Bäcker:Rischart arbeitet an seinem Image

Die Bäckerei von Rischart in München

Sogar die Kittel werden in Zukunft anders bedruckt, damit die Leute endlich verstehen, dass sie in der Stadt selbst backen. In Zukunft ist der Werbeslogan: "Münchner Genuss".

(Foto: Catherina Hess)

Bäcker, die nicht nur aufbacken, sind beliebt. Rischart könnte davon profitieren - aber viele nehmen ihn als große Kette wahr.

Von Pia Ratzesberger

Auf der Straße ist nichts zu hören. Nichts zu riechen. Dann fährt ein Laster aus der schmalen Einfahrt und biegt ab Richtung Innenstadt, der Himmel ist schon hell. Der Fahrer wird noch zweimal an diesem Freitag herkommen, aber kaum einer auf der Straße wird das wahrnehmen. In der Halle, in der er die Ware abgeholt hat, hängt ein Zettel an der Wand, auf dem steht: 4.30 Uhr, 5.30 Uhr, 7 Uhr, 8.30 Uhr, 11 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr.

Wenn der Fahrer gleich an seinem Ziel ist, wenn er anhalten wird, die Ware ausladen, dann wird kaum einer vermuten, wo er hergekommen ist. Aus einer Bäckerei im Gärtnerplatzviertel. Und das ist Teil des Problems.

In der Halle dieser Bäckerei steht gerade ein Mann und sagt: "Wir sind doch keine Fabrik, die alle Welt beliefert." Er hebt die Schultern, lässt sie fallen, deutet hinüber zu den vier Arbeitern, die gerade an einem langen Tisch stehen und weichen Teig zu Brezen schlingen. Der Mann heißt Gerhard Müller-Rischart, 74 Jahre. Er ist die vierte Generation.

Die meisten Münchner kennen seinen Namen von blauen Schildern an Bäckereien an den besten Orten in der Stadt, am Hauptbahnhof zum Beispiel, am Viktualienmarkt, am Marienplatz, auch zweimal unter dem Marienplatz, bei den U-Bahnen und S-Bahnen. Geht man durch die Innenstadt, sieht man so oft Läden von Rischart, dass man meinen könnte, es gebe ein paar Dutzend Filialen, es gebe vielleicht auch einen Konzern, der nicht nur in München backt, sondern überregional. Und auch das ist Teil des Problems.

Denn es gab Zeiten, da galt es als Kompliment, wenn man eine solche Produktion einem Unternehmen zugetraut hätte. Dann aber kamen Danone, Nestlé, Unilever, und während die Konzerne immer größer wurden, wendeten sich auch immer mehr von ihnen ab, besannen sich auf die kleinen Geschäfte in der eigenen Stadt. Als solches will Gerhard Müller-Rischart wahrgenommen werden.

Er besitzt 15 Filialen in München, das ist zum Beispiel deutlich weniger als die Bäckerei Wimmer mit mehr als 40 oder auch die Bäckerei Ziegler mit 25 Filialen - wobei Müller-Rischart nicht sagen will, wie viel Umsatz er macht. Auch sein Sohn Magnus, 39 Jahre alt, sagt dazu nichts, er führt seit fast zehn Jahren die Geschäfte und trotzdem ist Gerhard Müller-Rischart, der Senior, immer noch da. Das Büro teilen sie sich. Zwei Schreibtische direkt nebeneinander.

Bäcker: Im kommenden Jahr beginnen die Bauarbeiten für eine neue Zentrale an der Theresienhöhe.

Im kommenden Jahr beginnen die Bauarbeiten für eine neue Zentrale an der Theresienhöhe.

(Foto: Catherina Hess)

Gerhard Müller-Rischart trägt einen weißen Kittel, die Brille an einem Band um den Hals, auf der Stickerei auf seiner Brust steht "Rischart, wo's duftet und schmeckt". Die neuen Kittel müssten bald ankommen. Vor ein paar Monaten haben sein Sohn und er den Spruch geändert zu "Rischart, Münchner Genuss". Damit die Menschen endlich verstehen, dass sie in der Stadt noch selbst backen.

