Berg am Laim:Wiedergeburt eines Idylls

Nach mehr als 20 Jahren Umbau hat die Maikäfersiedlung in Berg am Laim ihr Gesicht stark verändert, aber die Leute hier halten immer noch zusammen

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG bittet ihre Mieter der Maikäfersiedlung für Mittwoch, 13. Mai, zum Mieterfest in die neue Echardinger Einkehr. Sogar der Oberbürgermeister will kommen. Man habe Grund zum Feiern: Die Maikäfersiedlung sei fertig, die "Sanierungsarbeiten" abgeschlossen. Pressesprecher Michael Schmitt mag es kaum eingestehen, aber es klingt ein Stoßseufzer, ein kleines "endlich" durch zwischen den Zeilen des Einladungsbriefs, denn diese "Sanierung" zog sich über Jahrzehnte.

1994 wurde damit begonnen, die 1937 errichtete Siedlung umzubauen, erst 20 Jahre später, 2014, zogen die letzten Mieter in den letzten Bauabschnitt ein. Vor diesen Jahren mit Baustellen lag noch eines, in dem die Mieterinteressengemeinschaft MIG versuchte, ihre Oase vor dem Abriss zu bewahren. Da rumpelte man oft gewaltig aneinander. Heute ist die Siedlung ein Patchwork verschiedener Epochen und Baustile. Die meisten alten Maikäfer haben sich damit arrangiert, die neuen sind froh über ihre schönen Wohnungen in einer immer noch grünen Umgebung.

Die Bäume blühen, die Vögel singen, die Sonne lacht. Die GWG hätte sich keine bessere Jahreszeit suchen können für ihr Fest. Wenn man die Magistrale, die Bad-Kreuther-Straße, von der Siedlungswirtschaft aus gen Osten geht, auf die Eigenheimerhäuschen schaut und auf die älteren Neubauten mit Satteldach, könnte man fast meinen, da wäre sie noch, die alte Siedlung von damals. Die Menschen grüßen sich auf der Straße. Es ist schön, grün, friedlich.

Berg am Laim: Die Neubauten bieten mehr Platz, aber der Charme von früher fehlt.

Die Neubauten bieten mehr Platz, aber der Charme von früher fehlt.

(Foto: Robert Haas)

Auch für die GWG, die "gemeinnützige Wohnstätten- und Siedlungsgesellschaft, ist die Maikäfersiedlung etwas Besonderes: Sie ist ihr erstes Bauprojekt. Planer der Maikäfersiedlung war Guido Habers, Schwager des damaligen Wirtschaftsministers Hermann Esser, eines Mitbegründers der NSDAP. Habers soll billige Kleinstwohnungen für kinderreiche Familien bauen, keine Miete darf 20 Prozent des Bruttoeinkommens übersteigen. Der Garten dieser Volkswohnungen dient der Selbstversorgung. Auch damals wächst die Siedlung in Bauabschnitten, bis 1937 sind 421 Mietwohnungen und 190 Eigenheime fertig. Es leben fast 4000 Menschen hier. Das führt wohl zu dem Spitznamen: Hier wuselt es wie früher in einem Baum voller Maikäfer, die Menschen wohnen so dicht aufeinander wie die Käfer in einer Schuhschachtel. Den Krieg übersteht die Siedlung ohne Schäden, doch ihr Hauptbaumaterial Iporit, ein Leichtbetonstein der IG Farben aus aufgeschäumten Sand, ist anfällig für Feuchtigkeitsschäden. Die GWG saniert kaum, weil sie, so ihre Begründung, aufgrund der billigen Mieten keine Rückstellungen bilden konnte. Doch die Mieter behelfen sich selbst. Er habe im Lauf der Jahre sicherlich fast 100 000 Mark in seine alte Wohnung investiert, erzählt Herbert Meixner. 1980 kommen die U-Bahn-Stationen Innsbrucker Ring und Michaelibad, das bringt Verdichtungsdruck für diese "Substandard"-Wohnungen, wie sie nun im Fachjargon heißen. Ein Stück Kellerdecke bricht ein, weil eine junge Studentin sich eine Dusche gebaut hat. Ihr Nachbar holt " leider" die Feuerwehr, anstatt selbst zu betonieren, erzählt Meixner: Das Malheur kommt der GWG wie gerufen: Jetzt kann sie von "Einsturzgefahr" sprechen.

