Auswahl von Bewerbern:"Schallende Ohrfeige" für die Stadt

  • Der Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) hat seit Sommer eine neue Chefin - und doch nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Einstellung vorerst unterbunden.
  • Ein unterlegener Bewerber hatte erfolgreich geklagt. Es moniert, dass Bewerbungsgespräche vor dem Stadtrat den Ausschlag geben.
  • So verfährt die Stadt aber seit Jahren, die Parteien verteidigen das Vorgehen. Schließlich könnten Bewerber so Nachteile auf dem Papier ausgleichen.
  • Die Stadt will nun eine Instanz höher gehen. Das Urteil könnte ein Präzedenzfall werden für die zukünftige Personalpolitik Münchens.

Von Heiner Effern

Moderner Betrieb, 1500 Mitarbeiter, ordentlich dotiert - der Chefposten des Abfallwirtschaftsbetriebs München (AWM) dürfte einer der attraktivsten in der Verwaltung sein. Doch bis auf Weiteres bleibt das Büro am Georg-Brauchle-Ring unbesetzt: Das Verwaltungsgericht München hindert Sabine Schulz-Hammerl am Einzug. Diese wurde zwar bereits im Sommer vom Stadtrat gewählt und in einer Pressemitteilung offiziell vorgestellt, doch ein unterlegener Konkurrent hat gegen die Entscheidung erfolgreich geklagt. Behält er Recht, könnte Schulz-Hammerl einen Job verlieren, den sie noch gar nicht angetreten hat.

Die Stadt wehrt sich dagegen, sie will die Personalie vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) bringen. Die Lokalpolitik blickt dem Ergebnis gespannt und auch besorgt entgegen - es geht in ihren Augen um mehr als den Streit um einen Chefposten. Es geht um die grundsätzliche Frage, inwieweit der Stadtrat bei solch wichtigen Personalien noch mitreden darf. Gerade für die Besetzung der Chefposten könnte der Beschluss des Verwaltungsgerichts aus Sicht der Stadt gravierende Nachteile bringen. Diese sind wie im Fall des AWM zurückhaltend benannt als Zweiter Werkleiter, können aber große Wirkung auf das Leben der Bürger und auch die Politik entfachen. Um diese Spitzenstellen bewerben sich oft Kandidaten, die als Angestellte oder Beamte schon im öffentlichen Dienst stehen.

Genau für solche Fälle könnte der Beschluss des Verwaltungsgerichts eine Zäsur bedeuten. Die Richter erklären nämlich eindeutig, dass Bewerbungsgespräche vor dem Stadtrat nur in einem Ausnahmefall den Ausschlag geben dürften: bei einem Patt in der Auswertung aller Beurteilungen und Einstufungen der Kandidaten. Das Verfahren ist streng formalisiert. Wenn zum Beispiel zwei Bewerber in verschiedenen Einkommensgruppen und damit Hierarchien eingestuft sind, wie bei der Bewerbung um den Chefposten bei den AWM der Fall, können sie in allen anderen Punkten gleichwertig sein. Zum Zuge kommen muss laut Verwaltungsgericht der Kandidat aus der höheren Hierarchie. Die Papierform überwiege die Momentaufnahme aus dem Bewerbergespräch.

Das Personalreferat will sich zum Prozessverlauf nicht äußern, verweist aber auf die städtischen Bewerberrichtlinien. Aus denen gehe hervor, dass ein Nachteil in der Papierform kompensiert werden könne, sagte ein Sprecher. Der Spielraum in solchen Besetzungsverfahren sei nicht unermesslich, aber "bisher praktizieren wir es so". Kompensieren heißt in einem solchen Fall, dass die Konkurrenten sich im Stadtrat vorstellen und dieser genau diese Freiheit besitzt, einen Nachteil auf dem Papier mit seinem Urteil wettzumachen.

"Wir hätten es lieber, wenn man auch einen doppelten Unterschied ausgleichen könnte", sagte SPD-Stadträtin Bettina Messinger, die für den ehrenamtlichen Stadtrat als Koreferentin das Personalreferat betreut. Doch mit diesem Anliegen habe man keine Chance gehabt. Sollte der Beschluss auch am VGH Bestand haben, hätte der Stadtrat so gut wie keine Auswahl mehr. "Dann bliebe oft nur ein Kandidat übrig. Wir hoffen, dass das nicht so kommt." Auch andere Fraktionen fürchten, dass dieser Beschluss zum Präzedenzfall werden könnte. Offen äußern wollten sie ihre Sorge nicht.

Aber auch der zweite Knackpunkt des aktuellen Beschlusses des Verwaltungsgerichts macht der Stadt Sorgen. Die Richter monieren dort, dass Schulz-Hammerl kein Zwischenzeugnis vorgelegt habe. Sie arbeitete zur Zeit ihrer Bewerbung als Kommunikationschefin im Deutschen Museum. Sie wollte dort aber kein Zwischenzeugnis anfordern, wohl um niemanden zu verprellen. Nach ihrem Sieg im Verfahren reichte sie die Unterlage nach. Nützt nichts, erklärten die Richter. "Sollte das künftig auch für externe Kandidaten gelten, werden wir kaum noch Bewerbungen bekommen", sagte ein Stadtrat. Denn kaum ein Interessent werde seinem privaten Arbeitgeber mit der Bitte um ein Zwischenzeugnis signalisieren wollen, dass er sich für einen anderen Job interessiere.

Nun wartet alles auf das Verwaltungsgericht

Die Rechtsanwälte Gerd Tersteegen und Anke Jung haben den Beschluss für ihren Mandanten erstritten. Sie verstehen die Aufregung in der Politik ebenso wenig wie die rechtliche Haltung der Stadt. "Dieser Beschluss ist eine schallende Ohrfeige", sagte Tersteegen. Die Lage sei eindeutig, die Stadt müsse ihre Richtlinien anpassen. Der Gesetzgeber habe schon vor einiger Zeit dafür gesorgt, dass politische und persönliche Präferenzen keine so große Rolle mehr bei der Vergabe von Jobs in der Verwaltung spielen dürften.

Zu oft habe die Politik ihre früher größere Freiheit missbraucht. Das werde nun auch die Stadt München spüren: "Mein Mandant muss den Job erhalten, wenn dieser Beschluss rechtskräftig wird", sagte Tersteegen. Die nächste Instanz scheut der erfahrene Verwaltungsrechtler nicht. Wann der VGH darüber entscheiden wird, ist noch offen. Die nächsten Wochen und eventuell auch Monate leitet die AWM kommissarisch eine Stellvertreterin der künftigen Chefin oder des künftigen Chefs.

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