Bayerische Küche:Das ist die älteste Wirtschaft Münchens

Bayerische Küche: Unmittelbar neben der Kirche St. Georg steht der Alte Wirt.

Unmittelbar neben der Kirche St. Georg steht der Alte Wirt.

(Foto: Catherina Hess)

Der Alte Wirt von Obermenzing feiert sein 600-jähriges Bestehen. Tatsächlich dürfte die Gaststätte sogar noch vor 1417 gegründet worden sein.

Von Franz Kotteder

Der Alte Wirt zu Obermenzing an der Dorfstraße ist ein eigenartiges Phänomen, denn es gibt eine ganze Menge Leute, die sowohl sein 500- als auch sein 600-jähriges Bestehen gefeiert haben und noch feiern werden. Zum Beispiel der ehemalige Abgeordnete und Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU). Der war schon 1977 bei der 500-Jahrfeier dabei. So wie Adolf Thurner, der Menzinger Dorfschreiber und Hobby-Historiker. Er ist übrigens schuld daran, dass schon 40 Jahre nach jener großen Festveranstaltung an diesem Wochenende das 600-jährige Bestehen des Wirtshauses gefeiert wird. Es ist damit die älteste Wirtschaft der Stadt, die ohne Unterbrechung und ohne nennenswerte Schließtage Gäste mit Speis' und Trank bewirtet.

Herausgefunden hat Thurner das, als er im Bayerischen Hauptstaatsarchiv mal wieder alte Dokumente aus den Familienarchiven der Freiherren von Berchem sichtete, die einst die Lehensherren von Menzing gewesen sind. Dort stieß er auf ein Verzeichnis von Urkunden, aus dem hervorging, dass die Obermenzinger Tafernwirtschaft am 20. Juli 1417 an einen neuen Besitzer übergeben worden ist.

Das ist der Grund, warum nun das 600-jährige Bestehen des Wirtshauses gefeiert werden kann. Genaugenommen bedeutet das aber auch, dass es sogar noch älter ist als 600 Jahre, weil ja ausdrücklich von der Übergabe einer schon bestehenden Wirtschaft die Rede ist. Wenn Thurner also weiterhin so fleißig alte Akten durchforstet, kann es schon sein, dass er auf noch ältere Nachweise stößt. Es ist noch Luft nach unten, sozusagen, denn Menzing feiert in diesem Jahr sein 1200-jähriges Bestehen, ist also doppelt so alt wie sein Wirtshaus.

So oder so: der Alte Wirt hat wahrlich eine bewegte Geschichte hinter sich. Entstanden ist er an dieser Stelle wohl wegen einer Furt, die unweit des Wirtshauses über die Würm führte, und wegen der Kirche St. Georg, die unmittelbar daneben steht. Lange bestand die Wirtschaft nur aus der Gaststube im Erdgeschoß, später kam im ersten Stock der Saal hinzu, der als Tanzboden diente und als Gerichtssaal, in dem der Landrichter aus Dachau einfachere Gerichtsfälle entschied. Zweiter und dritter Stock kamen dann 1677 hinzu.

Immer gehörte die Wirtschaft aber dem reichsten Bauern in der Gegend, der damit noch ordentlich dazu verdiente, bis 1867 sind es vermutlich an die 34 verschiedenen Familien gewesen. Den letzten Wirt, der auch Eigentümer war, hatte man dann beim Bierpanschen ertappt und ihm die Ausschanklizenz entzogen. Daraufhin verheiratete er seine Tochter mit einem anderen Menzinger Bauern, dem er dann gleich das Wirtshaus verpachtete.

Grundsolide bayerische Wirtshausküche

Seither führen Pächter die Geschäfte, das heutige Wirtsehepaar Renate und Manfred Schlegl ist das sechzehnte und auch schon 13 Jahre da. Sie bieten grundsolide bayerische Wirtshausküche mit Speisen, die man zum Teil kaum noch bekommt, wie etwa Spanferkelleber oder kälberne Milzwurst oder auch ein klassisches Münchner Schnitzel mit Senf unter der Panade. Seit zehn Jahren schenkt man im Alten Wirt Augustinerbier aus, weshalb am Sonntag auch das Prachtgespann der Brauerei zu den Jubiläumsfeierlichkeiten anrückt. Dabei hat der Alte Wirt seit 1912 der Monachia gehört, der Immobiliengesellschaft von Löwenbräu. Die Brauerei kaufte damals viele Wirtshäuser auf, um sich dort den Ausschank zu sichern.

Die Monachia stellte spätestens in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts aber fest, dass sie damit auch einen gewaltigen Bestand an maroder Bausubstanz zusammengesammelt hatte, und begann sich nach und nach von ihrem Haus- und Grundbesitz wieder zu trennen. Es erwies sich dann als Glücksfall, dass sie den Alten Wirt an die Gräfelfinger Bauunternehmer Max und Inge Kerscher veräußerte.

Das Ehepaar Kerscher hat nämlich eine besondere Schwäche für alte Gasthäuser, hat unter anderem auch die Inselmühle in Allach und die Aubinger Einkehr erworben und aufwendig renoviert. 1985 kauften sie den Alten Wirt, investierten ein kleines Vermögen in die Sanierung des Gebäudes und machten daraus wieder ein Schmuckstück. Der beinahe schon baufällige Tanzboden im ersten Stock wurde durch schwere Stahlträger gestützt, die historische Decke des Saales wieder freigelegt. Es gibt jetzt einen Kutschertisch und eine Klause, eine Kirchenstube, eine Jagd- und eine Gewölbestube.

Und natürlich einen Biergarten mit 500 Plätzen, auf der Seite zur Pippinger Straße hin, den die Wirtsleute als "traumhaft" bezeichnen und dabei wirklich nicht angeben: Ihn könnte man, so wie er ist, unretuschiert in jeden Tourismusprospekt über Bayerns Schönheiten aufnehmen. Wenn das Wetter mitspielt, dann gibt es dort am Wochenende von zehn Uhr vormittags an auch noch Volksmusik und Volkstanz. Die "Greatest Hits" aus 600 Jahren, gewissermaßen.

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