Bernhard will CSU-Bezirkschef bleiben:Der Unermüdliche

Mit 62 zu alt für Seehofers Kabinett - der Münchner CSU gilt Otmar Bernhard dennoch als Erneuerer. Er soll an der Spitze der Stadt-CSU bleiben.

Jan Bielicki

Der fünfte Stock im nordöstlichen Nebengebäude des Maximilianeums ist so etwas wie das Austragsstüberl des Landtags. Mit Blick ins Grün der Maximiliansanlagen haben hier viele der Abgeordneten ihr Büro, deren klingendem Ministertitel sich ein a.D. anschließt.

Bernhard will CSU-Bezirkschef bleiben: Der ehemalige Umweltminister Bernhard will wieder CSU-Bezirkschef werden.

Der ehemalige Umweltminister Bernhard will wieder CSU-Bezirkschef werden.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Auf den Türschildern stehen Namen wie Thomas Goppel, Christa Stewens, Alfred Sauter und, gleich gegenüber, Günther Beckstein. Ins Eckzimmer ist der Abgeordnete Otmar Bernhard eingezogen, Staatsminister a.D. auch er.

Doch häufiger als dort sitzt Bernhard jetzt in einem kleinen, kargen Raum in einem unauffälligen Haus in einer Seitenstraße hinter dem Stiglmaierplatz, in dem die Münchner Christsozialen ihre Geschäftsstelle haben. Minister ist er nicht mehr, aber noch Bezirkschef der München-CSU, und das will der 62-Jährige auch bleiben.

Noch hat Bernhard seine Kandidatur für die im späten Frühjahr fällige Neuwahl nicht offiziell: "Darüber werde ich erst mit meinen Parteifreunden diskutieren", sagt er. Doch intern gilt es längst als ausgemacht, dass er an der Spitze der Stadt-CSU bleibt.

Das war ein paar Wochen lang gar nicht selbstverständlich. Dass Ministerpräsident Horst Seehofer ihn nicht weiter im Kabinett haben wollte, weil er die 60 überschritten hat, die der neue starke Mann als Knackigkeitsgrenze gesetzt hatte, hat Bernhard stärker getroffen, als er nach außen zugibt.

In viereinhalb Jahren viel erreicht

Die Kabinettsbildung "kommentieren und bewerten die Wähler, wie ich vielfach feststelle", sagt er nur und braucht gar nicht mehr auszusprechen, was CSU-Wähler, die zu einem großen Teil auch jenseits der 60 sind, von der Jugendkur halten könnten, die Seehofer der Partei nach der Wahlniederlage bei der Landtagswahl verordnet hat.

Zumal Bernhard durchaus für sich in Anspruch nimmt, in seinem Amtsjahr das Umweltministerium aus Schlagzeilen heraus und zu einer auch von Umweltverbänden anerkannten Arbeit geführt zu haben. Darüber, dass sein Nachfolger Markus Söder in wenigen Wochen Amtszeit mehr Krawall gemacht hat als Bernhard in seiner gesamten politischen Karriere, mag Bernhard nur lächeln. Ein Vorgänger kommentiert nicht die Arbeit des Nachfolgers.

Aber dass er nicht mehr Minister ist, hat natürlich Auswirkungen auf die Machtbalance der München-CSU. Im Kabinett sitzt jetzt als Chef des wichtigen Kultusministeriums Ludwig Spaenle, im Münchner Parteivorstand einer von vier Stellvertretern Bernhards. "Das hat zu Spannungen geführt", weiß ein Parteifreund. Bernhard soll nicht sehr über den Eifer erfreut gewesen sein, mit dem Spaenle die Karrierechance ergriffen habe, die ihm Seehofer auf Kosten des bisherigen Münchner Vertreters am Kabinettstisch geboten hatte.

Allerdings gehört es zu dem von Bernhard in die München-CSU eingeführten Stil, solche Konflikte nicht mehr bis zum offenen Streit eskalieren zu lassen. So wird der frisch mit Ministermacht ausgestattete Spaenle nicht nach der Macht im Münchner Parteibezirk greifen. Er hat ohnehin in dem für ihn neuen Kultusministerium genug zu tun, zumal auch die Demoskopen, von denen sich auch die München-CSU die Desaster des vergangenen Wahljahres analysieren ließ, die Bildungspolitik als den Faktor ansahen, der den Christsozialen die meisten gerade der großstädtischen Wähler kostete.

"Der starke Mann der CSU München war, ist und bleibt Otmar Bernhard", sagt darum ein Getreuer. Tatsächlich hat er viel erreicht, seit er vor gut viereinhalb Jahren an die Parteispitze trat, nachdem sich seine Vorgängerin Monika Hohlmeier rettungslos in die innerparteiliche Affäre um gekaufte Mitglieder verstrickt hatte - und es sich später durch das Hantieren mit Dossiers restlos mit den Granden der München-CSU verdorben hatte.

Der Münchner Parteiverband, lange Jahre als Intrigantenstadl und Affärenclub verlässlicher Lieferant für Streit, Skandale und Skandälchen, ist unter Bernhard zur Ruhe gekommen.

