Bauvorhaben:Zu nah auf die Rinde gerückt

Bauvorhaben: Bitte Abstand halten: Auf dem Grundstück vor dieser mächtigen Stieleiche sollen drei Reihenhäuser gebaut werden, was die Stadt ablehnt.

Bitte Abstand halten: Auf dem Grundstück vor dieser mächtigen Stieleiche sollen drei Reihenhäuser gebaut werden, was die Stadt ablehnt.

(Foto: Robert Haas)

Auf einem als Garten genutzten Grundstück an der Krüner Straße will der Eigentümer drei Reihenhäuser errichten. Die Stadt lehnt das Projekt ab, weil es eine mächtige Eiche gefährdet, das einzige Naturdenkmal des Viertels

Von Berthold Neff, Sendling-Westpark

Seit Jahrhunderten steht die mächtige Stieleiche schon da, trutzte allen Gefahren. Selbst der Orkan Kyrill, der vor zehn Jahren über Europa zog, vermochte ihr nichts anzuhaben, nur einen ihrer weit geschwungenen Äste musste sie ihm opfern. Nun aber ist dieser Baum, das einzige Naturdenkmal des gesamten Viertels, in Gefahr - durch einen Neubau, der ganz nah an ihn heranrücken würde und den deshalb die städtische Lokalbaukommission durch Bescheid vom 5. September abgelehnt hat.

Drei Reihenhäuser will der Architekt Lutz Heese, von 2003 bis 2016 Präsident der Bayerischen Architektenkammer und derzeit deren Ehrenpräsident, an der Krüner Straße errichten. Die Häuser sollten im Anschluss an eine lange Reihe mit 17 Reihenhäusern entstehen, die sich von der Hausnummer 97 bis zur Nummer 129 hinziehen. Heese ist Eigentümer des letzten - derzeit vermieteten - Hauses in dieser Reihe und will auf der als Garten genutzten Fläche Richtung Eiche die drei weitere Reihenhäuser errichten.

Im Bezirksausschuss Sendling-Westpark stieß er mit seinem Antrag auf keinerlei Widerstand, das Vorhaben wurde zustimmend zur Kenntnis genommen. Den Mitgliedern des Stadtviertel-Gremiums war offenbar nicht bewusst, dass just an der Grundstücksgrenze die imposante Stieleiche steht, das einzige Naturdenkmal des Viertels, gelistet unter Nummer 1/7, Flur-Nummer 8782/19 und den Stichworten "hohes Alter, im dortigen Bereich in diesem Ausmaß selten". Im ablehnenden Bescheid der Lokalbaukommission wird der Baum wie folgt beschrieben: "Dominante, äußerst erhaltenswerte, straßen- und quartiersprägende Eiche", mit einem Stammumfang von 4,74 Metern, was einem Stammdurchmesser von 1,50 Metern entspricht.

Daraus kann man auf ein hohes Alter schließen. Zum Vergleich: Die Eiche im Nymphenburger Schlosspark, die der Orkan Niklas im Frühjahr 2015 fällte, hatte mit 1,20 Metern einen kleineren Stammdurchmesser, wurde aber auf ein Alter von etwa 400 Jahren geschätzt. Es ist also durchaus möglich, dass die knorrige Stieleiche schon zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges an dieser Stelle stand.

Die Lokalbaukommission stützt ihr Nein auf Paragraf 28 des Bundesnaturschutzgesetzes, der den Umgang mit Naturdenkmälern regelt. Demnach ist es verboten, "Naturdenkmäler zu beseitigen oder Handlungen vorzunehmen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturdenkmals führen können". Bei Baumdenkmälern ist insbesondere auch das Ausasten und das Abbrechen von Zweigen, das Verletzen der Rinde und des Wurzelwerkes oder jede sonstige Störung des Wachstums verboten. Genau dies jedoch sieht die Behörde durch den geplanten Neubau gegeben.

Den gesetzlichen Vorgaben entsprechend müsse bei gewöhnlichen Bäumen zwischen der Abgrabung für den Bau und der Außenkante des Stammes ein Abstand gewahrt sein, der viermal größer als der Stammumfang ist. Bei einem Naturdenkmal würden noch höhere Anforderungen gestellt, "um jegliche Beeinträchtigung des Baumes auszuschließen", so dass in diesem Fall selbst knapp 19 Meter, das Vierfache des Stammumfangs, nicht ausreichten. Hinzu komme, dass man den Wurzelbereich dieser Eiche nicht nach dem derzeitigen Umfang ihrer Krone definieren könne. Diese sei früher deutlich größer gewesen, habe aber einen mächtigen Ast durch den Orkan Kyrill eingebüßt.

Der Lokalbaukommission ist es im Übrigen rätselhaft, wo man angesichts der räumlichen Enge noch Platz für die Gärten der drei Reihenhäuser finden will. Außerhalb der Baumkrone verbleibe kein ausreichender Gartenanteil, der Schatten und die gerbsäurehaltigen Blätter machten eine Gartennutzung unmöglich. Fazit der Behörde: "Daher wird das Vorhaben abgelehnt."

Antragsteller Lutz Heese versteht diese Entscheidung nicht und hat dagegen bereits Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht. Der 69 Jahre alte Architekt sagte auf Anfrage der SZ, er habe ein Gutachten eines vereidigten Sachverständigen vorgelegt, wonach das Bauprojekt "die Eiche nicht in Mitleidenschaft ziehen" werde, "dieser Eiche geschieht nichts". Die Häuser würden einen Abstand von zwei Metern zur Krone einhalten. Um den Wurzeln nicht zu nahe zu kommen, würden die Häuser nur teilweise, zur Straße hin, unterkellert. Heese sagte, es habe sogar schon einen Ortstermin mit der Lokalbaukommission gegeben, bei diesem Abstimmungsgespräch sei "alles abgeklärt" worden. Deshalb könne er die Ablehnung "nicht nachvollziehen". Heese hält den Bau von "drei kleinen Reihenhäusern angesichts der Wohnungsmisere für gerechtfertigt".

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