Kampf gegen den Klimawandel hervortat.

Und um den Klimawandel geht es auch in Shanks Film "The Island President", der als Deutschlandpremiere gezeigt wird. Der nur wenige Meter über dem Meeresspiegel gelegene Inselstaat im Indischen Ozean ist akut bedroht. Der Film zeigt den smarten Hoffnungsträger Nasheed bei den Vorbereitungen des Kopenhagener Klimagipfels 2009, seinen Kampf gegen die globale Klimaerwärmung. Aber wer wird sich jetzt noch vorrangig für seinen Einsatz für den Klimawandel interessieren? Wird nicht jeder in der Dokumentation nach Anzeichen im Verhalten Nasheeds suchen, die irgendwie erklären, wie es zu der politisch instabilen Lage auf den Malediven kommen konnte? Die Best.Doks-Macher, das Arri-Kino und Human Rights Watch, haben nicht nur den Klimaexperten Matthias Kopp vom WWF zur anschließenden Diskussion gebeten, sondern auch Wolfgang Büttner von HRW, der die politische Lage auf den Malediven erklären wird.

Um Verbote geht es in dem Film "Forbidden" der ägyptischen Regisseurin Amal Ramsis (4. März). Vom Kuss in der Öffentlichkeit, der Einschränkung persönlicher Bewegungsfreiheit bis hin zum Verbot von Parteien handelt der Film. Es ist kurz vor Ausbruch des arabischen Frühlings in Kairo, Männer und Frauen aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft, vor allem aber aus dem Milieu der ägyptischen Aktivisten, sprechen darüber, was in Ägypten unter Mubarak alles verboten ist. Amal Ramsis, die in Kairo und Madrid studiert hat, führt nicht nur Interviews über Verbote, bei ihrer Dokumentation war sie auch direkt mit einem Verbot konfrontiert, denn sie erhielt keine Dreherlaubnis und filmte deshalb mit einer Handkamera in privaten Räumen. Filmen auf öffentlichen Straßen und Plätzen - verboten! Die anschließende Diskussion findet in Anwesenheit von Regisseurin Amal Ramsis statt.

Wo Verbote herrschen, suchen die Menschen nach Schlupflöchern. Ein solches Schlupfloch, jedoch eines, das der Staat selbst geschaffen hat, beschreibt die iranisch-österreichische Filmemacherin Sudabeh Mortezai in ihrer Dokumentation "Im Bazar der Geschlechter" über die Zeitehe in Iran (11. März). Ob für ein paar Stunden oder Jahre - wenn unverheiratete Menschen nach sexuellen Kontakten suchen, ohne Gefahr laufen zu müssen, ein Gesetz zu übertreten, gehen sie eine sogenannte Lustehe ein. Die schiitische Tradition in Iran ermöglicht es einem Mann und einer Frau gegen ein entsprechendes Entgelt, für einen befristeten Zeitraum zu heiraten. Für die einen ist das legalisiertes Mätressentum unter dem Schleier des Islam, für die anderen ein Schlupfloch in mehr persönliche Freiheit in einem repressiven islamischen System.

Wenn alle Schlupflöcher jedoch geschlossen und alle Hoffnungen geschwunden sind, bleibt nur noch die Flucht. In "Adrift - People of a Lesser God" haben die Menschen nichts mehr zu verlieren als das nackte Leben, sie riskieren alles, haben nur noch Hoffnung auf ein besseres Leben: Flüchtlinge aus Afrika. Der Filmemacher Dominique Christian Mollard, der seinen Film am 18. März im Arri vorstellt, hat sie begleitet auf ihrem Weg über das Meer, der Überfahrt von Westafrika auf die Kanaren.

Zum Abschluss der Reihe, die nun bereits zum vierten Mal stattfindet, läuft am 25. März der Film "Der Fall Chodorkowski". Und auch hier dürfte das Weltgeschehen dem Film vermehrt Aufmerksamkeit bescheren, denn Anfang März wird in Russland gewählt. Chodorkowski ist der wohl berühmteste Gefangene Russlands. Der ehemalige Öl-Magnat unterstützte die Opposition und fiel bei Präsident Putin in Ungnade. So landete er wegen angeblicher Steuerhinterziehung hinter Gittern. Chodorkowski hat seine Landsleute im Vorfeld der Wahl aufgerufen, gegen Putin, der zum dritten Mal Chef im Kreml werden will, zu stimmen.

Der deutsch-russische Regisseur Cyril Tuschi begab sich jahrelang auf Spurensuche. Ob er sich der Person Chodorkowskis wirklich genähert hat, haben Filmkritiker bezweifelt, nachdem der Film im vergangenen Jahr auf der Berlinale gelaufen war. Dass er aber viel über russische Verhältnisse erzählt und deren Wahrnehmung im Westen, steht außer Zweifel.

Zurück zum Auftakt der Best.Doks-Reihe im Arri an diesem Sonntag, 19. Februar. Da läuft der Film "Skateistan". Skateistan ist zunächst einmal ein von dem Deutsch-Australier Oliver Percovich 2007 gegründetes Projekt für Kinder und Jugendliche in Afghanistan, dem 2009 eine Schule folgte, unter anderem mit finanzieller Unterstützung aus Deutschland. Etwa 400 Kinder, darunter viele Mädchen, besuchen wöchentlich den Skateistan-Sportpalast, der zugleich eine Bildungseinrichtung ist.

Der deutsche Regisseur Kai Sehr hat den Film gedreht, der im vergangenen Jahr bei der Berlinale in der Reihe Cinema for Peace lief. Der deutsche Skateistan-Mitbegründer Max Henninger wird am Sonntag auf dem Podium im Arri-Kino sitzen. Der Film zeigt das vom jahrzehntelangen Krieg gezeichnete Land, das Leid, die Angst und Zeichen des Terrors, unter denen die Menschen zu leiden haben, aber auch die oft archaisch anmutende Schönheit des Landes am Hindukusch; er zeigt Menschen, die sich nach Frieden sehnen, und die Freude der Mädchen und Jungen, die in der Skate-Schule gemeinsam ein neues, friedliches Miteinander erleben.

Best.Doks im Arri, 19. Februar bis 25 März, jeweils sonntags um 11.30 Uhr. Infos unter www.bestdoks.de

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