Beichten im Wohnmobil:Vergebung zwischen Raftingbooten

Beichtmobil

Beichtmobil Pater Hermann-Josef Hubka und das Beichtmobil der päpstliche Stiftung "Kirche in Not"

(Foto: Elisa Britzelmeier)

Beichtmobil auf Tour: Ein päpstliches Hilfswerk versucht, das Sakrament mit einem rollenden Beichtstuhl populärer zu machen - ausgerechnet auf einer Freizeitmesse. Bei einem Besuch verrät der mobile Beichtvater, was er mit Psychologen gemeinsam hat, warum er oft auf Ablehnung stößt und ob ihm schon einmal ein Mord gebeichtet wurde.

Von Elisa Britzelmeier

Perfekt geschminkte Hostessen verteilen Infoblätter, Raftingboote demonstrieren die eigene Belastbarkeit und mediterrane Länder werben mit ihren Sehenswürdigkeiten. Vorbei an neapolitanischen Volkssängern, direkt am Wohnmobil-Fuhrpark, erwartet die Besucher der Münchner Freizeit- und Reisemesse "f.re.e" aber auch etwas ganz anderes: das Beichtmobil von Pater Hermann-Josef Hubka.

Ein älterer weißer VW-Bus, in roter Schrift steht "Beichtmobil" darauf. Mit ihm zieht Pater Hermann-Josef durch die Lande. Ein Schild hat er daneben aufgestellt. "Ich habe Zeit für Sie", heißt es da. Und darunter: "Gespräch - Seelsorge - Beichte". Darum geht es dem katholischen Ordenspriester jedenfalls in erster Linie: das Gespräch.

In München herrscht bisher noch kein allzu großer Andrang vor dem Beichtmobil, das seit neun Jahren im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs ist. Ein einziger Katholik hat heute die Beichte abgelegt. Vier Tage lang steht der VW-Bus hier auf dem Messegelände. Inmitten von Reisevorschlägen und Freizeittipps. Der Duft von italienischer Mortadella und Espresso liegt in der Luft. Im Vergleich zu den werbenden Tourismusvertretern um ihn herum wirkt der Pater recht zurückhaltend.

"Beichtmobil, aha! Was haben Sie denn so zu bieten?"

Zwei ältere Damen schlendern vorbei, mit Reisekatalogen und Umhängetaschen bepackt. "Beichtmobil, aha!", ruft die eine aus. "Was haben Sie denn so zu bieten?" Der Pater erklärt, er unterstütze Gegenden, in denen sonst oft keine Beichte möglich wäre. Neugierige Messebesucher, die vielleicht noch nie mit dem Sakrament in Kontakt waren, gehen genauso zu ihm wie die, die sich laut Hubka "etwas von der Seele reden wollen".

Zum zweiten Mal ist er jetzt schon auf der "f.re.e". Seiner Meinung nach lohnt sich der Besuch. Die direkte Beichte vor Ort steht nicht im Vordergrund, doch nach der Messe bemerkt der Ordenspriester mehr Zuschriften und Anrufe. Er setzt auf den Wiedererkennungswert seines Beichtmobils. Warum er ausgerechnet auf einer Freizeit- und Reisemesse steht? Pater Hermann-Josef hofft, die Menschen in einer entspannten Atmosphäre zu erreichen.

Beichtmobil

Mit der Bibel unterwegs: Beichten im Wohnmobil.

(Foto: Elisa Britzelmeier)

Ist der Kopf einmal weg vom Alltag, sind viele vielleicht offen für Neues. "Ja, Freizeitmesse und Beichtmobil passen zusammen", finden auch die beiden Damen. Generell gehe er schon immer wieder mal beichten, erzählt ein anderer Messebesucher. "Aber hier eher nicht!" Eine interessierte Frau meint dagegen, dass das Beichtmobil bestimmt gerade Leute anspreche, "die sich in ein Gotteshaus nicht hinein trauen". Ob diese Menschen sich allerdings in den kleinen VW-Bus so direkt Angesicht zu Angesicht mit dem Pater setzen wollen?

Geschäftsleute huschen zum Beichtvater

Die meiste Zeit steht Hermann-Josef Hubka vor seinem Bus, wartet ab. Viele Besucher laufen erst vorbei und kommen dann doch nochmal zurück. "Aber dann gibt es hier auf der Messe auch Geschäftsleute, die in einer ruhigen Minute zu mir herein gehuscht kommen." Dabei ginge es meist um akute Schwierigkeiten.

