Konzertkritik:Klanglich ausgereizt

Die Bamberger Symphoniker unter Jakub Hrůša in der Isarphilharmonie.

Von Klaus Kalchschmid

Was Felix Mendelssohns 1845 uraufgeführtes e-moll-Violinkonzert mit Anton Bruckners letzter Symphonie, die bei seinem Tod am 11. Oktober 1896 unvollendet blieb, zu tun hat, darf man sich beim Konzert der Bamberger Symphoniker unter Jakub Hrůša in der Isarphilharmonie schon fragen. Denn Karen Gomyo hätte auch jedes andere Virtuosen-Konzert technisch brillant spielen können. Aber müssen es denn derart viele Portamenti sein und ein derart sahnig-satter Sound, der jede noch so zarte Phrase mit Gewichten versieht? Bei aller Wertschätzung für die Fähigkeiten Gomyos muss man leider feststellen, dass der manchmal durchaus subtile Charme des Werks bei dieser Kombination aus stupender Geigentechnik und allzu großer, vermeintlicher Süße des Tons über weite Strecken verlorengeht.

Die drei Sätze von Bruckners Neunter Symphonie waren da ein anderes Kaliber. Kurz nach einer CD-Einspielung des Werks in der "Philharmonie an der Regnitz" und einer staunenswerten Vier-CD-Box mit den verschiedenen Versionen der vierten Symphonie, die vor einem Jahr erschien, präsentierten die Bamberger das auch ohne Finale, zu dem nur Skizzen existieren, gewaltige Werk nun in München an der Isar. Aber wie bei Franz Schuberts so genannter "Unvollendeter" fehlt in dieser guten Stunde eigentlich nichts.

Hier wird das gefährlich aufstampfende Scherzo mit seinem irreal schwebend anmutenden Trio nicht nur durch die unfreiwillige Dreisätzigkeit der Symphonie zum Zentrum, auch wenn das Finale schon mit seinem nur sieben Takte umfassenden Thema in ganz andere Welten entführt, in gewaltiger Steigerung einen dissonanten Katastrophenmoment erreicht und am Ende umso leiser verdämmert.

Jakub Hrůša reizt die Extreme klanglich aus, wagt Ausbrüche, die die Akustik des Saals an ihre Grenzen bringen, aber sie nicht überschreiten. Und wann immer jenseits der Blechbläser (allein acht Hörner sind aufgeboten!) die Streicher wie am Ende für sich einen großen Gesang anstimmen, hört man einen berückend schönen, warmen Ton.

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