Ausstellung:Blick in die Zukunft

Sabine Gerber und Sarah Kellberg planen am Deutschen Museum eine Sonderschau zum Thema Energiewende. Das Konzept ist spielerisch und kontrovers, und es steht auch für ein neues Format, um wissenschaftliche Themen anschaulich zu machen

Von Martina Scherf

"Energie.wenden". Die Ausstellungsmacher haben bewusst einen Punkt zwischen die beiden Worte im Titel der neuen Sonderschau im Deutschen Museum gesetzt. Er soll klar machen, dass es sich um einen Prozess handelt, mit vielen möglichen Wegen. Wie kompliziert dieser Prozess ist, das wird einem in der Ausstellung schnell klar. Denn die Besucher werden aufgefordert, Stellung zu beziehen. Atomkraft, nein danke - aber was dann? Noch mehr Wasserkraft? Windräder in jedes Dorf? Sonnenkraftwerke, aber mit welchem Speicher? Steuern senken? Stromverschwender bestrafen? "Wir wollen die Menschen auffordern, sich aktiv zu beteiligen", sagt Kuratorin Sabine Gerber, "denn das Thema geht alle an, und wir sind überzeugt, dass man auf diese Weise am meisten lernt".

Noch ist die Ausstellungshalle im hinteren Teil des Deutschen Museums eine Baustelle. Überall schlängeln sich Kabel über den Boden, Leitern stehen herum, Kisten türmen sich. Handwerker schrauben Stellwände zusammen, schließen Laptops an, richten Exponate ein. Sabine Gerber und ihre Mitarbeiterin Sarah Kellberg behalten den Überblick. Die Sonderschau, die am 15. Februar eröffnet wird, ist ihr gemeinsames Baby, sie haben viel Arbeit und Herzblut in das Thema gesteckt.

Das Thema kam von Museumsdirektor Wolfgang Heckl. Denn die Energiewende ist die Herausforderung der Zukunft, sagt er, "für Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Gesellschaft gleichermaßen". Für die Kuratorinnen war dann schnell klar, "dass wir einen Gegenpol schaffen wollen zu der Haltung: Die da oben machen eh, was sie wollen", sagt Gerber. "Es ging uns darum, zu zeigen: Jeder muss etwas dazu beitragen, damit am Ende vernünftige Lösungen herauskommen".

Die beiden Frauen hatten eine Anfangsidee: Sie wollten die Besucher in einem interaktiven Spiel durch die Ausstellung leiten. An dieser Idee hielten sie fest, auch in den vielen Sitzungen mit Wissenschaftlern, Kuratoren und Direktoren, die im Vorfeld einer neuen Ausstellung das Konzept zerpflücken und auf Herz und Nieren prüfen. So planen sie nun einen lebendigen Rundgang durch verschiedene Themen, bei denen der Besucher handeln muss wie ein Politiker. Auf mannshohen Bildschirmen begegnet er verschiedenen, von Schauspielern dargestellten Akteuren, die ihm ihre Argumente nahe bringen wollen. Der Umweltaktivist oder der Kernkraftlobbyist, der Landwirt, die Managerin eines Kohlekraftwerks oder ein Vertreter der Automobilindustrie.

Hinter jedem Themengebiet öffnet sich ein Raum mit Exponaten und Fakten zu den einzelnen Arten der Energiegewinnung und des -verbrauchs, sodass alle, die mehr wissen und kompetenter diskutieren wollen, sich dort informieren können. Im Kubus "Mobilität", zum Beispiel, kann man sich ausrechnen lassen, wie viel CO2 die letzte Urlaubsreise gekostet hat. Wer sich dann eine Meinung gebildet hat, soll eine eine Entscheidung fällen, in dem er mit einer eigens entwickelten Maschine seine Antworten in eine Lochkarte stanzt.

"Lochkarten sind etwas Handfestes", sagt Christoph Stratenwerth aus Basel, der mit den Kuratoren des Museums das Medienkonzept entwickelt hat. Gerade im digitalen Zeitalter sei es wichtig, den Menschen etwas zu geben, was nicht einfach weggewischt wird, sondern was zumindest für die Dauer einer Ausstellung hält. Es gibt neben den Videobotschaften der Energielobbyisten durchaus noch einige digitale Effekte in der Ausstellung. Aber die Entscheidungen der Besucher stanzt eine extra entwickelte Maschine in festen Karton. Am Ende des Rundgangs wird die Karte ausgewertet und der Besucher erfährt, was für ein "Energietyp" er ist. "Das macht Spaß, es bringt die Menschen aber auch dazu, ihr Wissen und ihre Standpunkte zu prüfen", sagt Kellberg. "Es ist gut, wenn sie trotz moderner Technik noch etwas zum Anfassen haben."

