Banken:Wie München mit dem Nullzins umgeht

Banken: Das Geld auf dem Sparkonto horten, das lohnt sich nicht mehr. Wohin also mit der Kohle - raushauen? Oder doch lieber in Aktien und Immobilien anlegen?

Das Geld auf dem Sparkonto horten, das lohnt sich nicht mehr. Wohin also mit der Kohle - raushauen? Oder doch lieber in Aktien und Immobilien anlegen?

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Sparer müssen zur Zeit ihre Zinsen hinter der Kommastelle suchen. Auf welche Alternativen die Münchner stattdessen setzen.

Von Pia Ratzesberger

Gebückt humpelt der Bankdirektor in den Raum, um seinen neuesten Kunden anzuwerben. Die buschigen Augenbrauen zusammengezogen, den Zeigefinger gestreckt, nähert sich der Greis dem kleinen Jungen und fordert seine gesparten Münzen. Die nämlich gehörten auf die Bank, "es vermehrt sich das Ersparte durch Zinse", knarzt der Alte. Doch sein Gegenüber umklammert das Geld in seiner Faust nur noch fester, während der Bankdirektor vom sich selbst mehrenden Reichtum schwadroniert. Als der Senior dem Jungen gierig die Münzen entreißt, brüllt der Aspirant nur: "Ich will mein Geld zurück, ich will mein Geld zurück."

Dem Versprechen vom sich selbst mehrenden Vermögen traut Michael Banks nicht, mit seinen Münzen will der kleine Junge in der Verfilmung von "Mary Poppins" aus den Sechzigerjahren lieber Vogelfutter kaufen. Würde Michael Banks heute eine Bank betreten, er würde sich wohl erst recht gegen das Sparkonto entscheiden: Denn das Versprechen des greisen Bankdirektors ist schon lange gebrochen.

Mehr Wachstum, das erhofft sich zumindest EZB-Chef Draghi

Wer einer Bank heute Geld leiht, muss die Zinsen hinter der Kommastelle suchen. Die Münchner Stadtsparkasse etwa zahlt für ein Sparkonto mit dreimonatiger Kündigungsfrist 0,01 Prozent Zinsen, bei der Münchner Bank sind es 0,05 Prozent und bei der Hypo-Vereinsbank (HVB) liegen die Zinsen für ein Sparkonto ohne feste Laufzeit je nach Guthaben ebenfalls zwischen 0,01 und 0,05 Prozent.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erst Anfang März den Leitzins noch einmal gesenkt, von 0,5 auf null Prozent. Keine Zinsen, mehr Wachstum, mehr Inflation, das erhofft sich zumindest EZB-Chef Mario Draghi. Banken können sich nun umsonst Geld von der Notenbank leihen und noch billigere Kredite vergeben. Unternehmen können sich nahezu kostenlos verschulden, für neue Maschinen, neue Fabriken.

Sparen aber soll sich nicht mehr lohnen; auch nicht für den strebsamen Kleinsparer, der Monat für Monat Teile seines Gehalts auf seinem Konto hortet. Immerhin ist die Inflation derzeit so niedrig, dass sie das Vermögen nicht schrumpfen lässt. Renditen aber von drei bis fünf Prozent, die sind Geschichte.

Das geliebte rote Sparbuch hat Konkurrenz bekommen

Lösen die Münchner nun also ihre Sparbücher auf, um in der Kaufingerstraße zu prassen? Verschwenden sie ihr Geld lieber, als es sich mickrig verzinsen zu lassen? Fragt man bei den Banken in der Stadt nach, hört sich das nicht danach an: Sparkonten auflösen, nein, davon bekomme man nichts mit. Die Beziehung zum Geld aber, die habe sich verändert. Das sonst so geliebte rote Sparbuch hat Konkurrenz bekommen, mehr Leute wagen es, ihr Vermögen an der Börse anzulegen.

Der Anteil der Aktienbesitzer in München ist ohnehin fast doppelt so hoch wie im deutschen Durchschnitt, mehr als jeder sechste investiert hier in Firmenanteile - nun werden es noch mehr. Das bemerkt man zum Beispiel bei der Hypo-Vereinsbank oder aber auch bei der Stadtsparkasse, bei der das Geschäft mit Wertpapieren im vergangenen Berichtsjahr um ungefähr ein Drittel gewachsen ist.

"Wir haben keine fetten Jahre"

"Bisher hat sich der Deutsche zwar Sorgen um sein Geld gemacht, sich aber nicht darum gekümmert, das ändert sich nun langsam", sagt ein Sprecher der Raiffeisenbank Isar-Loisachtal. Dabei ist es nicht so, dass es sich erst jetzt lohnen würde, einen Teil seines Vermögens in Wertpapieren anzulegen. Wer etwa von 1965 bis 2015 in die DAX-Unternehmen investierte, machte in den meisten dieser 50 Jahre im Schnitt Gewinn, mit Renditen von sechs oder acht Prozent. Die Börse aber galt dennoch vielen als Spielplatz für Zocker.

Erst die bedrohliche Null bei den Zinsen überzeugt nun manche Skeptiker, zudem verführt sie zum Immobilienkauf. Immer mehr Münchner wollen die Zeit der Nullzinsen nutzen, um Häuser und Wohnungen zu erwerben oder selbst zu bauen, bei Banken in München und dem Umland steigt die Nachfrage nach Baukrediten. Die Münchner bringen ziemlich viel eigenes Geld mit, der HVB zufolge liegt der Anteil an Eigenkapital von Immobilienfinanzierungen bei bis zu 50 Prozent.

Wer sich bisher kein Haus leisten konnte, sollte nicht bauen

Wer sich aber bisher kein Haus und keine Wohnungen leisten konnte, der sollte sich auch jetzt nicht zum Bauherrn erheben: Kredite müssen getilgt werden, auch wenn die Zinsen wieder steigen. Mieten können ausfallen, Sanierungen das Ersparte vernichten. Im Münchner Raum werde derzeit viel "recht billig" gebaut, sagt Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern. Dazu kommt: Die Mietpreise sind in München zwar horrend, der Quadratmeter kostet schon einmal mehr als 15 Euro; dennoch steigen die Mieten lange nicht so schnell wie die Kaufpreise.

Die Banken selbst bangen um ihr klassisches Geschäftsmodell, das sich seit Jahrhunderten bewährt hat und das der Nullzins nun ins Wanken bringt: Eine Bank verlangt von ihren Schuldnern etwas höhere Zinsen für das geliehene Geld, den Gläubigern zahlt sie etwas niedrigere Zinsen für eben diese Leihgabe, die Differenz ist ihr Gewinn. Bei null Zinsen aber - null Gewinn.

Die Münchner Stadtsparkasse etwa hat bereits im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Euro weniger an Zinsen verdient als im Vorjahr, insgesamt waren es 287 Millionen Euro. "Das im letzten Jahr erzielte Betriebsergebnis werden wir mit der EZB-Nullzinspolitik in diesem Jahr voraussichtlich nicht mehr halten können", sagt der Vorstandsvorsitzende Ralf Fleischer. Auch bei der Raiffeisenbank Isar-Loisachtal heißt es: "Wir haben keine fetten Jahre."

Man müsse sparen, mehr Kunden gewinnen, Filialen rentabler machen, das hört man bei den meisten Banken. Und höhere Gebühren für die Kunden? Darauf will sich noch niemand festlegen. Höhere Abgaben sind nun einmal um einiges unattraktiver als das Versprechen des alten Bankdirektors in "Mary Poppins": Reichtum, der sich wie von selbst vermehrt.

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