Basic-Lidl-Allianz:"Der Boom verändert den Bio-Markt"

Karl Schweisfurth fürchtet als Chef der Herrmannsdorfer Landwerkstätten, dass das schnelle Wachstum der Branche zu Lasten der Qualität geht. Die neuen Eigentumsverhältnisse bei Basic sieht er kritisch.

Bernd Kastner

Die Allianz zwischen Basic und Lidl, zwischen Bio-Supermarkt und Discounter, wirft viele Fragen auf: Greift der Billig-Trend auf den Bio-Markt über? Geht der Bio-Boom zu Lasten der Qualität? Die SZ sprach mit Karl Schweisfurth, Chef der Herrmannsdorfer Landwerkstätten, über die Zukunft der Branche.

SZ: "Jetzt reicht's", haben Sie gesagt und angekündigt, Basic künftig nicht mehr zu beliefern. Warum?

Schweisfurth: Wir sind nicht die Einzigen, die sehr beunruhigt sind. Der Lieferstopp war eine für uns wichtige Entscheidung. Wir verfolgen einen bestimmten Weg - regional, handwerklich, wollen fairer Mittler sein zwischen Bauern und Verbraucher. Und Basic strebt nach eigenen Angaben schnelles Wachstum und günstige Preise durch Kostensenkung an. Wir können da nicht mitmachen, schon aus Kapazitätsgründen.

SZ: Ist der Lieferstopp auf die Basic-Allianz mit der Schwarz-Gruppe zurückzuführen, zu der auch Lidl gehört?

Schweisfurth: Ja. Lidl bedeutet für uns die Gefahr eines Imageschadens. Das merken wir nun auch an den Reaktionen unserer Kunden, die begrüßen unsere Entscheidung.

SZ: War die Ehe mit einem kapitalstarken Konzern denn nicht absehbar für einen Insider wie Sie?

Schweisfurth: Niemand hätte gedacht, dass die Entwicklung so schnell in diese konventionelle Richtung geht ...

SZ: ... trotz Ihrer familiären Kontakte? Ihr Bruder Georg ist doch Basic-Gründer und einer der Hauptaktionäre.

Schweisfurth: Es gab bei Basic offenbar eine Stillhalte-Vereinbarung. Ich habe es zeitgleich mit der Öffentlichkeit erfahren. Mein Bruder ist sehr traurig darüber, mein Vater übrigens auch. Das nimmt ihn sehr mit.

SZ: Einverstanden waren Sie mit der Basic-Politik schon länger nicht mehr.

Schweisfurth: Wir haben zum Beispiel vor zwei Jahren einen Brief bekommen, wie alle Hersteller, in dem wir zu einem Baukostenzuschuss aufgefordert wurden für neue Basic-Filialen. Immer wenn Basic einen neuen Markt eröffnet, hätten wir Geld überweisen sollen. Das passt aber nicht zu fairem Handel.

„Der Boom verändert den Bio-Markt“

SZ: Haben Sie gezahlt?

Schweisfurth: Nein.

SZ: Basic argumentiert, dass sich der Schwarz-Konzern wandle und man jedem diese Chance geben müsse ...

Schweisfurth: ... klar, keine Frage.

SZ: Auch ihr Vater hat sich durch den Verkauf von Herta und die Übernahme von Herrmannsdorf, wenn man so will, vom Saulus zum Paulus gewandelt. Trauen Sie Schwarz das nicht zu?

Schweisfurth: Ich will das nicht ausschließen, ich kenne den Konzern nicht näher. Man fragt sich aber: Ist das ehrlich gemeint, oder geht es darum, das Image aufzupolieren? Klar ist jedenfalls: So ein Wandel kann nicht von heute auf morgen geschehen. Lidl hat sich positioniert im Markt, und zwar mit billigen Preisen. Die erzeugen Druck auf Lieferanten und Mitarbeiter. Diese Politik zu ändern, geht nur sehr, sehr langsam.

SZ: Halten Sie die Basic-Schwarz-Allianz für einen Dammbruch, der die ethischen Ansprüche der Branche wegspült?

Schweisfurth: Das weiß man noch nicht. Viele springen derzeit auf den Bio-Zug auf, in Herstellung und Handel. Durch diesen Boom aber kommen andere Praktiken in die Branche hinein und andere Personen. Es sind nicht die Menschen, die vom ursprünglichen Bio-Gedanken geprägt wurden. Nun geht es um Geschäftspolitik.

SZ: Ist das verwerflich?

Schweisfurth: Nein, aber dadurch verändert sich die Branche. Bio ist ein Wachstumsmarkt, und in einem Wachstumsmarkt werden alle ganz aufgeregt. Wachsen ist ja nicht schlimm, aber immer bedächtig, mit Augenmaß. Das ist unser Credo.