Während das Deutsche Museum sonst möglichst jeden Bezug zur Politik vermeidet, ist in dieser Ausstellung ein Standpunkt unstrittig: Der Klimawandel ist menschengemacht, "da stehen wir hinter der Position des Weltklimarats", sagt Gerber. Dennoch stehen die Argumente der verschiedenen Technikbefürworter, Stromkonzerne, Lobbyisten und Umweltschützer zur Diskussion. Wie in der Gesellschaft auch.

Bei einem kontroversen Thema wie der Energiewende stellt sich aber noch ein anderes Problem: "Da kann es jederzeit passieren, dass ich morgens beim Frühstück die Zeitung aufschlage, und es hat sich schon wieder etwas geändert, in der Technik oder in der Politik", sagt Gerber. Deshalb darf man sich nicht zu sehr festlegen - "sonst müssten wir jedesmal unsere Texttafeln umschreiben".

An den Texten wird bis zum Schluss gefeilt. Druck- und Farbfehler werden korrigiert, einige Formulierungen verbessert. Die Texte sind überschaubar, es sind nicht mehr, wie sonst an vielen Stellen im Museum, Abhandlungen aus Fachbüchern, für Laien unverständlich. Darauf haben die Mitarbeiter des jungen Ausstellungsteams, das diesmal am Werk war, geachtet.

Fünf Kuratoren, mehrere Projektmanager, Gestalter, Grafiker, Dutzende Handwerker sind an der Ausstellung beteiligt. Bei den beiden Frauen laufen alle Fäden zusammen. Sie haben auch Exponate eingesammelt, als Spenden von Firmen, wie die blaue Turbine für ein Kleinwasserkraftwerk oder den Ortsnetz-Transformator, der gebraucht wird, um Strom aus dezentralen Kleinkraftwerken ins Netz einzuspeisen. "Das Wandel-Ding", sagt Kellberg.

"Schauen Sie mal, das ist mein Lieblingsobjekt", fährt sie fort und geht ans Ende des Rundgangs: Ein Smog-Periskop, mit dem man über die ganze Ausstellungslandschaft blicken und verschiedene Grade an Luftverschmutzung einstellen kann. München, London oder Peking. Solche Mitmach-Stationen prägen sich ins Gedächtnis ein. "Auch ich lerne hier immer noch wahnsinnig viel", sagt Kellberg.

Und dann haben sich die beiden noch etwas Hübsches einfallen lassen - die "Galerie der unsinnigen Dinge". Der maßlose Konsum trägt ja auch zum Energieproblem bei. "Wir haben Menschen aufgefordert, uns Dinge zu schenken oder leihen, die sie selbst für fragwürdig halten", sagt Kellberg und schmunzelt, "da kam allerlei Kurioses zusammen: Zum Beispiel ein jodelnder Flamingo aus Plüsch. Der hat auch Energie für seine Herstellung gekostet."

Die Wände der Ausstellung sind sonnengelb, ebenso der Teppich, der aus alten Fischernetzen gewebt ist. Alles ist hell und freundlich. Über die Farbe haben die beiden Frauen mit Kollegen und den Ausstellungsarchitekten lange diskutiert. Das Gelb, entschieden sie dann, macht gute Laune und steigert die Wahrnehmung. Auf jeden Fall regt es nach alter Feng Shui Regel die geistige Energie an.

Die Sonderausstellung "energie.wenden" ist vom 15. Februar an im Deutschen Museum zu sehen (täglich 9 bis 17 Uhr). Wegen der Sanierung sind einige Dauerausstellungen derzeit geschlossen, darunter Atomphysik, Brückenbau, Chemie, Druck, Fotografie, Modelleisenbahn, Moderne Luftfahrt, Optik, Raumfahrt. Geöffnet sind aber weiterhin unter anderem: die Astronomie, das Bergwerk (eingeschränkt), die allgemeine Energietechnik, die Historische Luftfahrt, die Meeresforschung, die Physik, das neue Planetarium, die Schifffahrt oder die Starkstromabteilung mit den Vorführungen. Laufend aktuelle Informationen unter www.deutsches-museum.de/ausstellungen

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