Die Maikäfer aber sind aufgeschreckt. Sie lieben ihre kleinen Häuschen mit den großen Gärten und glauben nicht an die Einsturzgefahr der GWG-Bauten, die Eigenheime in der Siedlung sind schließlich aus demselben Material. Im Sommer 1983 wird die MIG, die Mieterinteressengemeinschaft, gegründet. Meixner wird ihr Sprecher. Die Initiative hat schnell mehr als 250 Mitglieder - und sie wird unterstützt, etwa von SPD-Stadträtin Birgit Grube, vom jungen Hep Monatzeder oder von einem jungen Mieteranwalt namens Christian Ude.

Die GWG erklärt sich dank Zuschüssen bereit, an der St.-Michael-Straße einen direkten Vergleich möglich zu machen: Ein Block wird ersetzt, einer hergerichtet. Das Fazit war erwartbar: Die GWG kürt den Neubau zum Sieger, der Altbau habe schließlich immer noch diese niedrigen Raumhöhen. Nun streitet man also nicht mehr um das Ob, wohl aber um das Wie der Neubauten. Die MIG kämpft um niedrige Blöcke, um jeden Baum, um neue Mietergärten, um die "Bewohnerstruktur". Sie hat Erfolge: Die ersten Nachfolgebauen bekommen ein Satteldach, werden nur um ein Stockwerk höher als die früheren.

Wohnsiedlung in München, 2010

Die alte Maikäfersiedlung lebt nur noch in der Erinnerung der früheren Bewohner fort.

(Foto: Angelika Bardehle)

Weil der Zwang zum Bau von Tiefgaragen die Gärten gefährden würde, denkt man sich eine einmalige Lösung aus: Die Stadt verkauft die Kainzenbad- und Höhenstadter Straße an die GWG, sodass unter diesen nun privaten Straßen die Autos verschwinden können. Ude, inzwischen Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der GWG, spricht von "beispielhafter Sanierung". So berichtet es Bettina Seeger. Die Architektin und Maikäfer-Eigenheimerin hat die Siedlung so lieb gewonnen, dass sie 2005 sogar ein ganzes Buch über sie geschrieben hat, erschienen im Volk-Verlag.

Für manchen geht es dann nicht ganz so beispielhaft weiter, eine neue "IG Maikäfersiedlung" wird gegründet, angeführt von Heinz Gutbrunner. Diese neue Initiative prangert an, die GWG überschreite bei neuen Blöcken ihr Baurecht, verlangt Gutachten zur Verschattung. Meixner ärgert sich vor allem, dass hier nicht nur die Satteldächer aufgegeben wurden, sondern auch das Prinzip Mietergarten. Der neue gestaffelte Block an der Bad-Schachener-Straße mit den kleinen Innenhöfen zum Spielen jedoch gefällt ihm.

Das gilt auch für die Siedlungswirtschaft, die mühevoll generalsaniert wurde. Außen wirkt sie wie früher, innen schöner denn je - wenngleich ohne feste Bühne im Saal. Meixner, der früher dort für seinen Opa das Bier im Krügl holen durfte und immer ein bisschen davon probiert hat, kümmert sich nun drum, dass die alten Ofenkacheln aus der früheren Wirtschaft in der neuen einen würdigen Platz finden. Sein Onkel Rudi Rauch erinnert daran, dass in der alten Wirtschaft sogar Kurt Schumacher nach der Neugründung der Bayern-SPD nach dem Krieg übernachtet habe.

Um die alten und die neuen Maikäfer kümmert sich Walburga Hopf, die Leiterin des Bewohnertreffs, der nun die Kommunikation institutionalisiert, die früher noch ganz von selbst in der Siedlung passierte. Sie freut sich genau wie Meixner, dass wieder so viele Kinder in der Siedlung leben. Beide freuen sich auch auf das Fest und die Ausstellung, die die GWG neben der Apotheke plant. Sie habe keine Lust auf die Lobhudelei der GWG, habe eine Bewohnerin ihm gesagt, berichtet Meixner. Doch er hat seinen Frieden gemacht: Was helfe alle Nostalgie und aller Ruf nach der alten Heimat? "Die Zeiten ändern sich halt", sagt Meixner.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: