Bar Antiquariat:Lokal der zweiten Wahl

Freundliche Bedienungen, leckere Antipasti und reichlich Auswahl an Spirituosen, eigentlich ist alles da, nur Gemütlichkeit will nicht aufkommen. Deshalb bleibt die Bar Antiquariat immer die zweite Wahl des Abends - allerdings mit einem der besten Hugos der Stadt.

Judith Liere

Es gibt Bars, die sind der Überlaufbehälter des Nachtlebens, das Auffangbecken für all jene, die keinen Platz mehr gefunden haben an dem Ort, zu dem sie eigentlich wollten. Ein bisschen frustriert steht man dann vor dem vollgepackten Erstwahl-Lokal, bis man die leere Bar direkt nebenan entdeckt und resigniert sagt: "Dann lass' uns halt einfach dahin setzen."

Bar Antiquariat: Lila Licht hinter der Theke, Kugellampen an der Decke: Die Bar Antiquariat an der Schellingstraße.

Lila Licht hinter der Theke, Kugellampen an der Decke: Die Bar Antiquariat an der Schellingstraße.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Bar Antiquariat ist so ein Zweitwahl-Lokal. Um Erstziel zu sein, ist sie ein wenig zu beliebig. Eigentlich ist alles ganz nett gemacht: Lila Licht leuchtet hinter der Theke, hübsche Kugellampen hängen von der Decke, die Möbel sind aus dunklem Holz. Aber wirklich charmant oder besonders wirkt das alles nicht - eher wie ein Franchise-Coffeeshop oder die 08/15-designte Lobby eines neu eröffneten Hotels.

An den Wänden stellen im Sechs-Wochen-Rhythmus wechselnde Künstler aus, zurzeit hängen dort Fotografien von Louisa Marie Summer. Kunst in Räumen, die nicht in erster Linie für Kunst bestimmt sind, ist oft problematisch. Zu viele Posterdrucke von Miró oder van Gogh in Wartezimmern von Ärzten und Behörden haben die Wahrnehmung dafür verdorben, verhindern leider, dass man in ihnen mehr als bloße Dekoration sieht.

Dass in der Bar Antiquariat keine angenehme Atmosphäre aufkommen will, liegt zum großen Teil an den Sitzmöbeln, die Gemütlichkeit schlicht verhindern: An den hohen Tischen sitzt man auf Barhockern und auf Lederbänken an der Wand. Nun wurden Barhocker aber eben für die Bar erfunden, weil sie da zweckmäßig sind. Sie sind schmal und nehmen wenig Platz weg und sie sind hoch genug, um über den Tresen zu schauen.

Bequem sind sie aber nicht: Man muss umständlich hochklettern, kann sich nicht anlehnen, weiß nicht, wohin mit Jacke und Handtasche, die Füße baumeln in der Luft oder finden mühsam Halt auf den Fußstützen. Auf Barhockern muss man mit geradem Rücken sitzen, fläzt man sich nach vorne, wirkt man schnell wie Barney aus den "Simpsons", Dauergast am Tresen von Moe's Taverne.

Man kann der Bar Antiquariat, die Anfang dieses Jahres in den Räumen eines ehemaligen Buchladens eröffnete, also nur zu neuen Möbeln raten - oder den Gästen empfehlen, im Sommer zu kommen, wenn man draußen an der Schellingstraße sitzen kann. Denn sonst macht der Laden alles richtig: Die Bedienungen sind freundlich und italienisch, die Cocktails (um 7,50 Euro) sind gut und der Hugo (5,50 Euro) ist einer der besten der Stadt.

Die Alkoholauswahl ist mit sieben Sorten Wodka und vier Sorten Gin ordentlich. Sehr leckere Antipasti und andere italienische Kleinigkeiten kommen vom Lo Studente nebenan, trinkt man noch einen Negroni oder einen Campari Orange dazu, fühlt man sich fast wie in Norditalien beim abendlichen Aperitivo.

Das schätzen auch die Stammgäste, die offenbar Nachbarn oder Freunde sind, und vom Personal mit Küsschen begrüßt und freundlich beplaudert werden. Mit ein bisschen mehr Individualität und Charme bei der Inneneinrichtung könnten es sicher noch mehr werden.

Bar Antiquariat, Schellingstraße 32, www.bar-antiquariat.com, täglich von 17.30 bis 1 Uhr

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