Bauspekulation Einhalt gebieten:Eigenprojekte und Genossenschaften

"Frisch, aber nicht in allem frei" vom 27. September:

Die neu gegründete Genossenschaft "Kooperative Großstadt" will in sehr guter Absicht nun das tun, was auch die Stadt München lange vernachlässigt oder sogar aktiv verhindert hat. Der gierigen Wohnungsspekulation Einhalt gebieten mit eigenen Projekten ohne monetäre Gewinnabsichten. Das ist keine leichte Aufgabe, wie die Gründungsmitglieder nun nach einem langen Planungsvorlauf für ihr erstes Projekt "San Riemo" feststellen konnten. Wenn das nun vorliegende Ergebnis dieses Prozesses die "frischen Ideen" darstellt, die den Münchner Wohnungsmarkt verändern sollen, dann möge die Lokalbaukommission verhindern, dass diese Ideen zur Ausführung gelangen. Wer sich die Mühe macht und die Webseite des in der Überarbeitung siegreichen Leipziger Architekturbüros besucht und dort die Vorentwurfsplanung anschaut, den befällt das kalte Grausen. Der in der SZ abgebildete Fassadenausschnitt spiegelt die einfallslose, schematische Grundrisskonfiguration wieder. Die durchlaufenden Balkone in allen Geschossen sind zu Wartungszwecken, aber nicht zur Benutzung geeignet. Zudem sind alle gezeigten Grundrissvarianten baurechtlich hinsichtlich notwendiger Fluchtwege und baulichem Brandschutz unzulässig geplant. Diese Planung ist eine Zumutung für die künftigen Nutzer und für jeden Betrachter sowie ein Armutszeugnis für die Architekten.

Es ist bedauerlich, dass dieses in jeder Hinsicht dilettantische Planungsergebnis eine sehr sinnvolle und notwendige Kehrtwende konterkariert, um die ungezügelte Spekulationsgier von Investoren und Bauträgern in München und anderswo mit genossenschaftlichem Bauen einzudämmen. Warum muss für eine solche gesellschaftlich notwendige Aufgabe das Rad wieder neu erfunden werden? Wo es gebaute gute Beispiele auch in München zu besichtigen gibt, die funktional und gestalterisch seit hundert Jahren aufzeigen, wie einfach und langfristig nachhaltig Bauen tatsächlich sein kann. Da lässt sich sehr gut nachvollziehen, warum Planen und Bauen von größeren Objekten ehemals die Aufgabe von Architekten im Sinne Karl Friedrich Schinkels war, "Gebrauchsfähiges, Nützliches, Zweckmäßiges schön zu machen".

Bernhard Schubert, München

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