Hubka spricht ruhig und langsam. Sein etwas wilder Bart reicht über das schwarze Kollarhemd bis an die Brust. Er strahlt Verständnis aus. Mit den verschiedensten Anliegen vertrauen sich die Menschen ihm an. Dabei geht es auch um Gewalt und Kriminalität. Ob bei ihm schon einmal jemand einen Mord gebeichtet habe? Der Pater schaut einen Moment ins Leere. Dann sagt er bedacht: "Da kommt alles Mögliche." Er hält kurz inne. "Das kann schon mal schlimm sein." Gerade wenn ältere Leute ihre Erlebnisse aus dem Krieg aufarbeiteten, sei es auch für ihn schwer, "natürlich".

"Die Beichte ist ein gewaltiges Angebot"

Er erzählt von verschiedenen belastenden Situationen: "Wenn zum Beispiel jemand seine Familie zerstört hat, dann steht er da mit einem Trümmerhaufen. Da ist die Beichte ein gewaltiges Angebot." Früher einmal hat Hubka als Gefängnispfarrer gearbeitet. Nicht mal dort, meint er, seien die Menschen "abgrundtief böse". Man lerne, dass hinter jeder Geschichte ein Stück Lebensgeschichte stehe. "Falsch wird dann oft erst später als falsches erkannt."

Draußen am Messestand, vor dem Beichtmobil, ist der angekündigte Papst-Rücktritt zurzeit ein Thema, auf das er oft angesprochen wird. "Was sagen Sie zu Benedikt?", lautet dann auch gleich die erste Frage einer Messebesucherin aus dem Donau-Ries. "Ein guter Papst", antwortet Hermann-Josef Hubka. Mutig sei sein Rücktritt.

Wenn er nicht im Beichtmobil oder mit Reisegruppen durch Europa unterwegs ist, wohnt der Ordenspriester in einem Kloster in Waghäusel bei Karlsruhe. Etwa die Hälfte des Jahres ist er auf der Strecke. Die Ausstattung des Beichtmobils gleicht der eines kleinen Campingbusses. "Man könnte hier auch schlafen. Aber so asketisch bin ich dann doch wieder nicht", meint er.

"Der Psychologe ist heute, was der Pfarrer früher war"

In Zeiten, in denen das Interesse am Glauben gerade bei jungen Menschen gering ist, lässt sich die Kirche einiges einfallen, um den Anschluss nicht zu verlieren. "Die Beichte war in den Jahren zuvor ins Hintertreffen geraten", schildert Pater Hubka. Viele Ältere gehen dagegen gewissermaßen aus Gewohnheit zur Beichte. "Bei mir im Ort gibt es noch Leute, die beichten wegen Nichtigkeiten. Weil sie am Freitag Fleisch gegessen haben zum Beispiel", weiß eine Frau zu berichten. Auch der Pater schmunzelt da kurz. Dann aber sagt er ernst: "Ich steuere nicht die Häufigkeit der Besuche. Ich darf nicht beurteilen, was Sünde ist und was nicht."

Eine Besucherin meint, es müsse nicht unbedingt die Beichte sein. "Aber nach einem guten Gespräch mit einem Kirchenvertreter fühle ich mich trotzdem erleichtert." Ob sie das auch anderswo finden könne? "Der Psychologe ist ja heute, was der Pfarrer früher war", findet ihre Bekannte.

Was ein Gespräch anbelange, gibt der Pater ihr da Recht. Möglicherweise kann ein Psychologe sogar mehr erreichen als ein Beichtvater. "Aber bei der Beichte geht es noch einmal um etwas anderes", erklärt er: Das Schuldproblem, das aufgehoben werde. "In der Beichte liegt etwas Geheimnisvolles. Die Loslösung von der Sünde durch etwas Spirituelles. Das Sakrament geht in die Richtung eines Wunders."

Neu ist die Idee mit dem Beichtmobil nicht. Zu Beginn, im Jahr 2004, hatte selbst Hermann-Josef Hubka seine Zweifel an dem Konzept. Dann stieß er auf unerwartet große Resonanz. "Da habe ich schon gestaunt." Sein erstes Gespräch im Beichtmobil führte er dann nicht einmal mit einem Christen - sondern mit einem Muslim. Einen neuen Trend zum Beichten hat er deswegen allerdings auch nicht ausmachen können.

Misstrauen und Ablehnung begegnen dem Pater immer wieder

Nicht immer entsteht die Art von Gespräch, die der Pater im Sinn hat. Misstrauen und Ablehnung begegnen ihm immer wieder. "In Berlin hat mich einmal jemand mit einem Ei beworfen, vom Fenster aus." Der Pater sieht solche Vorkommnisse jedoch gelassen. "Manche fühlen sich persönlich von mir provoziert. Vielleicht haben sie negative Erfahrungen gemacht. Das kommt vor, jeder muss mal Dampf ablassen."

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