Bahnhofsviertel in München:Gefühlte Unsicherheit

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Keine offene Drogenszene - das ist an den Bahnhöfen vieler Städte anders. (Foto: Stephan Rumpf)

Aggressive Bettler, herumlungernde Tagelöhner und mangelnde Sicherheit: Geschäftsleute und Anwohner beschweren sich immer wieder über die Zustände im Bahnhofsviertel. Nun hat Polizeipräsident Andrä die Gegend besucht - und kommt zu einem anderen Urteil.

Von Florian Fuchs

Von untragbaren Szenen ist die Rede, von aggressiven Bettlern und die Straßen belagernden Tagelöhnern aus Osteuropa. Anwohner und Geschäftsleute im südlichen Bahnhofsviertel haben in den vergangenen Monaten wiederholt über die Sicherheitslage in dieser Gegend geklagt. Auch wegen dieser Klagen ist der neue Polizeipräsident Hubertus Andrä am Montagabend zu einem Rundgang durchs Viertel gekommen und hat anschließend erklärt, dass die Sicherheitslage in der Gegend um den Hauptbahnhof stabil sei. Der Arbeiterstrich und die Bettler seien vor allem "soziale Probleme", die nicht von der Polizei zu lösen seien.

Der Verein "Südliches Bahnhofsviertel München" um den Vorsitzenden und Hotelbetreiber Fritz Wickenhäuser hatte den Polizeipräsidenten eingeladen, um die Probleme zu diskutieren. Seit Jahren schon kommt regelmäßig ein Vertreter der Polizei zu einem Rundgang, um Kontakt zu den Geschäftsleuten dort zu halten.

Für Hubertus Andrä war es nun der erste Besuch in dem Viertel zwischen Pettenkoferstraße, Sonnenstraße, Bayerstraße und St.-Pauls-Kirche - und er musste sich auch gleich mehr Klagen anhören als seine Vorgänger, obwohl er von einem durchaus sicheren Viertel zu berichten wusste. Nur etwa 3000 Menschen aus etwa 30 Nationen leben in dem Areal, der Ausländeranteil beträgt mehr als 50 Prozent.

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Diebstähle und Rohheitsdelikte

Der Publikumsverkehr aber ist extrem stark, die Geschäftsleute zählen bis zu 20.000 Menschen pro Tag. Angesichts dieser Zahlen, sagte Andrä, sei die Verbrechensrate nicht hoch in diesem Viertel, im Zehnjahresvergleich habe sie sogar abgenommen. Im Gegensatz zu anderen Städten gebe es am Hauptbahnhof keine offene Drogenszene, was auch für die gesamte Stadt gelte.

Registriert würden hier von der Polizei vor allem Diebstähle und Rohheitsdelikte, was Andrä nicht weiter verwundert angesichts der zahlreichen Geschäftsläden und angesichts des nahegelegenen Oktoberfestes. Während der Wiesn und mit dem massiven Alkoholkonsum dort steige die Zahl der Körperverletzungen zwischen Hauptbahnhof und Theresienwiese. "Dieses Phänomen erleben wir jedes Jahr aufs Neue", sagte der Polizeipräsident.

Viel mehr interessierte die ansässigen Hotelbetreiber, Bankiers, Bäcker und Gemüsehändler sowie Anwohner diesmal aber die Problematik mit den Bettlern und dem Arbeiterstrich. Die Situation habe sich gebessert, sagte Michael Grill, Geschäftsführer der Theatergemeinde München. Aber wenn weiterhin vor allem Bulgaren und Rumänen den Weg zum Kartenverkauf versperrten, weil sie auf der Straße darauf warteten, für billige Arbeit angeheuert zu werden, müsse er einen privaten Sicherheitsdienst engagieren.

Bankiers beschwerten sich, dass ihre Bankautomaten wiederholt manipuliert worden seien, Hotelbetreiber klagten, dass Banden Kinder zum Betteln in ihre Restaurants schickten. "Und dann beobachten wir oft, wie die Bettler ihr Geld an Hintermänner abdrücken müssen", sagte ein Geschäftsmann.

Strategie der Bettlerbanden - "eine Sauerei"

Andrä antwortete, dass die Polizei nur eingreifen könne, wenn gegen Gesetze verstoßen werde. Man könne Menschen nur schwer verbieten, auf dem Gehsteig zu stehen. Die Strategie der Bettlerbanden, Kinder und behinderte Menschen für ihre Zwecke auszunutzen, nannte Andrä "eine Sauerei". Die Polizei sei über Hinweise dankbar, um die Hintermänner zu fassen. Andrä versprach, die Klagen bei städtischen Gremien vorzutragen. Erste Ergebnisse der Bemühungen sind schon ersichtlich.

Seit ein paar Tagen gibt es mit dem "Schiller 25" eine Anlaufstelle für Menschen, die einen warmen Schlafplatz brauchen. Gesucht werden nun noch Räume für eine Anlaufstelle für die Arbeiter - damit sie nicht mehr auf der Straße stehen müssen.

© SZ vom 13.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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