Ausstellung über digitale Welten:Wohnzimmer der Zukunft

Es geht um moderne Medien, Pornos und die unerfindliche Angst, in der virtuellen Welt etwas zu verpassen: Das Deutsche Museum zeigt in einer Ausstellung, wie neue Technik den Alltag verändert und wie Wohnen in der Zukunft aussehen wird.

Martina Scherf

Sonderaustellung "@Home -Unsere Gesellschaft im Digitalen Zeitalter" im Deutschen Museum.

Sonderaustellung "@Home -Unsere Gesellschaft im Digitalen Zeitalter" im Deutschen Museum.

(Foto: Stephan Rumpf)

Eine Ausstellung über digitale Welten, die Oma und Enkel gleichermaßen verstehen? In der beide noch etwas lernen können - kann so etwas funktionieren? Die Kuratoren vom Stapferhaus in Lenzburg bei Zürich haben den Spagat geschafft. "@Home" heißt ihr sehenswertes Museumsprojekt, das in der Schweiz großes Echo hervorgerufen hat und nun als digitales Wohnzimmer im Deutschen Museum aufgebaut wurde. Es geht darin nicht - wie sonst im Museum - um die Frage, wie die neue Technik funktioniert, sondern wie wir damit umgehen.

Sechs Personen berichten in Filmbeiträgen, wie moderne Medien ihren Alltag prägen. Da ist Steve, 42 Jahre alt, von Beruf Medienpädagoge. Aber nicht als solcher tritt er hier auf, sondern als Nerd. Von Kind an war er fasziniert von Fantasy-Welten und Computerspielen, erzählt er. Obwohl er von seinem Beruf die Suchtgefahr kennt, ist er immer mehr der Faszination der "World of Warcraft" erlegen.

"Wenn du einige Zeit offline bist, hast du das Gefühl, etwas zu verpassen, dann sind die anderen schon weiter, haben neue Szenen erschaffen, mehr Ansehen und mehr Geld gewonnen, also willst du immer öfter dabei sein. Es gab Tage, da habe ich 14 Stunden gespielt", sagt der Schweizer, während der Besucher in der Dunkelkabine sitzt und auf Großbildschirm selbst in die magischen Bilder der Drachen und Krieger eintaucht.

Ein Mädchen erzählt, warum es nicht mehr ohne Handy leben kann, ein Junge, wie an seiner Schule Laptops im Unterricht eingesetzt werden. Mit einem Teenager kann man bei "Ego-Shooter" in einen Krieg nach US-amerikanischer Manier eintauchen, echt bis zu den Blutspritzern auf der Kameralinse - und sich nebenbei von dem Spieler erklären lassen, warum so etwas Fingerspitzengefühl und Taktikvermögen fördert.

Eine Sofa-Landschaft lädt nach diesen Begegnungen zum Ausruhen ein, man kann dort Familienangehörige, Freunde und Lehrer der Sechs "anrufen". Sie berichten aus unterschiedlichen Perspektiven von ihren Erfahrungen mit dem Medienkonsum ihres Ehemannes, ihrer Tochter, Schülerin.

Digital Natives sehen alles entspannter

Es geht nicht um Sinn oder Unsinn der neuen Medien, die ohnehin nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken sind. Es geht um den bewussten Umgang mit ihren Chancen und Risiken. Auf iPads können Besucher ihre eigene Meinung mit anderen vergleichen: Sollte ein Zehnjähriger ein Handy haben? Sollte eine Zwölfjährige allein zuhause am Internet hängen dürfen? Die Antworten sind geteilt in "digital natives" und "digital immigrants" - natürlich sehen die Natives, also mit dem Internet Aufgewachsenen, diese Fragen meist entspannter.

Auch im "Forum", wo die Experten - Psychologen, Pädagogen, Kulturwissenschaftler - zu Wort kommen, gibt es oft erstaunliche und zum Teil widersprüchliche Antworten. Auf die Frage "Gibt es eine Generation Porno?" zitiert ein Wissenschaftler eine kanadische Studie, wonach die Mehrheit der Teenager angab, weniger das Internet, als vielmehr die eigenen Eltern seien für sie richtungsweisend im Umgang mit dem anderen Geschlecht.

Sehr viele Alltagsfragen werden hier also aufgeworfen. Auch der historische Kontext fehlt nicht. Filmbeiträge zeigen, wie die neuen Medien zu unterschiedlichen Zeiten diskutiert wurden. Da ist zum Beispiel Monika Hohlmeier in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk aus dem Jahr 2001 zu hören, wie sie beklagt, es gebe viel zu wenige Lehrer, die sich mit Computern und Internet auskennen. Weil sich daran wenig geändert hat, gibt es begleitend zur Ausstellung Führungen und Workshops für Pädagogen (am 20. November eine Führung und am 13. Dezember ein Workshop zu Facebook, Twitter und Apps).

Der Verein Kultur- und Spielraum wird Studenten als Führer einsetzen, die mit Jugendlichen auf Augenhöhe diskutieren. Und falls Oma nach dem Ausstellungsbesuch immer noch meint, das Internet sei Teufelswerk, kann sie sich mit dem barocken Juristen und Prediger Ahasverus Fritsch beruhigen: "Sie lechzen danach, täglich nach Neuem zu Fragen, Neues zu hören, Neues zu erzählen. Ja einige sind so schrecklich neugierig ( . . . ), dass sie sich nicht scheuen, sie sogar in den Kirchen während der heiligen Handlung zu lesen oder in Amtsstuben bei noch wichtigeren Besprechungen", schrieb er 1676 über die ersten Zeitungen.

"@Home" ist eine gelungene Ausstellung, sie könnte beispielgebend sein für den Umbau des Deutschen Museums, der in vollem Gang ist. Direktor Wolfgang Heckl will kontroverse Auseinandersetzungen mit Themen der Technik künftig noch mehr in den Vordergrund rücken.

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