SZ: Sie predigen zwar Regionalität, liefern aber selbst quer durch die Republik. Wie passt das zusammen?

Schweisfurth: Wir sind nicht ideologisch. Auch wir brauchten gewisses Wachstum, um unsere Anlagen auszulasten. Dafür waren neue Kunden nötig.

SZ: Würde sich die ganze Branche nach Ihrer Philosophie des langsamen, organischen Wachstums richten, würde Bio in zehn Jahren noch immer ein Nischendasein fristen.

Schweisfurth: Natürlich, die Branche als Ganzes muss schneller wachsen als wir in Herrmannsdorf. Ich gehe davon aus, dass sie sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln wird. Hier die Firmen, die mehr auf das Regionale und Soziale setzen, es braucht einen fairen Preis für die heimische Landwirtschaft. Und dort die Linie, die auf große Mengen setzt. Künftig wird jeder Verbraucher entscheiden können, was er will.

„Der Boom verändert den Bio-Markt“

SZ: Aber es gibt längst Lieferengpässe.

Schweisfurth: Das Wachstum wird gedeckt aus dem Ausland, die neuen EU-Länder im Osten setzen ganz stark auf Bio, aber immer mehr kommt auch aus dem fernen Ausland. Eine traurige Entwicklung.

SZ: Warum stellen denn nicht mehr Bauern auf Bio um?

Schweisfurth: Das hat mehrere Gründe. Erstens, die Subventionen, von denen die Landwirte leider leben müssen, werden eingefroren oder gekürzt. Zweitens, die Preise steigen zwar leicht, sind aber noch nicht so hoch, dass es sich für die Bauern rentieren würde. Und drittens haben wir eine starke Konkurrenz mit nachwachsenden Rohstoffen wie Raps, die nehmen der Lebensmittelproduktion immer mehr Flächen weg.

SZ: Wie kann der Kunde sichergehen, dass der Bio-Apfel aus Argentinien wirklich Bio ist?

Schweisfurth: Bio ist zu 100 Prozent gewährleistet, das wird streng kontrolliert, auch im Ausland. Aber natürlich ist die Gefahr betrügerischer Machenschaften nicht gering, weil der Preisunterschied zwischen konventioneller und biologischer Ware groß ist. Das kann Kriminelle anlocken, die zum Beispiel konventionelles Obst als Bio verkaufen.

SZ: Und wie sieht es mit der Behandlung und Bezahlung der Arbeiter auf den Plantagen im Ausland aus?

Schweisfurth: Der Begriff "fair" ist nicht zertifiziert. Bei manchen Firmen kann man sicher sein, bei anderen weniger. Am besten, man schaut sich die Firmen genau an.

SZ: Kann man noch von Bio sprechen, wenn das Obst in Südafrika zwar ohne Gift wächst, für den Transport aber Unmengen CO2 emittiert werden?

Schweisfurth: In der Öko-Verordnung der EU steht nichts über die Größe der Betriebe, faire Preise und auch nichts über Transportwege. Als Verbraucher muss ich entscheiden, welchen Nutzen ich will. Geht es mir um meine eigene Gesundheit, darum, dass die Tiere gut gelebt haben, dass die Bauern gut bezahlt werden oder die Wege kurz sind? Es gibt diese verschiedenen Stufen. Grundsätzlich beobachte ich, dass die Bemühungen um Qualität in umfassendem Sinne bei Bioprodukten eher zurückgehen. Heute beschäftigen sich viele in der Branche mehr mit Wachstum als mit Qualitätsverbesserung. Jetzt geht's darum, wer der Marktführer ist in diesem Rennen.

SZ: Haben Sie Angst, in diesem Rennen aus der Bahn zu fliegen? Schweisfurth: Es wird auch in Zukunft Platz für alle sein. Neben den Großen werden sich ganz viele lokale Betriebe entwickeln, die schaffen auch mehr Arbeitsplätze als ein paar Große.

SZ: Wäre es nicht begrüßenswert, wenn Bio-Ware billiger würde?

Schweisfurth: Natürlich sollte jeder in den Genuss von Bio kommen. Statt Billig-Bio wünsche ich mir aber etwas anderes: In den vergangenen Jahren stieg die Arbeitslosigkeit, die Leute hatten weniger Geld, die Lebensmittel wurden billiger. Ich hoffe, dass sich diese Spirale umkehrt. Es geht wirtschaftlich aufwärts, die Leute haben mehr Geld, können in hochwertige Lebensmittel investieren. Dadurch bekommen sie bessere Qualität und schaffen fair bezahlte Arbeitsplätze in der Region. Es würden also viele profitieren von einer anderen Einstellung.

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