Ausstellung nennt Spekulanten:Heuschrecke zeigt Zähne

Ausstellung nennt Spekulanten: Die Investoren forderten Norbert Ott, Sprecher der Mietergemeinschaft, zum sofortigen Abbau der Ausstellung auf.

Die Investoren forderten Norbert Ott, Sprecher der Mietergemeinschaft, zum sofortigen Abbau der Ausstellung auf.

Eine Mietergemeinschaft aus der Maxvorstadt wehrt sich gegen eine Luxussanierung. In einer Ausstellung über Gentrifizierung nennen sie die Spekulanten sogar beim Namen - doch die drohen einem der Macher nun mit Kündigung.

Von Bernd Kastner

Was muss sich ein Vermieter an öffentlicher Kritik von seinen Mietern gefallen lassen? In München gibt es viele Mietergemeinschaften, aber wohl keine ist so aktiv und wehrhaft wie die aus der Türkenstraße 52/54. Seit Jahren stemmen sich die Bewohner des Ensembles gegen die Pläne ihrer Vermieter, das Haus zu sanieren oder teilweise abzureißen und aus günstigen Wohnungen teure zu machen.

Die Mieter dort haben Politik, Medien und Öffentlichkeit informiert und mobilisiert. Mit Erfolg: Einst leer stehende Wohnungen werden neu vermietet, seit drei Jahren passiert kaum mehr etwas in der Türkenstraße, was die Bewohner auf die Palme gebracht hätte.

Dorthin aber haben nun die Mieter ihre Vermieter gebracht. Und von dort oben drohen die Eigentümer mit empfindlichen juristischen Konsequenzen. Die Aktiven aus der Türkenstraße, unter ihnen der Kinderbuchautor Ali Mitgutsch, haben in der U-Bahn-Galerie Universität eine kleine Ausstellung über die Immobilienspekulation in der Maxvorstadt gestaltet und Teile ihres Wissens einfließen lassen, das sie in den Jahren ihres Engagements erworben haben.

"Maxvorstadt - Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum" ist sie überschrieben. Es sind nur fünf Tafeln, die pointiert und kritisch die Situation beschreiben. Zu sehen ist eine Heuschrecke, die sich diverser Häuser bemächtigt. Mitgutsch hat aus den Namen unzähliger Firmen ein Spinnennetz gestaltet: "Immobilien-Spekulanten-Vernetzung" nennt sich das dann.

In einem Stadtviertelplan sind gut ein Dutzend Renditeobjekte eingezeichnet, daneben Fotos dieser Häuser samt Adresse: Schellingstraße, Adalbertstraße, Luisenstraße, Amalienstraße. Die ohnehin teure Maxvorstadt ist, nach Jahren relativer Ruhe, wieder im Fokus der Spekulation. "Aufwertung" nennt das die Immobilienbranche, die Bewohner aus der Türkenstraße 52/54 sagen "Vertreibung" dazu und "Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum".

Ihrem Haus schenken sie besondere Aufmerksamkeit in den Vitrinen: "Wir bleiben hier" steht handschriftlich neben Zeitungsartikeln, die überschrieben sind mit "Investoren schütteln den Denkmalschutz ab" oder "Rendite contra Menschlichkeit". Daneben eine Chronologie, aus der hervorgeht, dass das Haus einst unter Denkmalschutz stand, dieser Schutz dann aber weitgehend aufgehoben wurde auf Wunsch der Eigentümer, einer Gruppe Münchner Geschäftsleute.

Unter ihnen war auch Ex-Burda-Vorstand und Autor Jürgen Todenhöfer mit seiner Sternenstaubstiftung. Als der vom Vorgehen seiner Co-Investoren erfuhr, distanzierte er sich, drängte seine Kollegen zum pfleglichen Umgang mit den Mietern und kündigte an, sein Kapital zurückzuziehen. Seine Stiftung will unter anderem alten Menschen helfen, da passt es nicht, wenn Senioren durch das Geschäftsgebaren der Eigentümer Entmietung befürchten. Die Angst ist da, auch wenn die übrigen Investoren stets betonten, niemanden vertreiben zu wollen und stets nach Recht und Gesetz zu agieren.

Seit 8. Juli läuft die Mini-Ausstellung im Untergrund, erst jetzt haben die Investoren davon erfahren. Deren Geschäftsführer Joseph Braun hat am vergangenen Freitag einen Brief an den Sprecher der Mietergemeinschaft geschrieben. Er fordert Norbert Ott auf, sofort diverse Fotos zu entfernen, ebenso den Namen der Eigentümer-Firma. Denn die sehe sich in ihrem "Unternehmerpersönlichkeitsrecht" verletzt, und außerdem habe Ott die ihm "obliegenden Treuepflichten" aus seinem Mietverhältnis verletzt. Wenn nicht bis spätestens am Folgetag die Forderung erfüllt ist, würden die Vermieter rechtliche Schritte ergreifen, auch "in Bezug auf das zwischen uns bestehende Mietverhältnis". Man kann das als Kündigungsdrohung verstehen.

"Ich fühle mich bedroht", sagt Ott, Kunsthistoriker von Beruf, 70 Jahre alt und seit fast 40 Jahren Mieter in der Türkenstraße. "Der Investor mag die Wahrheit nicht hören." Weil Ott seine Wohnung nicht riskieren will, baut er am Samstagnachmittag die Ausstellung weitgehend ab, jetzt liegen die Plakate zusammengerollt hinter Glas. Nur eines ist noch zu sehen, die Tafel mit der Heuschrecke und den Forderungen an die Politik, die endlich der Spekulation Einhalt gebieten solle. Zitiert ist das Grundgesetz ("Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.") und die Bayerische Verfassung ("Eigentumsordnung und Eigentumsgebrauch haben auch dem Gemeinwohl zu dienen.").

Vor ein paar Jahren noch hatten die Eigentümer große Pläne mit dem Türkenstraßen-Ensemble. Nun erklärt Vermieter Braun, dass nicht feststehe, was mit dem Haus geschehe. Und dass man erst durch die SZ-Fragen erfahren habe, dass hinter der Ausstellung ja auch ein von den Bürgern gewähltes städtisches Gremium stehe: der Bezirksausschuss (BA) Maxvorstadt. Es sind seine Vitrinen, der BA hat die Plakate abgesegnet.

Auf seiner Internetseite findet sich noch immer, wie das Gremium die Mietsituation im Stadtteil bewertet: "Es gilt aufzupassen, liebe Maxvorstädter! Die Entmietung zum Zweck der Luxussanierung schreitet in der Innenstadt Münchens unaufhörlich voran. Wann trifft es Sie?" Es folgt in Versalien: "Die Maxvorstadt gehört uns, nicht den Spekulanten." Denen aber gehören viele Häuser.

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