Bayerischer Filmpreis:Wie aus der Kerstin die Molly wurde

Bayerischer Filmpreis: Molly von Fürstenberg war eine der ersten Frauen, die in München Filme produziert haben.

Molly von Fürstenberg war eine der ersten Frauen, die in München Filme produziert haben.

(Foto: Nikolaus von Fürstenberg)

Eigentlich spricht Molly von Fürstenberg nicht gerne vor großem Publikum. Ihr wird jedoch nichts anderes übrig bleiben. Die Produzentin wird für ihr Lebenswerk geehrt.

Von Bernhard Blöchl

Sie übte Ballett mit Pina Bausch und jobbte in einem Bierzelt mit Hanna Schygulla. Sie ging mit Rainer Werner Fassbinder auf die Schauspielschule und erlebte Sönke Wortmann als Fahrer. Sie lernte die Süskinds am Starnberger See kennen und übernahm Bernd Eichingers Büroräume in der Münchner Tengstraße. Die Frau, die so viele Geschichten zu erzählen hat, sagt: "Oh Gott, ich muss reden."

Händeschütteln mit Horst Seehofer

Im vergangenen November erfuhr Molly von Fürstenberg, dass sie beim Bayerischen Filmpreis am 15. Januar den Ehrenpreis des Ministerpräsidenten erhalten wird. "Ich bin da wirklich sehr erschrocken", sagt sie - und ergänzt: "Natürlich habe ich mich gefreut." Auch wenn sie nicht gern vor einem großen Publikum spricht, am Freitag wird sie es müssen.

Dann findet im Prinzregententheater die Gala statt, an deren Ende Horst Seehofer ihr die Hand schütteln wird. Er wird sie dafür lobpreisen, dass es ihr über viele Jahre gelungen ist, künstlerischen Anspruch mit Popularität zu vereinen. Erfolgreiche Kinotitel werden genannt werden, "Der bewegte Mann" zum Beispiel, "Mädchen, Mädchen" oder "Kirschblüten - Hanami".

Die Münchner Produzentin, die 1942 als Kerstin Dobbertin in Staßfurt bei Magdeburg geboren wurde, bezeichnet sich selbst als "eine eher zurückhaltende Person". Den großen Auftritt überlässt sie anderen. Den Schauspielern, die sie mit ihrer Firma Olga Film gefördert hat, den Ochsenknechts, Lauterbachs, Schweigers. Den Regisseuren und Autoren, die sie und ihre Kollegen entdeckt und aufgebaut haben, darunter Wortmann, Marco Kreuzpaintner und Katja von Garnier. Allen voran Doris Dörrie: Zusammen machen die Weggefährtinnen gerade das Arthouse-Projekt "Grüße aus Fukushima", sieben Filme haben sie bereits gemeinsam ins Kino gebracht.

fukushima

Zu ihren Weggefährtinnen gehört vor allem Doris Dörrie (beim Dreh zu "Grüße aus Fukushima").

(Foto: oh)

Die richtigen Leute zur richtigen Zeit

Obwohl sie als eine der ersten und wichtigsten Filmproduzentinnen in München gilt, findet man in den Presse-Archiven und im Internet kaum etwas über Molly von Fürstenberg. Begegnet man der eleganten Dame mit der herzlichen Aura, dann weiß man bald, warum das so ist. Meist gibt sie sich bescheiden, hebt Kollegen hervor und beschwört den Teamgedanken. Angesprochen auf Seehofers Begründung, sie sei wegweisend für den neuen deutschen Film gewesen, sagt sie: "Es war ja nicht nur ich. Es war immer Gemeinschaftsarbeit! Wegweisend würde ich nicht sagen. Wir haben sehr viel Glück gehabt." Glück, Wortmanns erste Filme gemacht zu haben. Glück, mit der Autorenfilmerin Doris Dörrie und - in den Siebzigern - mit Hans Noever zusammengearbeitet zu haben. Glück, den richtigen Leuten zur richtigen Zeit begegnet zu sein.

