Ausweichquartier:Der Gasteig könnte nach Sendling ziehen

Ausweichquartier: Wo jetzt noch Trafos lagern, könnten bald die Philharmoniker spielen.

Wo jetzt noch Trafos lagern, könnten bald die Philharmoniker spielen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Das Gelände der Stadtwerke gegenüber dem Heizkraftwerk Süd könnte Standort der Ausweichquartiere für den Gasteig werden.
  • Allerdings muss noch geklärt werden, ob die akustischen Bedingungen die Einrichtung eines Interimskonzertsaals ermöglichen.
  • Weil das Kulturzentrum von 2021 an aufwendig saniert und daher gesperrt werden muss, brauchen VHS, Stadtbücherei und Musikhochschule eine Übergangslösung.

Von Susanne Hermanski und Christian Krügel

Ein Kuddelmuddel aus Werkstätten und Lagerräumen, dazu eine große alte Backsteinhalle direkt am Mittleren Ring, gegenüber das Heizkraftwerk Süd, im Osten der Isarkanal als Grenze: Im Moment deutet wenig darauf hin, dass das 27 000 Quadratmeter große Areal an der Ecke Brudermühl- und Schäftlarnstraße schon bald Münchens kulturelles Zentrum sein soll.

Doch geht es nach Bürgermeister Josef Schmid (CSU) und Gasteig-Chef Max Wagner, soll hier schon bald ein neuer Gasteig entstehen: Das Gelände der Stadtwerke böte genügend Platz, um dort Ausweichquartiere für Volkshochschule und Stadtbibliothek unterzubringen. In der großen Backsteinhalle von 1929 könnte ein neuer Konzertsaal entstehen. Der Aufsichtsrat des Gasteigs zeigte sich am Donnerstag begeistert von den Plänen, bis August soll geklärt werden, ob sich das umsetzen lässt.

"Das wäre eine ideale Lösung, eine ganz, ganz große Chance für die Stadt", jubelt Bürgermeister Schmid. Der ist als Wirtschaftsreferent auch für den Gasteig verantwortlich und muss deshalb dringend ein gewaltiges Problem lösen. Weil das Kulturzentrum von 2021 an aufwendig saniert und daher gesperrt werden muss, brauchen VHS, Stadtbücherei und Musikhochschule ein Ausweichquartier. Und es braucht mehrere Jahre lang einen Interimskonzertsaal für die Münchner Philharmoniker und alle anderen Orchester, die derzeit die Philharmonie nutzen.

Ein Grundstück in der Messesstadt Riem war zuletzt dafür auserkoren worden. Doch dagegen gab es heftige Proteste der freien Konzertveranstalter und des BR-Symphonieorchesters (BRSO), die Philharmoniker waren damit ebenso wenig glücklich wie Gasteig-Chef Wagner. Der hätte gerne die Einheit des Kulturzentrums gewahrt. Und diese Chance sehen nun alle Beteiligten offenbar auf dem Stadtwerkegrundstück in Sendling. Max Wagner spricht von einem "richtig urbanen Flair mit vielen kreativen Möglichkeiten".

Kernstück wäre das zum Teil denkmalgeschützte Backsteingebäude direkt an der Brudermühlstraße. Mitte Mai besichtigten die Philharmoniker und ihr Chef Valery Gergiev den Bau, der Dirigent sei begeistert gewesen, so Orchestersprecher Christian Beuke. "Für uns wäre das eine großartige Lösung in einem tollen Ambiente", sagt er. Das Areal sei deutlich näher an der Münchner Innenstadt als die Messestadt Riem, über den U-Bahnhof Brudermühlstraße und den Mittleren Ring zudem ähnlich gut angebunden. "Natürlich muss man jetzt erst von Fachleuten beurteilen lassen, ob sich die Halle auch akustisch entsprechend gestalten lässt", sagt Max Wagner. Sollte sich kein Saal einbauen lassen, sei der Bau aber auch ein guter Ausweichort etwa für die Stadtbibliothek mit ihren hohen Platzbedarf. Für die Philharmonie ließe sich dann ein Holzkonzertsaal auf das Areal bauen, wie er auch für Riem geplant gewesen wäre. Dafür müssten lediglich ein paar Garagen weichen.

Bis zur ersten Augustwoche werden die beauftragten Gutachter, darunter die Architekten Sattler & Sattler und die Akustik-Experten von Müller BBM, ihre Erkenntnisse zur Machbarkeit überstellen, Mitte September kann in einer Sondersitzung des Aufsichtsrats dann wieder darüber beraten werden. Dessen Mitglieder haben sich am Donnerstag bereits durchweg positiv gezeigt, selbst die Kämmerei signalisierte offenbar Wohlwollen. "Es gibt die Hoffnung, dass das sogar billiger werden könnte als bisher geplant", sagt Bürgermeister Schmid. Zuletzt hatte es Kritik an den geplanten Kosten für die Interimsquartiere gegeben. Allein für den Konzertsaal sind 37 Millionen Euro vorgesehen. Mit den privaten Konzertveranstaltern und dem BRSO wird es nächste Woche eine Ortsbegehung geben.

Man will eng mit den dortigen Künstlern und Geschäften arbeiten

Das Sendlinger Areal wurde von der Stadt München ursprünglich zur Trinkwasserversorgung genutzt: Von 1900 an wurden Lagerhallen, Rohrlager und Werkstätten für die städtische Wasserversorgung sowie den Kanalbau errichtet. Heute befinden sich auf dem Gelände mehrere betriebliche Einrichtungen der SWM, insbesondere die Ausbildungswerkstätte und ein Trafolager in der Backsteinhalle. Dieses zu verlagern ist schon seit Längerem im Gespräch, nicht zuletzt, weil die gesamte Fläche in Zukunft ohnehin anders genutzt werden sollte.

Die Zwischenmieter auf dem Areal, darunter ein Reifen- und ein Fahrrad-Fachgeschäft, haben deshalb befristete Verträge. Darunter befinden sich auch Künstler, die ihre Ateliers dort haben. "Falls es ernst wird, werden wir aber mit allen Mietern reden, um herauszufinden, ob wir sie in unseren Interims-Gasteig nicht irgendwie integrieren könnten. Ich fände das besonders schön", sagt Max Wagner. Die Stadtwerke bestätigen, dass das ganze Projekt in enger Abstimmung laufe.

Das Areal in Riem dürfte damit obsolet sein, wird aber vorerst weiter für eine Interimsphilharmonie reserviert. Im Aufsichtsrat wurden noch drei weitere Standorte besprochen, aber alle nicht als so gut bewertet: ein bislang als Parkplatz genutztes Areal in der Nähe des Michaelibads, die Zenithhalle in Freimann und das Backstage-Gelände. Alle drei sind aber so klein, dass sie lediglich als Standort für die Philharmonie infrage kämen.

Zenith und Backstage befinden sich zudem in Privatbesitz, was Planung und Finanzierung zusätzlich erschweren würde. Der Parkplatz am Candidplatz wird nur noch als Ergänzung zu der Sendlinger Lösung in Erwägung gezogen, "zum Beispiel, um dort etwas unterzubringen, das auf dem eigentlichen Ausweichgelände keinen Platz mehr finden sollte", sagt Wagner. Was er selbst als besonders charmant an der Lage empfindet: "Es ist gleich neben dem Isarkanal. Der Gasteig bliebe also am Fluss und behielte sogar sein Markenzeichen. Jemand hat schon gewitzelt: Wenn wir dann wieder umziehen, können wir auf dem Floß zurückfahren."

Ausweichquartier: SZ-Grafik

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