Autobahnbrücke A 99:Wo die wilden Tiere wohnen

Tierquerung A99

Keineswegs einfach nur so da ist: Wildtiere nutzen den Graben unter der Brücke, um die A 99 zu queren.

In den Siebzigerjahren wurde auf der A 99 eine Brücke gebaut, die dann gar nicht gebraucht wurde. Jetzt ist sie marode - und muss neu gebaut werden: Wildtiere haben den Graben darunter als Lebensraum erobert.

Von Stefan Mühleisen

Im Volksmund heißen sie "So-da-Brücken". Das sind Brücken, die einfach nur "so da" sind, also ihre Funktion nicht erfüllen. Auf der A 99 bei Grasbrunn ist eine solche So-da-Brücke seit 1974 Teil der Autobahn.

Jetzt ist sie marode - doch einfach abreißen darf die Autobahndirektion Südbayern das 70 Meter breite Teilstück nicht: Biologen haben festgestellt, dass die Brücke keineswegs einfach nur so da ist - Wildtiere nutzen den Graben unter der Brücke, um die Autobahn zu queren. Die Behörde wird deshalb 5,1 Millionen Euro ausgeben, um die alte Brücke abzureißen und eine neue, etwas kleinere zu errichten. Damit soll eine "ökologische Vernetzung der Räume" gewährleistet sein, heißt es in einem Bericht.

"Überdurchschnittlich schlechter Zustand"

Die Brücke war ursprünglich als Kreuzungsbauwerk für die Autobahn A 87 nach Pang bei Rosenheim gedacht. Doch die Pläne wurden verworfen. Seitdem überspannt die Betonkonstruktion einen zehn Meter tiefen Graben zwischen Äckern und Wäldern im sogenannten Grub-Harthauser-Trockental unweit von Grasbrunn.

Nach 39 Jahren, in denen täglich bis zu 88.000 Fahrzeuge über die Brücke fuhren, sind die Schäden gravierend: "Das Bauwerk ist so marode, dass man dringend etwas tun muss", sagt Josef Seebacher, Sprecher der Autobahndirektion Südbayern. Im Planfeststellungsbericht ist vom "überdurchschnittlich schlechten Zustand" des Bauwerks die Rede: Betoneinbrüche, freiliegende Bewehrung, viele Hohlstellen.

Die behördlichen Prüfer stellten allerdings auch fest, dass die für Menschen nutzlose Unterführung durchaus frequentiert ist: Fransenfledermaus, Großes Mausohr und Kleine Bartfledermaus flattern hindurch; Igel und Bergeidechsen nutzen die Querung unter der Autobahn ebenso wie Feldhasen, Steinmarder und Rotfüchse.

Tierschutz hat seinen Preis

Unter der Betondecke, auf der über die Jahre Millionen Fahrzeuge vorbeidonnerten, hat sich die regionale Tierwelt einen Lebensraum erobert. "Wir haben die Verpflichtung, diesen Lebensraum unter allen Umständen zu erhalten", sagt Behördensprecher Seebacher. Als Grundlage nennt er das Bundesnaturschutzgesetz und die europäische Artenschutzverordnung. Seebacher: "Da kommen wir nicht aus."

Der Tierschutz hat seinen Preis: Das Bauwerk ist derart marode, dass es während der Bauarbeiten - diese sollen ein Jahr dauern - die Last des Umleitungsverkehrs nicht tragen kann. Deshalb muss beidseits der Autobahn eine geteerte, dreispurige Ausweichrampe angelegt werden. Die Kosten allein dafür: 600.000 Euro. Darin enthalten ist auch das Geld, das die Behörde für den Ankauf von Flächen von den ansässigen Landwirten ausgeben muss. Seebacher schätzt, dass die Arbeiten 2015 begonnen werden sollen.

Die Verantwortlichen bei der Autobahndirektion dürften die Bundesmittel nur zähneknirschend ausgeben, denn gebaut wird damit nur eine Zwischenlösung. Derzeit läuft nämlich das Planfeststellungsverfahren für den achtspurigen Ausbau der A 99; begonnen wird am Nordkreuz in drei Abschnitten Richtung Süden. Bis die Bagger die verkleinerte Brücke bei Kilometer 43,846 erreichen, wird wohl noch ein Jahrzehnt vergehen. Spätestens dann muss das Bauwerk erweitert werden.

Inzwischen hat die Bundesregierung einen eigenen Etat für Tierquerungshilfen eingerichtet. Das Kabinett beschloss im Februar 2012 das Programm "Wiedervernetzung", wodurch bisher durch Fernstraßen zerschnittene Lebensräume mit dem Bau von sogenannten Grünbrücken wieder verbunden werden sollen. Das Investitionsvolumen an bundesweit 93 Stellen wurde mit 180 Millionen Euro angesetzt.

In Bayern gibt es Grünbrücken etwa an der A 3 bei Würzburg-Heidingsfeld und an der A 7 bei Bad Kissingen. Diese Übergänge schützen Mensch und Tier: Nach Angaben des Deutschen Jagdverbands sterben im Jahr rund 250.000 Tiere auf deutschen Straßen. Das Bundesumweltministerium registrierte jährlich etwa 3000 Wildunfälle, 2009 starben dadurch bundesweit 27 Menschen.

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