Bauarbeiten:Einzelhändler leiden unter den Baustellen in der Innenstadt

Bauarbeiten: Die Arbeiter haben die Pflastersteine abgetragen, die Straße aufgerissen und die Erde aufgegraben.

Die Arbeiter haben die Pflastersteine abgetragen, die Straße aufgerissen und die Erde aufgegraben.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Straßen, Häuser, S-Bahn-Tunnel: In Münchens Zentrum wird momentan viel gegraben, am auffälligsten am Marienhof.
  • Die Händler halten das einerseits für ein tolles Signal dafür, dass sich die Stadt entwickelt.
  • Andererseits ist es für die Geschäfte in der Innenstadt "nicht gerade verkaufsfördernd", wie ein Händlerverein mitteilt.

Von Nina Bovensiepen und Pia Ratzesberger

Das Loch ist noch immer da. Die Arbeiter haben die Pflastersteine abgetragen, die Straße aufgerissen und die Erde aufgegraben. Sie haben das Loch abgesperrt und Reflektoren aufgestellt. Und wenn Michaela Faul nun aus dem Schaufenster sieht, liegt da ein Graben zwischen ihr und ihrer Kundschaft. Um in den Juwelierladen zu gelangen, müssen die Passanten an manchen Tagen am Laden vorbei, bis zur nächsten Holzstrebe gehen, dann erst können sie hinüber.

Auf der anderen Seite verkauft Michaela Faul bei Wempe Uhren und Diamanten und Ringe, seit 19 Jahren schon, momentan aber macht sie nicht so viel Geschäft wie gewohnt. "Das ist schon sehr schädigend", sagt Faul. Die Leute könnten nicht wie sonst bis an die Schaufenster treten, nicht die Auslagen sehen. Die Innenstadt ist eine Baustelle, und nicht nur in der Weinstraße klagen die Händler darüber.

In Münchens Zentrum wird momentan viel gegraben, am auffälligsten wohl am Marienhof, direkt gegenüber von Fauls Schaufenster. Wo früher Rasen lag, stehen nun Bagger, die Stadtwerke verlegen Leitungen, schaffen Platz für die gewaltige Baugrube, in der ab dem kommenden Jahr für die Zweite Stammstrecke gearbeitet wird, für die unterirdischen Bahnsteige in 40 Metern Tiefe.

In der Dienerstraße, in der Theatinerstraße und in der Weinstraße verlegen die Stadtwerke Leitungen, das Fernwärmenetz soll größer werden, deshalb auch die Baustelle vor der Haustüre des Juwelierladens Wempe.

Am Marienplatz lässt das Baureferat die Pflastersteine gegen Platten austauschen, am Hofgraben die Straße sanieren, am Sendlinger Tor erneuern die Stadtwerke den U-Bahnhof. Am Thomas-Wimmer-Ring baut ein Investor eine neue Tiefgarage, am Rindermarkt erweitert Sport Schuster sein Stammhaus und baut neu, und in der Weinstraße ist gerade ein neues Eckhaus fertig geworden. Die Frage ist mittlerweile nicht mehr, wo gerade eine Baustelle die Stadt blockiert - sondern, wo nicht.

Bei Kustermann am Viktualienmarkt zum Beispiel, dem traditionellen Haushaltswarengeschäft, seien wegen der Baustellen in den vergangenen Monaten etwa 20 Prozent weniger Kunden in den Laden gekommen. "Rückgänge in dieser Größenordnung sind für den Einzelhandel existenzgefährdend", sagt Caspar Friedrich Brauckmann, Geschäftsführer von Kustermann.

Bauarbeiten: Baustellen- statt Fußgängerzone: Rund um den Marienhof sind die Eingriffe am größten.

Baustellen- statt Fußgängerzone: Rund um den Marienhof sind die Eingriffe am größten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Natürlich müsse sich eine Stadt erneuern, die Verwaltung informiere die Händler auch stets über die neuesten Baustellen, mit der Planung aber sei man unzufrieden. Die Fassade von Kustermann war während der Baustellen kaum mehr zu erkennen, man habe deshalb Werbebanner anbringen wollen, die Genehmigung aber habe nicht geklappt. Auch die Fassaden der Läden in der Schrammstraße sind von fern kaum mehr zu erkennen, wegen der Absperrungen für die Zweite Stammstrecke.

Beim Verein Citypartner, einem Zusammenschluss von Münchner Händlern, heißt es, die vielen Arbeiten seien einerseits ein "tolles Signal": dass für die Stadt Geld ausgegeben werde, dass man sich um München kümmere. Andererseits seien die Baustellen aber "nicht gerade verkaufsfördernd". Manche Unternehmer überlegen sich mittlerweile zweimal, ob sie ein Geschäft denn überhaupt noch eröffnen.

Allmählich normalisiert sich der Betrieb

Johann Schmaunz zum Beispiel hatte ein Ladenlokal in der Landschaftsstraße angemietet, dann aber begannen die Bauarbeiten für die Zweite Stammstrecke und er löste den Vertrag wieder auf, das war vor etwa einem Jahr. "Wer will schon ein Café eröffnen, wenn es draußen immer laut und dreckig ist". Schmaunz arbeitet ums Eck in einem Schuhladen mit, ein Familienbetrieb. Auch dort merkte er vor allem zu Beginn der vielen Baustellen, dass weniger Kunden kamen.

Gegenüber von seinem Geschäft rissen Baggerschaufeln ein Haus ein, laut und dreckig. Allmählich aber normalisiere sich der Betrieb, auch weil das neue Haus gegenüber nun hochgezogen ist, die Absperrtafeln wohl bald wegkommen. Was "normalisieren" in Zahlen bedeutet und wie viel Umsatz bis dahin verloren sein wird, will Schmaunz nicht sagen.

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