München-CSU schwächer als je zuvor

Der Parteichef schaffte es, die umstrittensten Reizfiguren wie die Landtagsabgeordneten Joachim Haedke und Thomas Zimmermann, den früheren OB-Kandidaten Aribert Wolf oder den Harlachinger Kreischef Curt Niklas mit geradezu freundlicher Wärme kaltzustellen. So haben einige von ihnen noch Posten und Mandate, aber alle nicht mehr allzu viel zu sagen in der Partei.

Nur: Erfolg hat die neue Ruhe der München-CSU nicht gebracht. Nach dem Superwahljahr 2008 steht sie schwächer da als je zuvor. Nur 23 der Ihren haben es in den Stadtrat geschafft, und dass die CSU sieben ihrer acht Landtagsmandate verteidigen konnte, verdankt sie nur dem noch schwächeren Abschneiden der SPD.

Und trotzdem sieht sich der Parteichef bestärkt, den von ihm verfolgten Kurs vorsichtiger Öffnung weiterzufahren. Zum einen sieht er die Verantwortung für die Wahlniederlagen nicht bei der CSU-München liegen: "Wir haben nicht schlechter abgeschnitten als die CSU anderswo." Und schließlich beweisen ihm eben die Wahlergebnisse, dass "sich die Gesellschaft verändert und eine Volkspartei sich natürlich auch verändern muss."

Der Unermüdliche

Gerade in der Großstadt zeigt sich den Volksparteien, wie die Milieus, aus denen sie früher verlässliche Stimmen abschöpften, sich auflösen und der Stammwähler von einst, längst nicht mehr in Treue fest, Sympathien und Stimmkreuzchen immer mehr von Mal zu Mal vergibt.

Hier besitze die Metropole München "eine Seismograph-Funktion" für ganz Bayern und die Landes-CSU, glaubt Bernhard. Darum, so meint der Mann aus Pasing, müsse sich die CSU in München hin zu einer "Partei für ein großstädtisches Lebensgefühl" entwickeln - und damit auch Vorreiter für Parteigliederungen in Bayerns Mittelstädten sein.

Großstädtisch, das heißt für Bernhard vor allem: tolerant, liberal, überhaupt etwas weicher, als nur als Vertreter für Recht, Ordnung und Effizienz wahrgenommen zu werden. "Wir müssen in den weichen Themen viel stärker Flagge zeigen", glaubt er, "darauf wird in der Stadt erheblicher Wert gelegt." Und zwar, meint der oberste Christsoziale, gerade im bürgerlichen Lager, dessen Grenzen er sehr weit steckt. Sogar Wähler der Grünen rechnet er zu jener "Stammklientel, die wir zurückgewinnen müssen".

Also hat die Bernhard-CSU die Kinderbetreuung als Thema entdeckt, die Ganztagsschule, die zu großen Klassen. Sie möchte nicht mehr grundsätzlich im konservativen Affekt Nein sagen zum Bau islamischer Gotteshäuser, tut sich aber andererseits schwer, konkrete Pläne zum Bau einer Moschee wie am Gotzinger Platz, gegen die Teile der eigenen Stammklientel aufbegehren, zu befürworten.

Kein Mann des schnellen Haurucks

Der Weg kann lang werden, aber Bernhard hat sich noch nie als ein Mann des schnellen Haurucks und der einsamen Entscheidungen gezeigt. Schon die Kandidatur des von Bernhard gepäppelten Josef Schmid bei den Wahlen zum Oberbürgermeister sollte ja den Abschied von der Illusion der CSU verdeutlichen, kurzfristig die kommunale Hegemonie der SPD und des amtierenden OB Christian Ude brechen zu können.

Schmids Niederlage gegen Ude, freilich nicht so hoch, haben die CSU-Strategen einkalkuliert, und auch die Tatsache, dass viele Wählern den Christsozialen die plötzliche Entdeckung der Kinderbetreuung nicht recht glaubhaft erschien: "Das war halt immer ein von der SPD besetztes Thema", erklärt Bernhard. Aber das soll es nicht bleiben.

Tatsächlich haben Bernhard und seine Mitkämpfer jetzt erst einmal etwas Zeit. Wie die Europa- und Bundestagswahlen in diesem Jahr ausgehen, wird nicht an der München-CSU liegen.

Es werden aus Sicht der Münchner Christsozialen Horst Seehofers Wahlen sein, zumal der Parteichef für Europa Monika Hohlmeier wieder aus der Versenkung holte und als Kandidatin nach Franken schickte, zum unverhohlenen Ärger der Münchner Parteifreunde. Deren Chef Bernhard freilich, statt selber auf den Putz zu hauen, betrachtete lieber amüsiert, welchen Krach Seehofers Hohlmeier-Coup anderorts auslöste.

Über den Erfolg seines Kurses werden wohl erst die Wahlen in den Jahren 2013 (Landtag) und 2014 (Rathaus) entscheiden. Offen ist freilich, ob Otmar Bernhard dann noch an der Parteispitze stehen mag. Oder ob der neue starke Mann der CSU dann Josef Schmid heißt. Oder Ludwig Spaenle.

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