Ausstellung über Frieden:"Eine Mischung aus Gandhi und Bill Gates"

Im Gasteig werden Friedensmacher porträtiert. Initiator Michael Gleich erklärt, warum auch Terroristen als Vorbild taugen können.

L. Sonnabend

"Peace Counts" portraitiert Menschen, die an Friedensprozessen arbeiten und als Vorbilder angesehen werden können. Der Journalist Michael Gleich, 48, ist Initiator der Organisation. Derzeit sind die Porträts in der Ausstellung "Peace Counts" im Gasteig in München zu sehen.

Peace Counts

"Die Friedensmacher wirken auf die Jugendlichen meist sehr authentisch, weil sie eine Emailadresse haben": Michael Gleich.

(Foto: Foto: sonn)

sueddeutsche.de: Die Medien berichten über Krieg, aber nur selten über Frieden. Warum ist das so?

Michael Gleich: Viele Journalisten informieren über Krieg wie über ein Fußballspiel. Erst schießt der eine ein Tor, dann der andere - und am Ende berichtet man, wer gewonnen hat. Friedensprozesse sind langwieriger, es gibt immer wieder Rückschläge. Das erfordert von Journalisten mehr Recherche, Analyse und Durchhaltevermögen. Deswegen kommt das Thema Frieden in den Medien seltener vor. Aber man kann den Journalisten nicht alleine die Schuld dafür geben. Es gibt einen Markt für Katastrophen. Das Publikum ist sensationsgierig und fordert, dass diese Gier bedient wird.

sueddeutsche.de: Um was geht es Ihnen bei "Peace Counts"?

Gleich: Bei "Peace Counts" porträtieren wir Personen in Krisengebieten, die an einem dauerhaften Frieden arbeiten. Ihre Projekte sind besonders mutig, kreativ oder intelligent gemacht. Wichtig ist uns, dass sie ganz normale Bürger sind und nicht große Politiker, Diplomaten oder Generäle. Wir waren in 33 Konfliktregionen von A wie Afghanistan bis Z wie Zypern. In den Ausstellungen wie hier im Gasteig zeigen wir Porträts dieser Friedensmacher, und Schulklassen können sich über ihre Arbeit informieren. Die Friedensmacher wirken auf die Jugendlichen meist sehr authentisch, weil sie eine Emailadresse haben, über die man mit ihnen in Kontakt treten kann.

sueddeutsche.de: Was macht einen guten Friedensstifter aus?

Gleich: Ein erfolgreicher Friedensmacher ist eine Mischung aus Mahatma Gandhi und Bill Gates. Von Bill Gates hat er die Tatkraft und den Unternehmensgeist und von Gandhi die Vision, die Gewaltfreiheit und das philosophische Gerüst.

sueddeutsche.de: Wen haben Sie auf Ihren Reisen getroffen?

Gleich: Zur Ausstellungseröffnung hier in München war Joe Doherty zu Gast, ein ehemaliger Kämpfer der irisch-republikanischen Armee. Doherty war 23 Jahre lang im Gefängnis, unter anderem wegen Mordes. Einmal ist er aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Nordirland geflohen und konnte erst in den USA wieder festgenommen worden.

sueddeutsche.de: Und das soll ein Vorbild sein?

Gleich: Bei Doherty kam im Gefängnis irgendwann der Punkt, an dem er erkannte, dass der Weg der Gewalt in eine Sackgasse führt. 1997 - ein Jahr vor dem Karfreitagsabkommen - wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Seitdem arbeit er mit Jugendlichen. In den katholischen Gemeinden von Belfast wird Doherty immer noch als Kriegsheld verehrt. Doch er hat gesagt: 'Die Zeit der Helden ist vorbei, ich möchte jetzt mit Kindern arbeiten und verhindern, dass sie in bewaffnete Gruppen einsteigen.' Auch heute ist die Situation in Nordirland noch sehr fragil, viele sind enttäuscht vom Friedensprozess. Eine Stimme wie die von Joe Doherty ist enorm wichtig.

sueddeutsche.de: Wo auf der Erde müsste noch dringend Frieden her?

Gleich: Der Balkan ist aus unserer Sicht sehr wichtig. Was in Mazedonien, im Kosovo, in Bosnien passiert, das ist längst noch nicht gegessen. Als wir im Jahr 2003 in Sri Lanka waren, dachten wir, das Land sei auf einem guten Weg. Es gab einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Vor eineinhalb Jahren waren wir dann noch einmal dort, die Situation war wieder explosiv. In Colombo sah man überall Soldaten. Der sich abzeichnende Frieden wurde einfach kaputtgebombt. Beim Frieden gibt es immer wieder Rückschläge.

sueddeutsche.de: Glauben Sie, dass irgendwann überall Frieden herrschen wird auf der Welt?

Gleich: Es wird immer Konflikte geben, denn es gibt nicht zwei Personen auf der Welt, die absolut identische Interessen haben. Deswegen sollte es zur Kultur der Menschheit gehören, nicht nur neue technologische Erfindungen zu machen, sondern auch soziologische. Die Menschheit muss lernen, wie man Interessenskonflikte auf konstruktive Weise überwindet, sodass es nicht zu Situationen kommt, in denen alle nur verlieren.

Weitere Informationen gibt es unter www.peacecounts.org. Die Ausstellung im Gasteig ist noch bis zum 20. Februar 2009 zu sehen, Informationen zum Programm gibt es hier.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: