Bairisch und Hochdeutsch:"Ain Fundt Haathkeese"

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"Tschüss Bairisch", 22. November:

Bairisch wird immer weniger gesprochen. Ja, Bairisch stirbt aus, weil viele bairisch sprechende Eltern glauben, mit ihren Kindern nur noch hochdeutsch sprechen zu dürfen. Hans Kratzer ruft ihm schon den Abschiedsgruß zu: "Tschüss Bairisch". Also: Tschüss Bairisch, hallo Hochdeutsch? Ist es wirklich Hochdeutsch, das das Bairische verdrängt? Was ist eigentlich Hochdeutsch? Das ist ein gut gehütetes Geheimnis, das kaum ein Deutschlehrer in 12 oder 13 Jahren Deutschunterricht lüften wird.

Nein, Hochdeutsch ist nicht die kulturell hoch stehende "Hochsprache" unserer Dichter. Hoch ist nicht die Sprache, sondern die Geographie. Im geographisch hoch gelegenen Süddeutschland spricht man hochdeutsche Dialekte wie Bairisch, Schwäbisch oder Fränkisch, im Gegensatz zu den im Norden gesprochenen niederdeutschen Dialekten wie Platt.

Wie das? Jeder weiß doch, dass die im Norden Hochdeutsch sprechen und die in Bayern Bairisch? Tatsächlich haben die Norddeutschen vor 500 Jahren ihre niederdeutsche Schriftsprache aufgegeben und von uns das Hochdeutsche übernommen. Seitdem haben die Niederdeutschen es geschafft, die Herrschaft über das Hochdeutsche zu erlangen. Angefangen bei Luther, der zwar versucht hat, Hochdeutsch zu schreiben, aber vor allem dem sächsischen Volk aufs Maul geschaut hat. Bis zum preußischen Gymnasialprofessor Duden, dessen Werk immer noch als Norm des Hochdeutschen gilt.

Wie sich das Hochdeutsche unter der Herrschaft der Niederdeutschen verändert hat, sieht man an der Aussprache ebenso wie an der Grammatik. Die heutige Schreibweise hat noch viel von der ursprünglichen Aussprache bewahrt. Wer heute weder ein "pf" noch ein "r" noch ein "ä" sprechen kann, muss sich nicht schämen. "Ain Fundt Haathkeese" geht heut locker als Hochdeutsch durch. Auch ist längst vergessen, dass man "das" schreibt, weil man es im richtigen Hochdeutsch als "daas" spricht, im Gegensatz zu "dass", oder "man" wie "maan" im Gegensatz zum "Mann". "Zwanzig" schreibt man so, weil die hochdeutsche Aussprache "zwanzigg" ist. Inzwischen wurde die niederdeutsche Aussprache "zwanzich" längst zur Norm erhoben.

Unter der Herrschaft des Niederdeutschen hat besonders die deutsche Grammatik gelitten. Hier nur zwei kleine Beispiele. "Ich gehe hoch" gilt heute als Hochdeutsch, ist aber ebenso unsinnig wie "ich gehe tief" oder "ich gehe breit". Hochdeutsch ist allein "ich gehe hinauf". Bei "Samstag war ich baden" greift kaum ein Deutschlehrer noch zum Rotstift, obwohl hier sämtliche Präpositionen ausgelassen werden. Hochdeutsch wäre: "Am Samstag war ich beim Baden." Das größte Versagen trifft in diesem Zusammenhang das bayerische Kultusministerium. Warum lernt nicht jeder bayerische Schüler: Hochdeutsch ist unsere Sprache, und die Norddeutschen (vulgo: die Preußen) haben es von uns gelernt? Das hätte den Bayern das nötige Selbstbewusstsein in Bezug auf ihre Sprache geben können. Stattdessen wird Hochdeutsch immer mehr zur Sprache von nordischen Fernsehschwätzern, und der Duden, der "Sprachpanscher des Jahres 2013" (so der Verein Deutsche Sprache) sieht seine vornehmste Aufgabe darin, das im niederdeutschen Norden gesprochene Wort zum Hochdeutschen hochzustilisieren. Wir sollten also nicht nur sagen: "Tschüss Bairisch", sondern auch "Tschüss Hochdeutsch, hallo Duden-Slang"! Dr. Stefan Schleipfer, München

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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