Wenig Geld, aber ein wunderbares Büro

Molly von Fürstenbergs Karriere ist auch die Erfolgsgeschichte von Olga Film, und die hat nicht nur mit Glück, sondern vor allem mit Mut und dem Wunsch nach Selbstständigkeit zu tun. Es war 1974, als drei Frauen eine Firma in der männlich dominierten Filmbranche gründeten: "Meine Freundinnen Elvira Senft und Denyse Noever haben mich gefragt, ob wir nicht eine Filmfirma aufmachen wollen, mit dem Ziel, selber zu produzieren." Dahinter sei der Wunsch nach Selbstständigkeit gestanden. "Es hatte schon etwas Besonderes und auch etwas Naives. Wir haben gedacht: Wir schaffen das schon. Und so ist es ja auch gekommen." Widerstände habe sie nie wirklich bemerkt. "Ich glaube eher, dass man es toll fand, dass wir das gemacht haben."

Mit der Erfahrung und den Kontakten, die sie zuvor beim Filmverlag der Autoren gesammelt hatten, machten sich die Gründerinnen daran, die Branche aufzumischen. "Als wir anfingen, haben wir uns zunächst mit Casting beschäftigt, das gab es ja damals noch nicht. Wir haben ganz wenig Geld verdient, hatten aber ein wunderbares Büro am Nikolaiplatz, wo die Schauspieler ein- und ausgingen. Wir haben herrliche Zeiten erlebt."

München als Sehnsuchtsort

Kirschblüten - Hanami

Eine szene aus dem Film "Kirschblüten - Hanami".

(Foto: oh)

Später, als die Firma gewachsen war, ist das Büro in die Tengstraße umgezogen. Hier hat das Team goldene Zeiten erlebt mit Hits wie Dörries "Männer" oder Wortmanns charmanter Komödie "Kleine Haie". "Als wir anfingen, war der Neue Deutsche Film da mit all den Autorenfilmern", sagt von Fürstenberg. "Im Laufe der Zeit hat es sich dahin entwickelt, dass wir immer mehr zum Mainstream kamen. Und das ist ja auch in Ordnung. Aber klar, wir möchten immer noch Qualität mit Publikumswirksamkeit verbinden."

Freilich gab es auch Flops ("Alles inklusive") und Rückschläge. Als Mädchen kam Kerstin Dobbertin mit ihrer Familie aus der DDR nach Essen-Werden. Dort probierte sie sich im Tanz aus sowie in Jobs, die sie nicht mochte. "Ich war damals sehr unglücklich. München war immer ein Sehnsuchtsort für mich." Mit dem Ziel, Schauspielerin zu werden, brach sie in den Süden auf, wo sie spannende Menschen kennenlernte und Kontakte in der Branche knüpfte.

Der Schauspielunterricht am Friedl-Leonhard-Studio führte zwar nur zu kleineren Rollen, brachte sie aber mit Fassbinder und Schygulla zusammen, die ebenfalls dort studierten. "Eines stimmt allerdings nicht", betont die Produzentin: "dass ich Schauspielerin bei Fassbinder war."

Inzwischen hat von Fürstenberg die 70 überschritten. 2009 hat sie die Geschäftsführung der Olga Film abgegeben. "Das ist mir nicht so leicht gefallen. Film ist mein Leben, ich hatte nie andere Schwerpunkte. Mein Rückzug ist ein langsames Loslassen", sagt sie und blickt durch ihre runden Brillengläser aus dem Fenster des Konferenzraumes. In Sichtweite befindet sich ihr Büro, in dem sie noch an den letzten Projekten arbeitet.

Wie aus der Kerstin die Molly wurde

Einen Film, über den sie nicht sprechen dürfe, wolle sie nach "Fukushima" noch machen, sagt sie. Zwar pendle sie nicht mehr täglich von Pürgen bei Landsberg nach München, aber oft genug, um ihrer Arbeit engagiert nachgehen zu können. Ansonsten möchte sie lesen und "viel mit meinem Mann verreisen".

Bleibt noch die Frage, wie aus der Kerstin die Molly wurde. Ihren Namen habe sie immer als zu hart empfunden, sagt sie, deshalb kam ihr der Spitzname, den unter anderen Rainer Werner Fassbinder gebrauchte, gerade recht. Welche Assoziationen Fassbinder mit Molly gehabt habe, darüber schweigt sich von Fürstenberg aus. Man muss ja nicht über alles reden.

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