Band der Woche:The Sexattacks

Lesezeit: 2 min

Sie nutzen Mainstream-Ästhetik, Hochglanzproduktion und schon etwas abgetragene Symbole, um daraus eine brennend-euphorische neue Botschaft für sich zu formulieren

Von Rita Argauer

Das nihilistische Rebellionsgenre Punkrock ist ganz schön alt geworden. In den Siebzigerjahren als pessimistische Antwort auf das Sechzigerjahre-Hippie-Glück atmete diese Musik noch den Geist der Jugend. Jetzt, 40 Jahre später, wirkt Punkrock manchmal etwas verkrampft, so wie ein ewig mahnender Erwachsener, der die zeitgenössischen Themen der Jugend nicht mehr nachvollziehen kann. Punk als Mode ist dabei sowieso völlig ausverkauft, Punk als Musik existiert in München gut in der Deutschpunk- und Hardcore-Szene. Melodischer, englischsprachiger Punk verwässerte seit dem Mainstream-Erfolg, den Green Day Anfang der Nullerjahre feierten, zunehmend.

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Dazu passt auch, dass die Münchner Punkband The Sexattacks ursprünglich den Plan hatte, eine Punkrock-Coverband zu gründen. Das erscheint etwas absurd, sind doch Coverbands eben hauptsächlich dafür da, dass Musik bekannter Künstler entweder zum eigenen Vergnügen oder für Fans nachgespielt wird. Punk zu covern, lässt die Dringlichkeit der Rebellion gegen null gehen. "Schon bald haben wir gemerkt, dass wir sehr wohl selbst Songs in dieser Musikrichtung schreiben und unsere eigenen Geschmäcker und Themen einfließen lassen können", erklärt das Quartett dementsprechend zur Bandgeschichte. Also begann die Truppe um Sänger Uwe Kriegbaum Punkrock, der sich an Bands wie Green Day oder Blink182 orientiert, mit der nötigen Hingabe ins Jahr 2012 zu transportieren. Da gründeten sie sich in ihrem Heimatort Penzberg. 2017 zeigte sich aber als das produktivste Jahr, in dem sie die EP "Secrets" veröffentlichten. Darauf überrascht der Hochglanzsound. Klar, das ist schnelle Musik mit einem treibenden Schlagzeug und verzerrten Gitarren, doch von Produktionsseite aus klingt das mehr nach astreinem Pop als nach einer DIY-Kellerband. Ähnlich zeigt sich die ganze Reihe an Musikvideos, die sie bisher veröffentlicht haben. Ästhetisch glänzend, fast streberhaft umgesetzt, finden sich da der alte ironische Punkrock-Antistyle - weiße Hemden, schwarze Fliege - genauso wie Insignien wie ein altes Telefon, in das großgestisch hineingesungen wird, oder ein umgekehrtes Raumverständnis, wenn der Sänger an der Decke herumspaziert, wie im Video zum Song "Media".

The Sexattacks

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(Foto: Daniel Jocher)

Stil: Punkrock Besetzung: Uwe Kriegbaum (Gesang, Gitarre), Daniel Jocher (Gitarre), Markus Mund (Bass), Simon Kurz (Schlagzeug, Gesang) Aus: München Seit: 2012 Internet: www.thesexattacks.com

Doch Hochglanz wirkt hier nicht abschreckend. Sexattacks nutzen Mainstream-Ästhetik, Hochglanzproduktion und durchaus schon etwas abgetragene Symbole, um daraus eine brennend-euphorische neue Botschaft für sich zu formulieren. Musikalisch ist das nicht neu, aber mit gegenwärtigen Mitteln sehr gut umgesetzt. Und sie meinen es ernst: Wenn sie nicht an neuen Songs arbeiten, kümmern sie sich um Videos, organisieren neue Gigs, überlegen sich Inhalte für die sozialen Netzwerke. Und sonst hängen sie als Kumpels auf Probenwochenenden rum. Auch zeitlich eine Hingabe an die Musik, die das Gesamterscheinungsbild dieser Band so stimmig macht. Obwohl die Punkszene in den Münchner Clubs gerade eher zurückgedrängt sei, berichten sie von einer überwältigenden Publikumsresonanz. Sie wollen die Leute mitnehmen. Das einfach greifbare Auftreten hilft dabei genauso wie die hymnischen Melodien, die unter dem schnellen Punk-Gehacke liegen. Diese Band will gegen eine Gesellschaft rebellieren, in der "Populismus überzuschwappen droht und extreme Ansichten immer mehr ohne Besinnung und Zurückhaltung nach außen getragen werden". Ihr Dagegen-Sein ist musikalisch jedoch mehr nachvollziehbar und offen als aggressiv. Und das ist 2018 sehr angebracht.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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