Baustelle im Untergrund:Schotter schaufeln

Alles muss raus: Zur Sanierung der U 3 zwischen Scheidplatz und Münchner Freiheit sollen die Röhren bis Ende des Jahres leer geräumt sein

Von Andreas Schubert

Der Weg in den Untergrund führt über eine steile, versteckte Treppe, die sonst als Fluchtweg dient. Unten dann: Dämmerlicht, Staub und Lärm. Und immer wieder muss man aufpassen, dass man nicht von einem Radlader über den Haufen gefahren wird. Da würde dann auch der Plastikhelm nichts mehr helfen, den sie einem zu Beginn der Führung verpasst haben.

Baustellenbesichtigung in 19 Metern Tiefe: Zwischen Scheidplatz und Münchner Freiheit wird seit Oktober in beiden Richtungen eine je zwei Kilometer lange Strecke der U 3 totalsaniert. Alles muss raus: Schienen, Schwellen, Kabel, Signale, Stromschienen. Der kurz vor den Olympischen Spielen 1972 eröffnete Streckenabschnitt war mit den Jahren so durch, dass nur noch ein kompletter Rück- und Neubau der Gleisanlagen sinnvoll war. Vor allem der Schotter bereitete Probleme, was auf dieser Strecke den ganzen Aufwand und die monatelange Totalsperrung erst notwendig machte. Der Schotter war mit der Zeit unter den schweren Betonschwellen teilweise zermahlen worden und war so nicht mehr richtig tragfähig. Die wie zu Sand geschredderten Granitsteine führen plastisch vor Augen, welche Kräfte beim Durchrauschen eines 150 Tonnen schweren Zuges mit bis zu 80 Stundenkilometern frei werden.

Mit Holzschwellen, wie sie bei den sonstigen U-Bahnlinien Münchens verwendet wurden, gebe es dieses Problem aber nicht, erklärt Ingo Wortmann, Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Heute kann kein Mensch mehr erklären, warum man damals beim Bau Beton verwendet hat. Die Folgen sind vier Jahrzehnte später teuer: Zehn Millionen Euro investieren die Stadtwerke München, die Muttergesellschaft der MVG, in das Projekt - alles inklusive. Und der Aufwand ist enorm: Am U-Bahnhof Bonner Platz sieht es ein bisschen aus wie in einer Mine. Ein Radlader kippt alten Schotter auf ein Förderband, das ihn auf das gegenüberliegende Gleis schippert. Dort nimmt ein anderer Radlader das alte Material auf die Schaufel und bringt es zu einem Luftschacht, wo es mit einem Bagger an die Oberfläche geschaufelt wird.

Der Weg durch die stillgelegte U-Bahnröhre wird begleitet von einem ständigen Dröhnen der Baumaschinen. Während der Führung wird ganz normal weitergearbeitet, was die Sache nicht ganz ungefährlich macht: Es ist nicht so, dass die schweren Baumaschinen bremsen würden, wenn sie durch den Tunnel rauschen. Da hilft es nur, sich in Sicherheit zu bringen und an die Wand zu drücken.

Bauleiter Sebastian Pfannenstill vom Bauunternehmen Spitzke und MVG-Projektleiterin Susann Wunderlich erklären derweil, was eigentlich genau da unten im Tunnel vor sich geht. Noch bevor sie die Röhren leer geräumt haben, wurden mit Bauzügen die neuen Schienen schon angeliefert und an den Seitenwänden gelagert. Am Bonner Platz ist derweil eine Entlüftungsanlage installiert, die den beim Baggern aufgewirbelten Staub wirksam durch riesige Schläuche mit zwei Metern Durchmesser absaugt. An der Oberfläche wird die Abluft gefiltert und ins Freie geblasen. "Das ist sauberer als die normale Stadtluft", versichert Susann Wunderlich.

Bis 1. April wird die Strecke voraussichtlich gesperrt sein. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun. Ende des Jahres werden die Altlasten beseitigt sein, der alte Schotter wird gesäubert und recycelt, das neue Gestein wird derzeit noch in Pasing gelagert. Wenn dieses in den Tunnel eingebracht ist, werden die neuen Schienen und die neuen Holzschwellen verlegt. Im März schließlich montieren die Arbeiter dann die Stromschienen und die Streckentechnik. Zusätzlich wollen die Stadtwerke gleich auch noch zwei Weichen am Scheidplatz erneuern. In den nächsten Jahren werden weitere Strecken des U-Bahn-Netzes saniert, sagt MVG-Sprecher Matthias Korte. "Aber nicht in diesem Umfang." Fest steht, dass nach bis zu 45 Jahren Betrieb viele Gleisanlagen so abgenutzt sind, dass sie ausgetauscht werden müssen. Fahrgäste sollten sich also immer wieder auf Einschränkungen gefasst machen.

Die 22 Wochen währende Sperrung des U-3-Abschnitts hat den Stadtwerken im Vorfeld einiges an Kritik eingebracht. Unter anderem monierten Fahrgäste und Stadträte, man hätte die Umbauten im Sommer stattfinden lassen sollen, wenn weniger los sei in der U-Bahn. Die SWM hatten dagegengehalten, man brauche die Ersatzbusse im Sommer - wenn am Tramnetz gewerkelt wird.

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