Berg am Laim:Durch die Hintertür

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Umstrittene Adresse: das Bürohaus Berg-am-Laim-Straße 127 bis 129. (Foto: Schunk)

Das Sozialreferat plant, im leer stehenden Bürogebäude an der Berg-am-Laim-Straße 400 Flüchtlinge unterzubringen

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Diese Adresse füllte vor einigen Jahren die Schlagzeilen: Berg-am-Laim-Straße 127 bis 129. Ein Investor wollte ein Billig-Hotel mit Minimalstandard im leer stehenden Verwaltungsbau der früheren Pharma-Firma Klinge realisieren. Die Nachbarn fürchteten ein "Arbeiter-Massenlager oder sogar eine Riesen-Asylbewerberunterkunft". Es gab Proteste, wütende Bürger aus der angrenzenden Wohnanlage. Der rechtsextreme Stadtrat Karl Richter sprang auf den Zug auf. Mühsam befriedete der Bezirksausschuss (BA) die Lage, die sich vollends entspannte, als dort ein anderes Hotel genehmigt wurde. Doch das wurde nicht realisiert. Und nun ist die Immobilie tatsächlich in der Prüfung für eine Asylbewerberunterkunft. Die Rede ist von 400 Flüchtlingen.

Ein hochsensibler Standort in den Augen des BA, der auf Umwegen davon gehört hatte und daher in seiner jüngsten Sitzung das Thema nicht öffentlich dabattierte. Inzwischen hat das Sozialreferat den Fraktionen diese Option mitgeteilt, sodass auch der BA-Vorsitzende Robert Kulzer (SPD) keine Veranlassung mehr sieht, Stillschweigen zu bewahren: "Am liebsten wäre mir, wir könnten das verhindern." Ähnlich äußert sich CSU-Sprecher Fabian Ewald: "Ich bin froh, dass wir da an einem Strang ziehen."

Kulzer ist sicher: "Da gehen die Nachbarn auf die Barrikaden." Es gebe im Gewerbegebiet bereits zwei Heime für Wohnungslose und eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Gut laufe es mit den minderjährigen Flüchtlingen im ehemaligen Hotel Eisenreich. Die Kirche plant an der Josephsburgstraße eine kleine Unterkunft, die Stadt einen Festbau am U-Bahnhof Michaelibad. Seit Jahren existiere die Asylbewerber-Anlage an der St.-Veit-Straße. Und über den Sommer will das Sozialreferat die alte Zündapp-Halle im Werksviertel mit bis zu 200 Menschen belegen. Bald käme der kleine Stadtteil auf tausend Flüchtlinge - "mehr als andere Stadtbezirke und jede Umlandgemeinde".

Und nun 400 weitere Flüchtlinge an der Berg-am-Laim-Straße, für Kulzer eine viel zu hohe Dichte. Er fürchtet auch eine lange Nutzungsdauer, damit sich die Investitionen in das heruntergekommene Haus lohnen. Die jahrelangen Bemühungen des Städtebauförderungsprojektes Soziale Stadt um eine sinnvolle Gebietsentwicklung würde das konterkarieren. Und die Grundschule gegenüber, die bereits jetzt aus allen Nähten platzt, könne die neuen Kinder nicht aufnehmen, ergänzt Fabian Ewald.

Sozialreferatssprecher Frank Boos bestätigt, dass der Standort im Gespräch sei, weil man jedes Bett brauche. Ob er jedoch dem Stadtrat am 12. August vorgeschlagen wird, werde derzeit geprüft. Ewald kritisiert, dass bei dieser Terminwahl ein Mitwirken des Bezirksausschusses gar nicht vorgesehen ist: "Wir sollen den Bürgern die Standorte vermitteln, mitreden lassen sie uns nicht."

Ähnlichen Ärger gab es vorher auch im öffentlichen Teil der Sitzung. Kulzer hatte erfolglos versucht, wegen der Zwischennutzung der Zündapp-Halle einen Vertreter des Sozialreferates einzuladen - und erklärte, dass es "blöd aussieht", wenn das Amt Transparenz verspricht, dann aber nicht kommt. Nun aber wolle man sich in wenigen Tagen zu einen Ortstermin mit dem Sozialreferat treffen.

Diskussionen gab es dann noch wegen der erst kürzlich eröffneten Unterkunft im Gewerbegebiet Neumarkter Straße. Thomas und Silvia Miglanz wohnen direkt nebenan, die Fenster gehen zum selben Innenhof wie die der Unterkunft. Das Paar schilderte "Wohnen im permanenten Dauerlärm" fast rund um die Uhr. Die Hausordnung drüben werde nicht eingehalten. Die Betreuer seien nett, erreichten aber nur kurzzeitig Ruhe, die Polizei sei beim ersten Mal gekommen, beim zweiten Mal vorbeigefahren.

Den Wunsch der Anlieger nach einem Wachdienst rund um die Uhr und baulichem Lärmschutz trägt der Bezirksausschuss Berg am Laim mit. Er versprach ferner, bei der Regierung von Oberbayern zu intervenieren. An der St.-Veit-Straße funktioniere die Nachbarschaft problemlos, das sollte an der Neumarkter Straße wohl auch hinzubekommen sein, erklärte Sozialausschuss-Sprecher Anton Spitlbauer (CSU).

© SZ vom 31.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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