Ausstellung zum Ersten Weltkrieg:Begeistert ins Verderben

Ausstellung zum Ersten Weltkrieg: Die Kriegsbegeisterung in München erfasste auch Kinder wie diese Buben, die als Soldaten posieren.

Die Kriegsbegeisterung in München erfasste auch Kinder wie diese Buben, die als Soldaten posieren.

(Foto: Ausstellungskatalog)

Die Ausstellung "Krieg! Bayern im Sommer 1914" im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zeigt, wie naiv die Menschen den Feldzug unterstützten - und wie dieser Hurrapatriotismus auf deutscher wie französischer Seite mit Propaganda gezielt genährt wurde.

Von Wolfgang Görl

Der erste Ausstellungsraum ist in frühlingshaftem Grün gehalten, der Farbe der Hoffnung. Auf einem Foto ist der bayerische König Ludwig III. zu sehen, wie er am 1. August 1914 auf dem Balkon des Wittelsbacher Palais die Huldigung der Münchner entgegennimmt. Es ist der Tag, an dem der Monarch die Mobilmachung der Bayerischen Armee angeordnet hat. Der König, so berichtete die Bayerische Staatszeitung am folgenden Tag, habe in seiner Ansprache die Zuversicht geäußert, dass sich "meine braven Soldaten" tapfer schlagen werden und "mit Sieg gekrönt wieder in die Heimat zurückkehren". Und weiter schrieb die Zeitung: "Nicht endenwollender Jubel lösten diese Worte aus, die so warm den Geist der Stunde kennzeichneten."

Auch in Bayern feierten viele Menschen den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wenngleich es auch kritische Stimmen gab, und etwa die Bauern alles andere als begeistert waren, dass mitten in der Erntezeit ihre Söhne und Knechte sowie ihre Gäule ins Feld mussten. Aber diese Sorgen gingen unter in einer Woge des Patriotismus, die sogar die Kinder erfasste. Da stehen Münchner Lausbuben in Uniform für den Fotografen stramm, bewaffnet ist die Kindertruppe mit Säbeln, Holzgewehren und einer Geschützattrappe. Wenn sie schon nicht in den Krieg ziehen dürfen, dann marschieren sie wenigstens durch die Münchner Straßen - die militärische Erziehung im Kaiserreich trägt Früchte.

Wie haben die Menschen reagiert?

Zu sehen sind die Fotos und viele andere historische Dokumente in der Ausstellung "Krieg! Bayern im Sommer 1914", die bis zum 1. August im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in der Ludwigstraße stattfindet. Dabei haben sich die Ausstellungsmacher auf die Frage konzentriert, wie die Menschen in Bayern auf den Ausbruch des Krieges reagierten und welche Auswirkungen das Kriegsgeschehen der ersten Monate auf das Alltagsleben hatte.

Da gab es, aller Kriegsbegeisterung zum Trotz, einen Ansturm auf Lebensmittelgeschäfte, weil die Leute sicherheitshalber Vorräte anlegen wollten. Auf Litfass-Säulen oder Plakatwänden war bald der Aufruf zu lesen: "Helft uns siegen, zeichnet die Kriegsanleihe." Von hoher künstlerischer Qualität ist ein Plakat des Berliner Grafikers Julius Gipkens: Die Silhouette einer knienden Frau ist zu sehen, deren ausgestreckter Arm eine goldene Kette darbietet. Darunter steht: "Bringt euren Goldschmuck den Goldankaufsstellen!" Um den Krieg zu finanzieren, hatte sich die Reichsbank gezwungen gesehen, die Goldvorräte aufstocken.

Es dauerte nicht lange, da erschienen die ersten Todesanzeigen in den Zeitungen. Der "Heldentod" wird darin verkündet, darüber prangt das Eiserne Kreuz. Die Ausstellung zeigt auch den Brief einer Mutter, der ungeöffnet aus dem Kampfgebiet in Frankreich zurückkam. Der Adressat, ihr Sohn, ist gefallen. Mit blauem Stift hat der Feldpostmann ein Kreuz auf das Kuvert gezeichnet, daneben die Worte: "Fürs Vaterland."

Exponate aus Frankreich

Besonders eindrucksvoll sind die Exponate, mit denen das Hauptstaatsarchiv die Schlacht in Lothringen dokumentiert. Das Gefecht am 20. August 1914 war die erste große Schlacht an der Westfront und die letzte, in der die bayerische Armee nahezu geschlossen ins Feld zog. Unter Führung des bayerischen Kronprinzen Rupprecht errangen zwei deutsche Armeen zwar einen Sieg, dennoch steckten die Truppen bald in ihren Stellungen fest. Bis Mitte September fielen 17 000 bayerische Soldaten bei den Kämpfen an der Westfront.

Es war eine gute Idee der Ausstellungsmacher, die ersten Kriegswochen auch aus Sicht der französischen Seite zu zeigen. Dafür hat das Archiv der Stadt Nancy, die damals Frontstadt war, etliche historische Zeugnisse bereitgestellt. Darunter sind Fotos zerstörter Gebäude, ein Bild erbeuteter deutscher Geschütze oder Propaganda-Postkarten. Was die Diffamierung des Feindes mittels Karikatur betrifft, standen sich beide Seiten in nichts nach.

Eine deutsche Kriegspostkarte zeigt die Franzosen als uniformierte Hasen, die panisch vor dem Feind davonhoppeln. Soldaten aus den afrikanischen Kolonien Frankreichs werden als Menschenfresser dargestellt. Ein französischer Karikaturist zeichnet deutsche Bajonette, auf denen ein Kleinkind aufgespießt ist. In einer russischen Zeichnung erscheint Kaiser Wilhelm als todbringender Teufel.

Welcher Geist auch unter den Gelehrten herrschte, zeigt ein Satz aus der "Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches" vom 16. Oktober 1914: "Unser Glaube ist, daß für die ganze Kultur Europas das Heil an dem Siege hängt, den der deutsche ,Militarismus' erkämpfen wird."

Die Ausstellung "Krieg! Bayern im Sommer 1914" im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, Ludwigstraße 14, ist bis 1. August von Sonntag bis Freitags zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

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