Draußen am Eingang in der Buttermelcherstraße 16 steht zwar der Name auf metallenem Grund, aber viele Passanten vermuten in dem Haus nur ein Lager, vielleicht ein paar Büros. Aber eine Bäckerei, in einem Hinterhaus im Gärtnerplatzviertel? Zwischen Appartements, Bars, Friseursalons? Eher nicht. Dabei stehen hier nachts mehr als hundert Menschen an den Tischen, links bei den Broten und Brezen, rechts bei den Kuchen, weiter hinten bei den Croissants.

Solange man gute Ware anbietet, macht man auch gutes Geschäft

"Sieht nur keiner", sagt Gerhard Müller-Rischart, während er an den Blechen entlang hinter zum Lager läuft. Alle Lieferungen müssen bei ihm einmal durch diese Halle, bis ans Ende des Gangs. Auch deshalb bauen sein Sohn und er im kommenden Jahr eine neue Zentrale an der Theresienhöhe, auf 5300 Quadratmetern.

Dort soll dann jeder durch Glasscheiben sehen können, dass sie noch selbst backen, mit fünf Tonnen Mehl und 4000 aufgeschlagenen Eiern am Tag. Bis vor drei, vier Jahren hat ein Mitarbeiter jedes dieser Eier mit der Hand aufgeschlagen, jetzt haben sie eine kleine Maschine aus Italien. Aber es seien immer noch frische Eier aus einem ihnen bekannten Betrieb und "keine fertigen Flüssigeier oder so etwas", sagt Gerhard Müller-Rischart. Er glaubt: Solange man gute Ware anbietet, macht man auch gutes Geschäft. Draußen werden gerade Paletten voller Milcheimer angeliefert, aus dem Berchtesgadener Land.

Bäcker: Gerhard Müller-Rischart, 74, übernahm die Firma 1973. Magnus Müller-Rischart, 39, führt den Betrieb seit 2009.

Gerhard Müller-Rischart, 74, übernahm die Firma 1973. Magnus Müller-Rischart, 39, führt den Betrieb seit 2009.

(Foto: Catherina Hess)

Der Urgroßvater hat die Bäckerei im Jahr 1883 gegründet, auch in der Isarvorstadt, damals aber noch in der Ickstattstraße, später zogen sie weiter in die Fraunhoferstraße. Dort lernte Gerhard Müller-Rischart, wie er einen Roggenteig anrührt, wie einen Weizenteig und wie heiß der Ofen für die Brezen sein muss.

Als er selbst Chef wurde, eröffnete er sechs neue Filialen und zog in den 80er Jahren in die Buttermelcherstraße um, damals sei das Viertel noch ein anderes gewesen. Es gab noch Schreinereien und einen Schlosser und überhaupt weniger Wohnungen und mehr Handwerker.

Heute ist nur noch der Glaser da, im Geschäft gegenüber. Heute backen seine Leute jeden Tag 40 000 Brote und Semmeln und Sandwiches und Kuchen und was nicht sonst noch alles. Gab es früher nur eine Breze im Sortiment, gibt es heute in seinem Filialen zig verschiedene Produkte aus Brezenteig zu kaufen. Zopfbrezen, Brezenhörnchen, Laugenstangerl, Laugendreieck, belegt, nicht belegt. Gerhard Müller-Rischart zählt auf und sagt dann: "Hat man sich früher mit seinem Auto von den anderen abgesetzt, macht man das heute eben durch die Ernährung." Dinkel-Brot mit Chia-Samen als eine neue Form des Individualismus.

Er bietet auch deshalb 240 verschiedene Artikel im Wechsel an, 120 liegen immer in den Auslagen. Er nimmt einen Zwetschgendatschi vom Blech, "einen Tester" mit Obst aus dem Glas. Erst Ende Juni beginnt die Saison, seine 450 Verkäufer werden dann vier Monate lang Datschis mit frischen Zwetschgen anbieten. Kaum etwas verkaufe sich so gut wie dieses Gebäck, sagt der Senior. Neben der Breze und der Butterbreze natürlich. Gegen die nämlich käme kein Chia-Samen an.

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