Bauvorhaben:Biker in der Schwebe

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Abflug: Die Radsportler vom Verein "Tretlager" wollen von der Stadt Gewissheit über ihre Zukunft.

(Foto: Stefan Dyrna)

Die Radsportler vom Verein "Tretlager" haben sich am Salzsenderweg mit viel Aufwand einen Dirtpark gebaut. Nun sollen sie dem Neubau des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums weichen und pochen auf ein Ausweichquartier

Von Ulrike Steinbacher, Englschalking

Das marode Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium am östlichen Ende des Arabellaparks wird nicht saniert, sondern woanders neu gebaut. So hat es der Stadtrat im Juni 2016 beschlossen, und der Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen hat zugestimmt, wenn auch mit Bauchschmerzen. Seine Mitglieder hoffen nämlich, dass dadurch später einmal ein zusätzliches Gymnasium für den Stadtbezirk herausspringt - am heutigen Hausenstein-Standort. Zu schaffen macht den Stadtviertelvertretern aber, dass auch sie den neuen Standort der Schule nicht gerade ideal finden: Sie soll am Salzsenderweg im Fideliopark entstehen, auf einer Fläche, die als Klimapark geplant war, als Frischluftschneise für das Viertel. Nun wird mittendrin ein sechszügiges Gymnasium samt Dreifachturnhalle und Allwetterplatz gebaut.

Es gibt Kritik an dem Projekt. Sie wurde auch in der Bürgerversammlung Ende Oktober wieder laut, wenn auch nicht mehr so harsch wie im vergangenen Jahr. Es fand sich eine Mehrheit für den Antrag, statt den Park zuzubauen lieber einen Schulcampus auf dem Gelände der benachbarten Grund- und Mittelschule an der Knappertsbuschstraße zu errichten. Die Forderung, möglichst schnell die Gutachten zu Umwelt-, Verkehrs- und Lärmauswirkungen des Projekts zu veröffentlichen und damit die Basis für eine sinnvolle Bürgerbeteiligung zu schaffen, wurde sogar ohne Gegenstimme angenommen.

Wie umfangreich diese Bürgerbeteiligung ausfallen wird, darüber bestehen aber offenbar unterschiedliche Auffassungen. Der Bezirksausschuss geht davon aus, dass die Bürger bei einem Workshop ihre Meinung äußern und an der Planung mitarbeiten können. Ein solcher Termin hätte eigentlich schon im Juli stattfinden sollen, war aber "aufgrund noch notwendiger Abstimmungen zwischen den Referaten" abgesagt worden", wie eine Sprecherin des Referats für Bildung und Sport (RBS) auf Anfrage erklärte. Nun sei "Ende des Jahres eine Infoveranstaltung für die Beteiligten (Schulfamilie, Nachbarschaft etc.)" geplant. Wie schon der Name sagt, sind bei einer Infoveranstaltung allerdings deutlich weniger Mitsprachemöglichkeiten vorgesehen als bei einem Workshop.

Die gut 150 Mitglieder des Vereins Tretlager dagegen wären schon froh, wenn sie zumindest mal Informationen bekämen. Der Radsportverein hat nach jahrelanger Odyssee 2011 von der Stadt im Fideliopark ein 5500 Quadratmeter großes Gelände bekommen und dort in Eigenarbeit einen Dirtpark angelegt. Der Pachtvertrag läuft zwar eigentlich noch fünf Jahre, doch jetzt kommt den Radsportlern der Hausenstein-Neubau in die Quere. Seinetwegen müssen sie ihr Gelände vorzeitig räumen.

Erfahren haben sie davon aber nur aus der Zeitung, sagt Tretlager-Sprecher Moritz Kistenfeger. Bisher habe man vom Referat für Bildung und Sport nur unverbindliche Aussagen gehört. Dabei "wird ja unser gesamtes Gelände überplant". Und vor drei Wochen, so Kistenfeger, habe das Baureferat schon mal mitgeteilt, dass es das Areal jetzt vermessen wolle. "So kann man mit dem Verein nicht umgehen", wetterten Petra Cockrell und Xaver Finkenzeller (beide CSU) in einem Antrag. Der BA fordert, die Stadt müsse mit den Tretlager-Leuten Gespräche über das Gelände führen.

Der Dirtpark am Salzsenderweg ist aus Radsportler-Perspektive ein kleines Kunstwerk - nichts, was man so einfach aus dem Boden stampft. Der Bagger wurde nur fürs Grobe eingesetzt, das Modellieren der Strecken und Sprünge war größtenteils Handarbeit. Und permanente Handarbeit sei auch für die Pflege der Tracks und Lines mit den 40 Sprüngen erforderlich. Etwa 15 000 Euro haben die Vereinsmitglieder in ihren Dirtpark investiert, den größten Batzen in die Baggermiete. Der eigentliche Aufwand ist die viele ehrenamtliche Arbeit für Bau und Pflege der Strecken. Etwa 2100 Stunden pro Jahr seien das, schätzt der Verein. Herausgekommen ist dabei eine Anlage, deren Wert die ursprüngliche Investitionssumme um das Zehnfache übersteigt, zumindest wenn es nach der Schweizer Firma Velosolutions geht. Der Dienstleister für BMX- und Mountainbike-Strecken schätzt den Wert des Dirtparks auf 125 000 Euro. Für einen Umzug fordert der Verein einen Ausgleich, sowohl für seinen Verlust als auch für eine neue Anlage. Die Ersatzfläche müsse mindestens 3000 Quadratmeter groß und erschlossen sein und einen U-Bahn-Anschluss haben, weil man in Bus und Tram keine Räder transportieren könne. Und schließlich wollen die Radsportler diesmal einen Pachtvertrag für mindestens 20 Jahre.

Dem Referat für Bildung und Sport können sie ihre Forderungen "im Lauf des November" vortragen, wie dessen Sprecherin sagt. Dann soll der versprochene runde Tisch stattfinden. Derzeit suche die Stadt nach "einem geeigneten Alternativstandort". Ein Termin für den Umzug stehe noch nicht fest, erklärt die Sprecherin, es sei aber auf jeden Fall noch Zeit: "Dies wird erst bei der Fertigstellung des neuen Schulgebäudes notwendig sein."

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